Greenpeace: Grenznahe AKW in Deutschland nicht vor Terrorangriffen geschützt
Bei Super-GAU müssen auch österreichische Städte evakuiert werden
Viele deutsche Atomkraftwerke sind nicht ausreichend vor Terrorangriffen geschützt. Darunter befindet sich auch das grenznahe Atomkraftwerk Isar I bei Landshut, lediglich 100 Kilometer von Salzburg entfernt. Das geht aus einem vertraulichen Bericht der Internationalen Länder Kommission (ILK) in Deutschland hervor, der Greenpeace vorliegt. Die ILK wurde beauftragt nach den Anschlägen am 11. September zu untersuchen, was passieren würde, wenn ein Flugzeug ein Atomkraftwerk angreifen würde. "Die Ergebnisse dieses Berichts sind derart brisant, dass sie als vertraulich eingestuft wurden und bis heute der Öffentlichkeit vorenthalten wurden. Die Informationen sind so explosiv, dass man den AKW umgehend die Betriebsgenehmigung entziehen muss", stellt Niklas Schinerl, Energiesprecher von Greenpeace, fest.
In dem Bericht heißt es, vor allem bei Kraftwerken aus frühen Baujahren mit dünnen Stahlbetonwänden, wie das grenznahe AKW Isar I, sei "bei einem Aufprall auf das Reaktorgebäude mit schweren bis katastrophalen Freisetzungen radioaktiver Stoffe zu rechnen". Wissenschaftliche Berechnungen von Greenpeace über die Ausbreitung der Strahlung bei einem schweren Reaktorunfall, etwa für das Atomkraftwerk Isar I in Landshut, zeigen, dass es nicht nur zu erhöhter Lebensgefahr in der unmittelbaren Umgebung des Unglücks kommt, es ergeben sich auch für weiter entfernte Orte erschreckende Strahlenbelastungen für Mensch und Umwelt. "Wenn es zu einem Terroranschlag beim AKW Isar I kommt, wird eine langfristige Umsiedlung Salzburgs, aber auch großer Teile Oberösterreichs möglicherweise unumgänglich sein", warnt Schinerl. "Um es zu präzisieren, könnte Salzburg je nach Wetterlage innerhalb von fünf Stunden betroffen sein und müsste sofort evakuiert werden", so Schinerl weiter.
"Die Bevölkerung ist einem tödlichen Risiko ausgesetzt, dem sie nicht entkommen kann", sagt Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace Deutschland. "Die Aufsichtsbehörden kennen die Gefahr, aber sie handeln nicht." Greenpeace liegen interne Dokumente unter anderem des Bundeskriminalamtes vor, nach denen die deutschen Sicherheitsbehörden das Risiko eines Terroranschlags aus der Luft auf ein Atomkraftwerk nicht mehr ausschließen. Gleichzeitig ist die bisherige Abwehrtaktik, das AKW im Falle eines Angriffs zu vernebeln, gescheitert. Dabei erkennt selbst das Bundesumweltministerium "...keine wesentliche Verbesserung der Sicherheit der Kernkraftwerke..." (Protokollentwurf Bund-Länder Fachgespräch vom 23.4.2007).
Aufgrund dieser Gefährdungslage strengt Greenpeace in Deutschland rechtliche Schritte gegen fünf AKW an: Biblis A und B, Brunsbüttel, Isar I und Philippsburg I. Dies war erst nach einem Urteil des dortigen Bundesverwaltungsgerichts vom 10.April 2008 möglich geworden, nach dem das Gericht die persönliche Betroffenheit eines Klägers als Klagevoraussetzung anerkannt hat.
Ein Abschalten der sieben ältesten AKW ist nach Greenpeace-Berechnungen sofort möglich. Dass die Stromversorgung in Deutschland trotzdem gesichert bleibt, beweist die aktuelle Netzlage. Derzeit sind sieben AKW mit einer wesentlich höheren Stromleistung aus technischen Gründen oder aufgrund der alljährlichen Revision abgeschaltet, ohne dass die Versorgung beeinträchtigt wird.
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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /