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Autobahnausbau Teil 2: Shopping Resort Gerasdorf „G3“

Ein Konglomerat aus Verkehrswachstum, Schädigung bestehender Handelszentren und verfehlter Raumordnungspolitik eröffnet am 18. Oktober 2012

© Google Earth & Gerd Maier / Luftaufnahme aus dem Jahr 2003 - diese Felder wurden dem Beton geopfert
© Google Earth & Gerd Maier / Luftaufnahme aus dem Jahr 2003 - diese Felder wurden dem Beton geopfert
© Google Earth & Gerd Maier / Luftaufnahme im Jahr 2008 - 2008 Autobahnknoten in Bau
© Google Earth & Gerd Maier / Luftaufnahme im Jahr 2008 - 2008 Autobahnknoten in Bau
© Google Earth & Gerd Maier / Luftaufnahme im Jahr 2011 - links unten ist das G3 in Bau
© Google Earth & Gerd Maier / Luftaufnahme im Jahr 2011 - links unten ist das G3 in Bau

‘Ganz große Gefühle’ versprechen dieser Tage die ganzseitigen Inserate des ‘Shopping Resort Gerasdorf G3’, eines gewaltigen neuen Einkaufszentrums im Niemandsland an der Autobahn nahe dem gigantomanischen Autobahnknoten Eibesbrunn (zwischen Ringautobahn S1 und Nordautobahn A5), der so groß wie die Salzburger Altstadt ist.

Ob diese ‘ganz großen’ Gefühle bei den Wienern in Floridsdorf besonders positiv sein werden, lässt sich bezweifeln. Sogar jene Politiker und Autobahnplaner, die der Bevölkerung weismachen wollten, dass die S1-Nordumfahrung von Korneuburg über Eibesbrunn nach Süßenbrunn mit Anschluss nach Mistelbach und Tschechien angeblich eventuell eine gewisse Verkehrsentlastung der äußeren Brünner Straße zwischen Jedlersdorf und Stammersdorf bewirken könnte, mussten nun kleinlaut zugeben, dass diese angebliche Verkehrsentlastung durch den Bau des riesigen EKZ ‘G3’ wieder kaputt gemacht wird. Stattdessen wird das große EKZ ‘SCN’ (Shopping Center Nord) viele Kunden verlieren, und KFZ-Kolonnen werden sich hinaus ins Niemandsland zum Autobahnknoten wälzen.

Beim Autobahnknoten, abseits der Öffis

Wenn die niederösterreichischen Raumordnungsbehörden schon – in Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat von Gerasdorf – im Niemandsland einen derart großen Verkehrserreger bewilligen wollen, dann hätte sich ein Bereich wenige Kilometer weiter östlich angeboten. Dort kreuzt die Autobahn den Schnellbahnstrang Wien-Wolkersdorf, wo alle 15 Minuten Schnellbahnen halten. Eine eigene Haltestelle direkt neben dem EKZ hätte zumindest ermöglicht, dass jene Kunden und Angestellten, die keine großen Waren mit sich führen, bequem und rasch per Bahn von Wien Mitte, Praterstern oder Floridsdorf rasch anreisen könnten.

Stattdessen steht der Shopping Koloss mit 140 verschiedenen Shopping-Einheiten nun im Niemandsland. Und wer partout nicht mit dem Auto hinfahren will, findet nur einen (vergleichsweise langsamen) Zubringerbus, der sich alle heiligen Zeiten von Floridsdorf durch die ampelreiche, staugeplagte Brünner Straße Richtung Autobahnknoten quält.

Die ganzseitige G3-Werbung wirbt allerdings mit einer ‘guten Erreichbarkeit’ an der ‘Autobahnabfahrt Eibesbrunn S1, A5, B7’ und schreibt euphorisch von 4.000 Gratis-Parkplätzen.

Euphorische Medienberichterstattung

In der weitgehend werbefinanzierten Gratiszeitung ‘Österreich’ sucht man kritische Berichte zu den metastasenartigen Wucherungen des EKZ-Überangebots meist vergeblich, stattdessen jedoch oft hymnische Lobpreisungen, wie großartig die neuen ‘Shopping Resorts’ denn seien. Einen Schlüssel zu dieser vielleicht nicht ganz zufällig einseitigen Berichterstattung finden wir vielleicht in der in unregelmäßigen Abständen in ‘Österreich’ mitgelieferten, dicken farbigen Beilage mit dem Titel ‘Wir bauen Österreich’. Getarnt als redaktionelle Texte, liest man hier glücksverheißende Hymnen auf die in Wien und Umland geplanten Hochhäuser, Bürokolosse und Einkaufszentren, eingerahmt von ein- und zweiseitigen hochprofitablen Großinseraten.

Im Editorial spricht ‘Niki Fellner’, Sohn des Österreich-Herausgebers Wolfgang Fellner, euphorisch davon, dass in Wien ‘Dutzende spannende Projekte’ entstehen. Bei den hyper-euphorischen Texten der nächsten Seiten (‘Das sind die neuen Immo-Hits’, ‘Der neue Fashion-Tempel’, ‘Developing the Future’, ‘Hier werden Wohnträume erfüllt’, ‘Perspektiven für Österreich’) fragt man sich, wo es sich nun um unabhängig recherchierte redaktionelle Texte handelt, und wo um bezahlte Anzeigen, die meist als ‘Medienkooperationen’ getarnt werden. Meine diesbezügliche Frage an die Österreich-Redaktion blieb unbeantwortet.

Wenn man sehr genau hinschaut, findet man auf manchen Seiten versteckt und schwer lesbar in dünner, weißer Minischrift das Wort ‘Werbung’, jedoch nicht überall. Eine Doppelseite verkündete schon vor einem Jahr in der Ausgabe vom 25.9.2011: ‘WED und BAI gestalten mit ihren Bauten das Leben in und rund um Wien maßgeblich mit: Die Meilensteine der Stadtarchitektur wachsen’. Jubelnd lesen wir dort über das G3 Shopping Resort Gerasdorf: ‘Es wird das größte jemals in einer Bauphase errichtete Einkaufszentrum Österreichs’! (Die SCS wurde offenbar in mehreren Etappen erbaut.) Wir erfahren, dass ‘den einkaufsfreudigen (!) Besuchern auf 70.000 Quadratmetern Einkaufsfläche (!)’ 180 Verkaufsbetriebe zur Verfügung stehen.

‘Nahe dem neuen Verkehrsknotenpunkt Eibesbrunn’ sei das G3 ‘ideal gelegen’, lesen wir. Wobei dieser Autobahnknoten mit der Größe der Altstadt von Salzburg wertvolles fruchtbares Ackerland im Norden von Wien zerstört hat. Thomas Jakoubek, Geschäftsführer der BAI Bauträger Austria Immobilien GmbH, schwärmt von einem ‘modernen Marktplatz’ und einem ‘Kommunikationsraum voller Möglichkeiten’. Die Einkaufsfläche beträgt 58.000 Quadratmeter, die Fachmarktzentren 12.000 Quadratmeter, dazu Geschäftsflächen und Gastronomie mit 70.000 Quadratmetern, 4000 PKW-Stellplätze für die Kunden, wo noch hunderte Angestellte und täglich zahllose Zuliefer-LKWs hinzukommen.

Das Land Niederösterreich hat inzwischen ein Gesetz modifiziert, damit solche Kolosse im Niemandsland nicht mehr bewilligt werden dürfen. Was für ein Zufall, dass die Bewilligung für das G3 Projekt noch haarscharf vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmung erteilt wurde, als es gerade noch juristisch machbar war.

Thomas Jakoubek (BAI): „Wir befinden uns in einem EKZ-Verdrängungswettbewerb“

In Zusammenhang mit der ausufernden Finanzierung neuer Büro- und EKZ-Immobilien durch die österreichischen Banken wandte ich mich im Juli 2012 an Herrn Dieter Hengl, der bei der Bank Austria-Unicredit im Management Board für Corporate und Investmentbanking sitzt und eine wesentliche Rolle bei der Kreditvergabe und Finanzierung der vielen Großprojekte (auch der BAI) innehat. Ich fragte ihn, ob die riesigen BAI-Projekte wie das EKZ-Wien Mitte (das die Fahrgäste seit Jahren mit einer Großbaustelle quält), und das gigantomanische G3-Gerasdorf, ebenso wie die vielen neuen Bürobauten, nicht Ausdruck einer Immobilienblase seien, die irgendwann mal verpuffen oder platzen könnte – mit einem drastischen Preisverfall durch das Überangebot, mit Konkursen und uneinbringlichen Krediten für die Banken. Dieter Hengl von der Bank Austria verwies mich freundlich an DI Thomas Jakoubek, den Geschäftsführer von BAI Bauträger Austria Immobilien, der mir antworten würde.

Jakoubek entschuldigte sich für die jahrelangen Unannehmlichkeiten durch den Bau des Wien-Mitte-Büro-EKZ-Bauwerks für die Öffi-Benutzer und versprach, dass dort mit 30.000 Quadratmetern das größte Shopping Center der Wiener Innenstadt entstehen werde. Meine Frage zur Sinnhaftigkeit des Überangebotes an neuen Büroflächen und Einkaufszentren, ob das nicht eine temporäre Immobilienblase sei, vergaß er leider zu beantworten.

Ich hakte hartnäckig nach und erhielt am 31. Juli 2012 von ihm die kurze Antwort, dass auch er nicht garantieren könne, ob es derzeit eine Immobilienblase gäbe, die ‘platzen’ könne. Niemand könne das garantieren, die Wirtschaft verlaufe nun mal in Zyklen. Derzeit befänden wir uns, so Jakoubek, in einem Verdrängungswettbewerb. G3 Gerasdorf und das EKZ-Wien Mitte seien ‘hervorragend vermietet’. – Mit anderen Worten, die Stärksten setzen sich durch und machen hohe Gewinne, die anderen erleiden Verluste, Konkurse, und die Banken fallen um ihre Kredite um. Wofür dann wieder die Steuerzahler mit einer Stützung der Banken einspringen müssen.

Übrigens:
Sogar die Bank Austria – Unicredit spricht inzwischen (Juli 2012) ganz offiziell davon, dass die Vermietung der ausufernd vielen neuen Bürobauten ‘kaum in Schwung kommt’, und dass die neuen Einkaufszentren den ‘alten’ schwer zu schaffen machen, weil der Markt längst gesättigt sei:
Eine bemerkenswerte Aussendung der Bank Austria: http://www.bankaustria.at/de/32083.html

Und das angesehene Wirtschaftsblatt zitiert Experten, die das G3 Gerasdorf für höchst problematisch halten:
http://www.wirtschaftsblatt.at/home/oesterreich/unternehmen/wien/experten-geben-einkaufszentrum-g3-wenig-chancen-508798/index.do



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /