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EU-Kommission gegen die Energieunabhängigkeit Europas

Eine Bremse für erneuerbare Energien statt eine Wende zur Versorgung mit eigener Energie- Ja zu fossil atomaren Wegen?

Die neuen Richtlinien für staatliche Beihilfen, über die gestern von der Europäischen Kommission abgestimmt wurden, werden den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen und damit die Energiewende in Europa drastisch verzögern, davon sind Umwelt- und erneuerbare Energieorganisationen überzeugt. "Die heutige Entscheidung der Kommission ist für die Unabhängigkeit Europas von russischem Gas alles andere als hilfreich. Anstatt den raschen Ausbau der Erneuerbaren zu fördern, wird Europa damit in der Abhängigkeit von Energieimporten verhaftet bleiben", befürchtet Julia Kerschbaumsteiner, Energiesprecherin von Greenpeace. Positiv an der Entscheidung sei jedoch, dass die neuen Richtlinien die Umsetzung von nuklearen Projekten erschweren würden.

Die Richtlinien, die am 1. Juli 2014 in Kraft treten sollen, schränken den Zugang von kleinen und mittleren Projekten für erneuerbare Energien zu staatlichen Beihilfen stark ein, indem zukünftig Förderungen auf der Basis von Ausschreibungsmodellen vergeben werden. Kleine Teilnehmer, die bereits jetzt zu einem wesentlichen Teil zur Energiewende beitragen, wären vor dem Hintergrund der hohen Kosten für die Beteiligung an Verfahren gegenüber ihrer großen Konkurrenten massiv benachteiligt. "In Österreich hat das System der fixen Einspeisetarife dazu geführt, dass unsere Verpflichtungen zum Ausbau der Erneuerbaren sogar übertroffen werden. Um die Energieversorgung mit eigenen Quellen voranzutreiben, muss das System weiterbestehen", fordert Kerschbaumsteiner. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner müsse daher nun das österreichische Ökostromgesetz, in dem die Vergütung von erneuerbaren Energiequellen festgeschrieben ist, vehement verteidigen.

Erfreut zeigt sich Greenpeace über die Entscheidung der Europäischen Kommission, nukleare Projekte, wie etwa das britischen AKW Hinkley Point C, nicht in die Förderrichtlinien aufzunehmen. "Die Kommission hat damit den Anstrengungen der Atomlobby, einen automatischen Fördermechanismus für Atomkraft in die Richtlinien hinein zu verhandeln, widerstanden und damit einen dringend notwendigen Schritt gegen die Renaissance von Atomkraft in Europa gesetzt", so die Energiesprecherin. Jetzt prüft die Kommission in einem eigenen Verfahren, ob die britische Regierung Beihilfen für das AKW gewähren darf. Greenpeace hat dazu eine Stellungnahme an die Kommission übermittelt, in der die Umweltschutzorganisation die Verletzung der EU-Wettbewerbsregeln unterstreicht.

Ein Kniefall der EU-Kommission vor Energiewende-Verhinderern

Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich sieht bisherige Befürchtungen
bewahrheitet: die Bedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energien werden verschlechtert, während Atom- und Kohlekraftwerke unbehelligt weiter betrieben werden können. "Die Bundesregierung muss jetzt alles tun, um dafür zu sorgen, dass der Ökostromausbau in Österreich weiter geht", so EEÖ-Präsident Josef Plank. Die EU-Kommission verabsäumt es, Maßnahmen zu setzen, um den
überschüssigen und sehr klimaschädlichen Kohlestrom aus den Markt zu drängen. Zu denken wäre etwa an eine CO2-Abgabe, oder eine Preisuntergrenze für die CO2-Zertifikate. Eine Vorreiterrolle Österreichs, wie zuletzt auch von Minister
Rupprechter befürwortet, wird durch die vorgeschriebenen internationalen Ausschreibungen voraussichtlich nahezu unmöglich gemacht. Denn in Zukunft wird es nicht mehr möglich sein, österreichische Mittel für Projekte in Österreich zu verwenden. Eine Auswirkung hiervon könnte sein, dass in Staaten mit suboptimalen Bedingungen für die Erzeugung erneuerbarer Energien keine Investitionen mehr stattfinden, und die Erfüllung der Klimaziele stark erschwert wird. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass Österreich hier auf der Verliererseite steht. Durch die erwartetete Konzentration der Erzeugung ist auch die Netzstabilität gefährdet, und es steigt der Netzausbaubedarf. "Liegt man nicht an der Küste oder in der Wüste, dann wird man keine Investoren in Strom aus Wind oder Sonne anziehen können, und schaut man sowohl bei den Investitionen als auch bei der Verringerung der CO2-Emissionen durch die Finger", so Plank.

"Eine Situation wo die Unterstützung für saubere Energie als wettbewerbsverzerrend gesehen wird, und Unterstützung für Atom- und
Kohlekraftwerke nicht, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Die Bundesregierung darf diese Ungleichbehandlung nicht akzeptieren", so Plank.

EU-Kommission bremst erneuerbare Energie und hofiert Atom- und Kohleindustrie

Scharfe Kritik kommt auch von GLOBAL 2000: "Die EU-Kommission torpediert mit dem neuen Beihilferecht den Ausbau erneuerbarer Energie und die Energiewende in Europa und sichert der Atom- und Kohleindustrie weitere Jahre Profite. Sie zeigt damit, dass sie nichts gelernt hat aus der Ukraine-Krise, die nach einer stärker selbstbestimmten Energieversorgung in Europa schreit und die Warnungen der Klimaforscher in den Wind schlägt, die katastrophale Klimafolgen voraussagen, wenn nicht entschieden gehandelt wird", so Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von GLOBAL 2000.

Im Detail plant die EU-Kommission mit den neuen Beihilfe-Richtlinien funktionierende und effektive Fördersysteme auszuhebeln und stattdessen unerprobte und bürokratische Förderregime auf Basis von Ausschreibungen zu erzwingen. "Die Kommission hat heute angekündigt, dass die Regeln nicht für Fördersysteme gelten, die bereits notifiziert sind", berichtet Wahlmüller. "Wir werden das in Hinblick auf das Ökostromgesetz noch kritisch prüfen!" Die österreichische Umweltschutzorganisation wird daher das Gespräch mit den zuständigen Ministern Rupprechter und Mitterlehner suchen, um die nächsten Schritte zu besprechen und die Möglichkeiten auszuloten, die jetzt noch bleiben: "Wir laden Umweltminister Rupprechter und Wirtschaftsminister Mitterlehner ein, einen "Energiewende-Roundtable" zum Thema zu veranstalten und gemeinsam die nächsten Schritte zu akkordieren", so Wahlmüller.

"Heute ist ein schwarzer Tag für die EU-Energiepolitik. Die von EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia präsentierten Leitlinien für staatliche Beihilfen im Energiesektor sind ein Rückschlag für jede nachhaltige Energiepolitik: Hier wird nicht für die Energiewende gekämpft, sondern der fossil-atomare Energiemix verteidigt. Großzügige Industrieausnahmen bleiben bestehen. Private KonsumentInnen zahlen die Rechnung. Damit werden den Bürgerinnen und Bürgern Daumenschrauben angelegt, während die Industrie den roten Teppich ausgelegt bekommt. Die energieintensive Industrie profitiert schon seit Jahren vom Ausbau der Erneuerbaren Energien durch sinkende Börsenstrompreise. Gleichzeitig setzt die EU-Kommission auf komplizierte Ausschreibungen zur Förderung der Erneuerbaren Energien. Besonders störend ist auch, dass diese überzogenen Ausnahmen keine Gegenleistung der Industrie wie entsprechende Energieeffizienzmaßnahmen mit sich bringen. Hier wird versucht, ein neues Prinzip in die EU-Politik einzuführen: je mehr du die Umwelt zerstörst, umso mehr Geld kriegst du vom Staat", kritisiert Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin der Grünen im Europaparlament, die von EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia präsentierten Leitlinien für staatliche Beihilfen im Energiesektor.

Klare Absage an Atomkraft gefordert statt zaghafter Signale

"Die vorgestellte Beihilfen-Richtlinie Energie wird den Ausbau der Erneuerbaren einbremsen und die großen Energiekonzerne begünstigen", kritisiert der Grüne Anti-Atomsprecher Matthias Köchl und ergänzt: "Wir Grünen wollen Europa energieautark positionieren, dies wird am schnellsten durch Millionen neuer kleine Energieproduzentinnen und -produzenten erfolgen. Die nun geschaffenen Vorgaben begünstigen eher Großprojekte und behindern damit die Energiewende.
Gerade für kleine Solarstromanlagen ist ein kalkulierbarer Einspeisetarif ein effektives Förderinstrument, welches jedenfalls erhalten werden soll", sagt Köchl. Positiv wertet Köchl die Tatsache, dass bei Atomkraftwerken eine Einzelfallprüfung erfolgt. "Das britische AKW Hinkley Point C wurde nicht in die Förderrichtlinien aufgenommen. Die Einzelfallprüfung wird daher wesentlich mitentscheiden wie Europa hinkünftig mit Atomkraft umgehen will. Die Republik Österreich hat hier jedenfalls ihre Hausaufgaben gemacht und eine negative Stellungnahme zum AKW Ausbau in Hinkley Point abgegeben", sagt Köchl.

Weg vom Irrweg Atomenergie

"Ich habe immer gefordert, dass Österreich, aber auch Europa den Irrweg der Atomenergie verlassen soll. Gerade im Bereich der Kernenergie wäre es dringend notwendig, endlich Kostenwahrheit und Transparenz zu leben. Während jeder Autofahrer eine Haftpflichtversicherung abschließen muss, so ist das für Betreiber von Atomkraftwerken noch immer nicht verpflichtend. Hier anzusetzen wäre ein mutiger Schritt der Kommission gewesen", ist der freiheitliche Umwelt- und Energiesprecher und Dritte Präsident des Nationalrates Ing. Norbert Hofer enttäuscht. "Leider Gottes hätten sich wieder einmal Großindustrie und Atomlobby durchgesetzt. Vor allem vor dem Hintergrund der Krim-Krise und den von der EU angedachten Sanktionen gegen Russland ist es doppelt unverantwortlich, nicht den Bereich der erneuerbaren Energieformen weiter zu stärken und diese als "Technologie der Zukunft" anzuerkennen", so Hofer.

Österreich müsse dem heutigen EU-Entscheid zum Trotz seine Vorreiterrolle weiterhin wahrnehmen und alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Energieversorgung durch Erneuerbare zügigst voranzutreiben und damit seine Eigenständigkeit zu erhalten. "Es muss in einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller Entscheidungsträger und über alle Parteigrenzen hinweg gelingen, Österreich bis 2050 weitestgehend energieautark zu machen", fordert Hofer.

Förderung von Atomstrom über die Hintertür

SPÖ-EU-Spitzenkandidat Eugen Freund und SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach kritisieren den Vorschlag der EU-Kommission ebenfalls: "Es gibt derzeit einen Richtungsstreit in der Energiepolitik der Europäischen Union. Entweder wird weiter und vermehrt fossil und atomar gefördert oder es erfolgt ein echter Umschwung mit mehr erneuerbarer Energie. Die EU-Kommission hat sich mit ihrem heutigen Vorschlag gegen die unmissverständliche Unterstützung von erneuerbarer Energie ausgesprochen, wogegen wir jetzt ankämpfen werden", sagt Freund.

Karin Kadenbach, Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments, macht klar: "Im EU-Parlament wird dieser Vorschlag auf massiven Widerstand stoßen. Wir haben in Österreich ein Ökostromgesetz, das nun in Gefahr steht, von einer liberal-konservativen Mehrheit in Europa ausgehebelt zu werden. Bei uns Sozialdemokraten findet das keine Zustimmung, denn wir unterstützen nicht die Interessen der Atomlobby und der alteingesessenen Energiekonzerne, sondern die Interessen der Bürgerinnen und Bürger - und die wollen keine Atomkraft, sondern saubere und vor allen Dingen sichere Energie!



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /