© Gerd Altmann auf pixabay.com
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Strafanzeige gegen Bayer wegen Verschleierung von Glyphosat-Risiken für Schwangere

Wiederzulassung durch falsch informierte Risikobewertung befürchtet

Brüssel und Wien - In einer an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelten Sachverhaltsdarstellung zeigen GLOBAL 2000 und weitere Mitgliedsorganisationen des europäischen Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN) auf, dass das von Bayer angeführte Herstellerkonsortium - wie zuvor schon Monsanto - im Antrag auf Wiederzulassung von Glyphosat unvorteilhafte Studien und Daten zu krebserregenden und neurotoxischen Effekten von Glyphosat nicht vorgelegt hat. “Dies könnte die Risikobewertung der Behörden im Interesse einer Wiederzulassung beeinflusst haben”, folgern die Anzeigenden und appellieren an die Regierungen aller EU-Mitgliedstaaten, eine erneute Zulassung von Glyphosat bei der bevorstehenden Abstimmung am 12. Oktober zurückzuweisen.

Gesundheitsrisiken für Schwangere und Kleinkinder

Die EU-Pestizidverordnung verlangt, dass Pestizidhersteller in ihrem Zulassungsantrag alle Studien über potentiell schädliche Effekte von Glyphosat vorlegen. Das betrifft sowohl Studien, die sie selbst beauftragt haben, als auch Studien aus der wissenschaftlichen Literatur. Doch im aktuellen Zulassungsantrag von Bayer fehlt die Mehrzahl der publizierten Studien, die auf schädigende Auswirkungen auf das Nervensystem (Neurotoxizität) durch Glyphosat hinweisen. Darunter eine Studie, die bei Kindern ein erhöhtes Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen fand, wenn ihre Mütter in der Schwangerschaft oder sie selbst im ersten Lebensjahr Glyphosat ausgesetzt waren.

Besonders schwer wiegt der von zwei schwedischen Wissenschaftler:innen erhobene und von der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigte Vorwurf, dass auch eine vom Agrarkonzern Syngenta beauftragte DNT-Studie zu Glyphosat den EU-Behörden vorenthalten wurde. Rattenbabys zeigten darin eine stark eingeschränkte Motorik, wenn ihre Mütter während der Schwangerschaft Glyphosat erhielten. Die Wissenschaftler:innen betonen, dass die DNT-Studie von der US-Umweltbehörde (U.S. EPA) als ”akzeptabel für regulatorische Zwecke” eingestuft wurde, und die darin festgestellten schädlichen Effekte bei einer Dosis auftraten, die von den EU-Behörden derzeit als sicher eingestuft wird.

Ermittlungen gegen Bayer/Monsanto seit 2019

Seit vier Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen Monsanto und den Rechtsnachfolger Bayer. Den Anstoß dazu gab eine Sachverhaltsdarstellung, die am 17. Juli 2019 von Rechtsanwalt Josef Unterweger im Auftrag von GLOBAL 2000, PAN Europe, Générations Futures und PAN Germany vorgelegt wurde. Darin beschreiben die Anzeigenden ausführlich den Verdacht, dass Monsanto im vergangenen Zulassungsverfahren unvorteilhafte Daten und Studienergebnisse teilweise falsch dargestellt oder entgegen ihren gesetzlichen Verpflichtungen gar nicht vorgelegt hat. So wurden Gesundheitsgefahren von Glyphosat verschleiert. „Diese Vorgehensweise scheint sich im aktuellen Zulassungsverfahren zu wiederholen, so Unterweger. Als Beispiel verweist er auf interne E-Mails von Monsanto (siehe: Analyse Abschnitt 3.1.1, Seite 48ff), die zeigen, wie der Glyphosat-Hersteller 2002 eine Studie in Auftrag gab, um die deutschen Zulassungsbehörden davon zu überzeugen, dass ihre Annahme über die Aufnahme von Glyphosat über die Haut zu hoch sei. Als jedoch der Zwischenbericht dieser Studie einen noch deutlich höheren Wert für die dermale Aufnahme von Glyphosat ergab, als von den Behörden angenommen, brach Monsanto die Studie umgehend ab: Sie habe das Potenzial, die Roundup-Risikobewertungen in die Luft zu sprengen.

Neurotoxizität von Glyphosat bewusst verschleiert?

“Auch die von Bayer nicht vorgelegte DNT-Studie hat erhebliches Potential, die Risikobewertung von Glyphosat in die Luft zu sprengen, da sie schädliche Effekte bei einer Dosis zeigt, die die Behörden derzeit für ‘sicher’ halten”, erklärt Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei GLOBAL 2000. “Ihre späte Übermittlung stellte die EU-Behörden daher vor ein Dilemma: Erkennen sie die Studie als ‘akzeptabel für regulatorische Zwecke’ an, dann stellt sie ihre bisherige Bewertung auf den Kopf, mit einer erheblichen Reduzierung der gesundheitlichen Richtwerte für die akzeptable ernährungsbedingte und berufliche Glyphosat-Exposition. Die Behörden entschieden sich jedoch für den Weg, der am wenigsten ihrem Auftrag, die menschliche Gesundheit zu schützen, entspricht: Sie erklärten die DNT-Studie für unzulässig und irrelevant - freilich ohne das schlüssig argumentieren zu können - und gaben grünes Licht für die Wiederzulassung.”

Somit droht am 12./13. Oktober eine Wiederzulassung von Glyphosat auf Basis einer fehlerhaften Risikobewertung, mutmaßlich beeinflusst durch das Zurückhalten von unvorteilhaften Informationen aus Herstellerstudien und der publizierten wissenschaftlichen Literatur. Deshalb appellieren die Organisationen an alle EU-Mitgliedstaaten, einer Wiederzulassung von Glyphosat eine Absage zu erteilen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /