© oekonews / Erneuerbare Energien sind in der Türkei auf der Überholspur
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Türkei: Erneuerbare Energien auf der Überholspur

Nicht nur beeindruckende Ausbaukapazitäten im Wind- und Photovoltaikbereich zeigen das immens wachsende Potential- Es gibt außerdem eine Solarfabrik, die weltweit einzigartig ist, sowie Industrie in Windkraftbereich.

© oekonews/ Windkraftprojekt in der Nähe von Izmiir
© oekonews/ Windkraftprojekt in der Nähe von Izmiir
© oekonews / Generatorfertigung bei ARES
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© oekonews / Besuch bei ARES. Es werden Türme und Generatoren für Windkraftwerke gefertigt
© oekonews / Besuch bei ARES. Es werden Türme und Generatoren für Windkraftwerke gefertigt
© oekonews / Besuch bei Kaylon PV
© oekonews / Besuch bei Kaylon PV
© oekonews/ Spannende Werksführung bei Kaylon PV
© oekonews/ Spannende Werksführung bei Kaylon PV
© oekonews / Vizeenergieminister Alparslan Bayraktar
© oekonews / Vizeenergieminister Alparslan Bayraktar

Die Internationale Energieagentur hat vor einiger Zeit berichtet, dass in der Türkei die Kapazität erneuerbarer Energien in den nächsten 5 Jahren um rund 64 % bzw. 33,8 GW wachsen wird. In den letzten Tagen konnte unsere Redaktion sich vor Ort davon überzeugen, was hier voran geht und spannende Einblicke in die Energiewirtschaft der Türkei gewinnen. Am Programm standen u.a. Gespräche bei Firmen, die Joint-Ventures mit deutschen Partnern haben. Die Borusan EnBW Enerji, ein Joint Venture von EnBW und dem türkischen Unternehmen Borusan Enerjisa Üretim, ist seit 2009 im Sektor der erneuerbaren Energien in der Türkei am Markt. Mit 666 MW installierter Leistung allein im Windkraftbereich ist die Firma eines der der führenden Windenergieunternehmen in der Türkei. Auch zwei Solar- und zwei Wasserkraftwerke zählen zum Portfolio. In der Pipeline befinden sich derzeit neue Investments mit einer Leistung von 210 MW: Ein vor kurzem vorgestellter Plan beinhaltet außerdem den Ausbau des E-Ladenetzes in der Türkei. Insgesamt 7.000 Ladepunkte sollen in den nächsten Jahren installiert werden. Enerjisa Enerji, ein Joint Venture der E.ON – SABANCI Holding, wird bis zum ersten Quartal 2026 beeindruckende 1000 MW Windkraftleistung und bis Ende 2024 150 MW Hybrid-Solarkraftwerke zusätzlich zum derzeit bestehenden Erneuerbaren-Energieportfolio ans Netz bringen wird. Die Windenergieanlagen, insgesamt 240 E-138 EP3 E2, werden von Enercon geliefert. Das Projekt ist in den Regionen mit dem größten Windenergiepotential der Türkei angesiedelt. Es werden Windparks in Çanakkale (250 MW), Balıkesir (250 MW), Aydın (250 MW) und Muğla (250 MW) errichtet. Enerjisa setzt aber auch auf Energieeffizienz und bietet dazu Beratung und Contracting an, Digitale Transformation ist ebenfalls ein wesentliches Themenfeld. Großer Wert wird auf das Thema Nachhaltigkeit gelegt: Enerjisa ist Unterzeichner der Women's Empowerment Principles (WEPs) und des UN Global Compact. Es ist außerdem in den BIST Sustainability Index aufgenommen worden.

Solare Innovation in gigantischen Ausmaß

Besonders beeindruckend war der Besuch der Produktion von Kalyon PV, mit insgesamt 4 Fabriken und einem Forschungs- und Entwicklungszentrum: Kalyon PV befindet sich auf einer Fläche von 250.000 m2, davon 100.000 m2 verbaut. Es ist die erste und einzige integrierte solche Anlage der ganzen Welt. Die Fabrik, die eine kontinuierliche Schichtproduktion mit einer Kapazität von 1200 MW in Ingot-, Wafer-, Zellen- und Modul-Fabriken bietet, produziert ihre Produkte mit einer Inlandsquote von über 80 %. Das schafft Arbeitsplätze für mehr als 2000 Menschen. Im E-Mobility Bereich gibt es eine Kooperation mit TOGG, dem türkischen Elektroautoerzeuger, der demnächst mit 2 Elektroautos am Markt sein wird. Die Module werden auch beim Solarkraftwerks Kalyon Karapınar eingesetzt, das derzeit bereits das größte Solar-Kraftwerk in Europa ist und nach seiner Fertigstellung zu den größten PV-Kraftwerken der Welt zählen wird. Das gigantische Photovoltaik-Projekt mit insgesamt rund 3,5 Mio. Solarmodulen wird dann Strom für rund 2,0 Mio. Menschen liefern. Es wird den installierten Solarenergieanteil der Türkei um 20 Prozent erhöhen.
Ein weiterer Teil der PV-Module wird vor allem in die USA exportiert. Kaylon PV setzt gleichzeitig auf Forschung und Weiterbildung. Eine eigene Solarakademie und die Zusammenarbeit mit Universitäten sorgt für mehr Fach-Know-How im Solarsektor, unter den eigenen Mitarbeitern und bei den Studenten. Das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Kaylon PV hat mehr als 100 Beschäftigte. Im Fokus stehen Prototypenstudien für die Halbleiter-Ingot- und Wafer-Produktion, die die Grundlage der Chip-Technologie bilden,
Perowskit- und Mehrschichtzelltechnologien, die Entwicklung von neuen Techniken in der Waferproduktion, u.a. Damit wächst der gesamte Sektor in der Türkei. Mehr als 20 Patentanwendungen zeigen, wie intensiv an neuester Technologie geforscht wird.

Windkraft: Nicht nur unzählige Projekte die erneuerbare Energie erzeugen, sondern auch die Produktion im Sektor

Ates Windpower in Bergama in der Nähe von Izmir erzeugt nicht nur Generatoren für Enercon u.a., sondern auch Türme für Windturbinen sowie mechanische Komponenten dazu. Die Türme sind 80 bis 150 m hoch, mit einem Durchmesser von bis zu 6m. Im Durchschnitt werden Türme für eine jährliche Kapazität von etwa 1.500 MW gefertigt. Die Generatorenfabrik ist die erste und einzige auf Direktantriebstechnologie basierende solche Fabrik in der Türkei und wurde in einer Kooperation mit Enercon umgesetzt. Rund 150 Generatoren werden per Jahr erzeugt, was einer installierten Leistung von rund 650 Megawatt entspricht. Eine PV-Anlage am Dach der Generator-Fabrik sorgt bereits jetzt für einen Teil des für die Produktion verbrauchten Stroms, bald soll durch eine Erweiterung mit einer Windkraftanlage und einem Speicher in etwa jener Strom vor Ort erzeugt werden, der für die gesamte Erzeugung gebraucht wird. Energieautarkie der Fabriken ist das Ziel. Was besonders auffällt ist, dass bei der Besichtigung in vielen Bereichen Frauen als Mitarbeitende beschäftigt sind, bei der Generatorenerzeugung genauso wie in der Managementebene.

Das sind aber nur einige Highlights einer spannenden Tour, die das immense Wachstum der Branche aufzeigte, die die Türkei innerhalb der nächsten Jahre zu einem der zehn größten Märkte für erneuerbare Energien weltweit machen wird. Derzeit decken Erneuerbare rund 16% des gesamten Stromverbrauchs, bis 2035 will man diesen Anteil verdreifachen, wie der Vizeenergieminister Alparslan Bayraktar erklärt. Die Ziele sind hoch: " Es müssen jedes Jahr 5000 MW Solar- und 3000 MW Windkraftkapazität ausgebaut werden, um das das Ziel von Null-Emissionen bis 2053 zu erreichen," so Alparsian. Einziger Wermutstropfen: Parallel setzt man derzeit auf Atomkraft und auf Erdgas. Demnächst soll soll der erste Reaktor des gemeinsam mit dem russischen Konzern Rosatom errichtete Atomkraftwerks in Akkuyu in Betrieb gehen.

Betrachtet man jedoch rein den Markt wird eines klar: Erneuerbare Energien sind einfach günstiger, sie punkten mit einem niedrigeren Stromerzeugungspreis, auch in der Türkei. Das heißt: Erneuerbare Energien sind vollends wirtschaftlich!


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /