© AL / Aktivist auf einem Baum und Bagger
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Stadtstraße: Aus der Geschichte lernen

Nachdenkpause – ein Weg aus der Sackgasse

© AL / Polizeiaufgebot in großem Ausmaß
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© AL / Polizei sichert Rodung
© AL / Polizei sichert Rodung
© GH / Keine Bäume mehr entlang der Straße
© GH / Keine Bäume mehr entlang der Straße
© GH / Gerodete Bäume
© GH / Gerodete Bäume
© Obwohl die Autobahn-Kapazität schneller als die Bevölkerung wuchs, stieg die Zeit im Stau extrem Daten aus den 100 größten Stadtregionen der USA von 1993 bis 2017 (The Congestion Con, 2020)
© Obwohl die Autobahn-Kapazität schneller als die Bevölkerung wuchs, stieg die Zeit im Stau extrem Daten aus den 100 größten Stadtregionen der USA von 1993 bis 2017 (The Congestion Con, 2020)

Jetzt hat sich also die „Stadt-Gewalt“ durchgesetzt und in Wien den Weg für eine Fortsetzung „dringend notwendiger“ Bauarbeiten frei gemacht.

Die Vorgangsweise erinnert an eine mehrere Jahrzehnte zurückliegende Auseinandersetzung, deren Ausgang heute als wichtiger Schritt für die Umweltbewegung gesehen wird: den erfolgreichen Widerstand gegen die Zerstörung der Hainburger Au durch den Bau eines Donaukraftwerks. Nach dessen Verhinderung entstand der Nationalpark Donauauen. Der aktuelle Konflikt spielt sich am anderen Ende des Nationalparks im Bereich der Lobau ab.

Am 1. Februar wurde die Besetzung der Baustelle von der Polizei beendet und gleichzeitig mit der geplanten Rodung von Bäumen begonnen.

Grund zur Eile

Die politisch Verantwortlichen hatten mehrere nicht stichhaltige Gründe für die Dringlichkeit ihrer Aktion:

• Baumfällungen sind nur im Winter bis Ende Februar zugelassen
• Es gibt bereits Termine für die vermeidbare Sperre von U-Bahn und S-Bahn im Herbst
• Der Bau von Wohnungen wurde in der Umweltverträglichkeitsprüfung vom Bau der „Stadtstraße“ abhängig gemacht.

Schaden durch Eile

Den politisch Verantwortlichen geht es offensichtlich um die Schaffung vollendeter Tatsachen.
Der erste unnötige Schaden – an der Natur – ist durch die Rodungen wahrscheinlich schon weitgehend angerichtet. Der nächste, wenn auch begrenzte, Schaden – für den Öffentlichen Verkehr - eine mehrwöchige Sperre der wichtigen U-Bahn und S-Bahn-Verbindungen droht, wenn die „Stadtstraße“ gebaut wird.

Beides ist nur für das umstrittene Projekt Stadtstraße notwendig, nicht für mögliche Alternativen.

Die mit Nachhaltigkeit nicht vereinbare Bedingung in der Umweltverträglichkeitsprüfung könnte durch einen Abänderungsantrag aus dem Weg geschafft werden.
Aber auch wenn nicht gebaut wird, ist ein weiterer Schaden – für die Steuerzahlenden – fast sicher: weil von der Stadt schon Mitte Jänner große Bauaufträge vergeben wurden, sind Schadenersatz-forderungen wahrscheinlich.

Es drängt sich eine Frage auf: Kann ein Problem mit den Mitteln gelöst werden, die es verursachen ?

Das Lobauautobahn-Projekt wird ja hauptsächlich damit begründet, dass dadurch die Wohngebiete im Umfeld vom Autoverkehr „befreit“ und Staus auf der SO-Tangente verhindert werden.

Alle Erfahrungen zeigen aber, dass der Ausbau von Straßen im besten Fall eine kurzfristige „Entlastung“ auf anderen Straßen bringt.

Stadtautobahn und Stau gehören zusammen

Da das Auto für Massenverkehr ungeeignet ist, kommt es regelmäßig zu Staus in Straßen, wo viele Autos zusammenkommen: auf Stadtautobahnen, Zufahrten zu Einkaufszentren usw.. Seit Jahrzehnten werden als Maßnahme dagegen Straßen verbreitert und neue Straßen (Umfahrungen, Autobahnen) gebaut.

In den Vereinigten Staaten, dem Land mit den meisten Erfahrungen mit Zersiedlung und Autobahnen, wurde schon vor rund 60 Jahren unter dem Titel „Das Gesetz des Spitzenzeit-Autobahn-Staus“ festgestellt:

Erfahrungen auf Schnellstraßen in großen US-Städten deuten darauf hin, dass der Verkehrsstau für immer da ist. Offensichtlich kommen autofahrende Pendler im Stoßverkehr morgens und abends nur im Kriechtempo voran, unabhängig davon wie viele neue Superstraßen zur Verbindung der äußeren Gebiete (suburbs) mit dem Stadtzentrum (downtown) gebaut werden.

Die Entscheidung jeder einzelnen Person, wo er/sie leben möchte, beeinflusst, welches Verkehrsmittel zum Pendeln gewählt wird.

Ein aktueller Bericht kommt zu dem gleichen Schluss, der auch ein beliebtes Argument für den Autobahnbau entkräftet: Daten aus der Verkehrsstatistik für die Jahre 1993-2017 in den 100 größten Stadtgebieten der USA zeigen, dass selbst ein höherer Zuwachs an neuen Autobahnen als bei der Stadtbevölkerung Staus nicht vermieden hat .

Vorschläge für einen Ausweg

Nachdenkpause

Im Fall der Hainburg-Aktion im Jahr 1984 hat sich die vom damaligen Bundeskanzler Sinowatz ausgerufene Nachdenkpause bewährt. Es erscheint sinnvoll, dass sich die Wiener Stadtregierung an diesem Beispiel orientiert.

Sofortiger Rodungsstopp und Baustopp

Im Fall Hainburg gab es parallel dazu auch einen Rodungsstopp, der schließlich die Au erhalten hat. Bei der „Stadtstraße“ haben neben der Rodung mit dem Abtragen des Humusbodens auch schon Bauarbeiten begonnen. Beides soll während der Nachdenkpause eingestellt werden, um nicht weiteren Schaden an der Natur anzurichten und mehr Steuergeld in eine umstrittene Autobahn zu investieren.

Gespräche über Alternativen (die zum größten Teil schon lange bekannt sind)

Inhalt der Gespräche sollten eine redimensionierte Einbindung der Neubaugebiete in das bestehende Straßennetz und vor allem ein optimiertes Konzept für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs sein.
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In der Zwischenzeit wurde von Diskurs.Das Wissenschaftsnetz das Working Paper "Alternative Verkehrslösungen für die Donaustadt" von Günter Emberger, Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, TU Wien online gestellt, mit Verkehrslösungen, die zukunftsgerichtet und auf alle Fälle klimafreundlich sind.

1 Recent experience on Expressways in large U.S. cities suggests that traffic congestion is here forever. Apparently, no matter how many new superroads are built connecting outlying areas with the downtown business district, auto-driving commuters still move at a crawl during the morning and evening rush hours.
The Law of Peak-Hour Expressway Congestion, Anthony Downs, Traffic quarterly, Volume XVI, Number 3, July 1962

2 The Congestion Con, How more lanes and more money equals more congestion, Transportation for America, Washington 2020, https://t4america.org/maps-tools/congestion-con/

Autoren: Aktionskomittee Lobau



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /