BEDNAR-PARK Teil 3: Das Verschwinden der Brachflächen, oder warum eine alte Kirche auch dann stehen bleiben soll, wenn in der Nähe eine zweite Kirche existiert

Soll eine alte Kirche abgerissen werden, wenn in der Nähe eine zweite Kirche steht?

Bereits vor zwei Jahren sagte Universitätsprofessor Rudolf Maier vom Institut für Ökologie, der die Erforschung der Vegetation des Nordbahnhofgeländes initiiert hatte, diese Brachflächen seien ein wichtiger Teil der Stadt. In einer 2005 erschienenen Titelgeschichte des Bezirksjournals über die bedrohten seltenen Pflanzenarten des Nordbahnhofgeländes wetterte er, es sei doch nicht notwendig, solche wertvollen Rückzugsräume zur Gänze mit Asphalt zuzuschütten. Er könne sich eine Teilerhaltung vorstellen, es gäbe bereits Gespräche mit der Magistratsabteilung 22, Umweltschutz, um dies zu erreichen.

Nun ist das also gescheitert. Nur mehr Fotos erinnern, wie staunende Experten gemeinsam mit interessierten Laien die seltenen Pflanzen bewundern, den Igelsamen, den Grauen Schöterich, das Steinfingerkraut (siehe Fotos). In Amtsstuben stößt deren Erhaltung aber offenbar auf viel Unverständnis. Als Kontaktperson für die städteplanerische Flächenwidmung des Bednar-Parks gilt Frau Frau Dipl. Ing. Elvira Pracherstorfer von der Magistratsabteilung 21A. Auf meine schriftliche Anfrage, warum die Biotope nicht zumindest teilweise erhalten und in den Park integriert werden, teilte sie mir mit, die Wettbewerbsbedingungen seien unter Mitwirkung von Vertretern diverser Magistratsabteilungen, auch der MA 22 Umwelt, ausgearbeitet worden. Hauptverantwortlich für den Wettbewerb war die MA 21A, schrieb sie. Sie wolle mich noch ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Bereich des Bednar-Parks heute keine Naturlandschaft und kein Naturschutzgebiet sei.

Noch immer verstehen viele Entscheidungsträger nicht, dass auch manche durch menschlichen Einfluss entstandene Areale, beispielsweise Mähwiesen, sehr wertvoll sind. Nicht nur Naturlandschaften sind wertvoll. Und das Argument, das Areal sei kein Naturschutzgebiet, ist überhaupt fragwürdig. Es gibt leider viele schützenswerte Areale, die kein Naturschutzgebiet sind.

Margit Grassinger von der Planungsabteilung des Stadtgartenamts wollte mündlich am Telefon nichts zum Thema sagen, da ohnehin sowohl von ihrer Abteilung, als auch von der MA 22 Umwelt, je eine schriftliche Stellungnahme in Ausarbeitung sei. Deren Inhalt, also die Begründung der Nicht-Erhaltung der gefährdeten Pflanzen, wird sicher interessant sein. Wenn die Texte eingelangt sind, wird www.oekonews.at darüber berichten.

Nachbarkirche. Bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Biotops wird von den Experten der Stadt Wien unter anderem geschaut, ob die seltenen Pflanzenarten auch auf irgendeinem benachbarten Areal gefunden werden können. Ist das der Fall, wird eine Zerstörung des Biotops naturschutzrechtlich eher erlaubt, während bei einem einzigartigen Standort eher eine Schutzwürdigkeit ausgesprochen wird. Aber auch wenn es einen ähnlichen Nachbarstandort gibt, muss die Zerstörung eines Areals als bedenklich angesehen werden, da eine Verringerung der Anzahl solcher Brachflächen die seltenen Arten immer mehr gefährdet. Wenn in zwei benachbarten Dörfern je eine ähnlich aussehende alte romanische Kirche steht, würde man ja auch nicht dem Abriss einer der beiden Kunstwerke zustimmen, mit dem Argument, im Nachbardorf ‘steht ja eh noch eine ähnlich aussehende Kirche’.

Leider werden auch andere Brachflächen in Wien bald verschwinden. Wo demnächst der große neue Hauptbahnhof in Wien gebaut wird (der verkehrstechnisch natürlich sinnvoll ist), erstrecken sich heute Areale, die man mitten in einer Großstadt kaum erwarten würde (siehe Fotos). Um den Bahnhof aber zu finanzieren, wollen ÖBB und Stadt Wien rundherum Einkaufszentren und Hochhäuser errichten. Für ein Stück Stadtwildnis bleibt da wohl kein Platz. Andere Bauprojekte der nächsten Jahre sollen, wie ein Experte mir mitteilte, wahrscheinlich vereinzelte Restbestände solcher Pflanzenrefugien übrig lassen.

Kompromiss...

Es ist schon klar, dass bei einer steigenden Bevölkerungszahl in Wien nicht jede Brachfläche erhalten bleiben kann und manches verbaut werden muss. Bei einem enorm großen innerstädtischen Biotop wie dem Nordbahnhofgelände ist es aber jedenfalls höchst bedauerlich, dass die Chance auf eine innovative Verschränkung von Wohngebiet und Natur-Refugium vertan worden ist - gerade auch in der, wie Ulli Sima immer betont, ‘Umweltmusterstadt Wien’.

Die Problematik liegt teilweise darin, dass viele Menschen meinen, es handle sich bei diesen Arealen nur um wertlose ‘Gstetten’. Noch immer ist der Glaube tief verwurzelt, dass der Mensch jedes Fleckerl Erde ‘gestalten’ müsse (drum heißt es ja auch ‘Landschaftsarchitekten’) und nichts sich selbst überlassen werden darf. Ein schlimmes Beispiel ist etwa der im Jahr 1974 errichtete Kurpark Oberlaa mit Einheitsgänseblümchenrasen und Betonwegen. Langsam erfolgt aber möglicherweise auch in manchen Abteilungen des Wiener Rathauses ein Umdenken, wie manche erfreuliche ‘Stadtwildnis-Bereiche’ zeigen.

Beserlparks mit Gänseblümcheneinheitsrasen gibt es schon viele in Wien. Da wird auch der Bednar-Park mit seinem Glaskubus zum Kaffeetrinken und den orange angepinselten Spielgeräten keinen großen Unterschied machen. Eine Verschränkung von Pflanzenrefugium und Erholungsareal wäre dagegen echt innovativ gewesen. Eine Umweltmusterstadt erkennt man bekanntlich an ihrer Umweltpolitik. Und nicht daran, dass die Umweltstadträtin oft in der U-Bahn-Zeitung abgebildet ist.

Lesen Sie nach:
Gänseblümchenrasen statt Pflanzenparadies
BEDNAR-PARK Teil 2: Mangelhafte Ausschreibung der Stadt Wien



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /