© Sattler & Schanda
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Liegen Investitionen in den Erdgasinfrastrukturausbau im öffentlichen Interesse?

Ein paar Gedanken aus Anlass der Epcon 2010

Über den Semmering wird derzeit von EVN und Gasnetz Steiermark gerade die neue Ferngasleitung ‚Südschiene’ gebaut. Durch Oberösterreich, Salzburg und Kärnten wird die Tauerngasleitung (TGL) geplant - ein Konsortium aus e.on Ruhrgas, RAG, Salzburg AG, Energie AG, KELAG und TIGAS möchte eine neue Fernleitung von Deutschland durch Österreich nach Italien führen. Parallel dazu wird weiter die NABUCCO-Pipline geplant, die nach aktuellen Schätzungen ca. EUR 8 Mrd kosten soll.

In Salzburg und Kärnten gibt es Bürgerinitiativen gegen die TGL - einige Grundeigentümer weigern sich einer Verlegung der Fernleitung auf ihren Liegenschaften freiwillig zuzustimmen. Auch in NÖ gibt es Widerstand gegen die Südschiene.

Das Gaswirtschaftsgesetz (GWG) normiert, dass eine Enteignung durch zwangsweise Begründung von Leitungsservituten zulässig ist, wenn die Enteignung erforderlich ist und im öffentliches Interesse liegt. Nach dem GWG liegt öffentliches Interesse dann vor, wenn die Leitung in der ‚langfristigen Planung’ des Regelzonenführers AGGM (Eigentümer: OMV Gas GmbH) vorgesehen ist. Nach dem GWG bestimmt also die Gaswirtschaft selbst, ob ein öffentliches Interesse an ihren neuen Leitungen besteht.

Ganz so leicht wird die Enteignung für neue Gasleitungen aber auch nicht funktionieren. Auch das Verfassungsrecht schützt nämlich das Grundrecht auf Eigentum. Auch verfassungsrechtlich sind Enteignungen nur dann gerechtfertigt, wenn sie im öffentlichen Interesse liegen. Der Verfassungsgerichtshof beurteilt diese Frage aber autonom; an die langfristige Planung der Gasbranche ist er dabei nicht gebunden. Die anstehenden Enteignungsverfahren werden den VfGH daher zu der Frage führen, ob Investitionen in den Ausbau der Erdgasinfrastruktur in Österreich im öffentlichen Interesse liegen oder nicht. Hier ein paar Gedanken dazu:

Erdgas hat ein paar bekannte Nachteile:

1. Es wird zum ganz überwiegenden Teil importiert und führt daher zu Geldabfluss ins Ausland. Das gilt sowohl für Österreich, als auch für die EU.

2. Es wird aus einigen wenigen Ländern importiert, sodass die Abhängigkeit von diesen Ländern groß ist.

3. Es benötigt für den Transport über Land Gasleitungen, die nur mit hohem finanziellen Aufwand errichtet werden können und die eine sehr lange Amortisationszeit aufweisen.

4. Beim Verbrennen emittiert es CO2 und belastet damit das Klima.

5. Es handelt sich um eine begrenzte Ressource, die sich früher oder später verknappen und dadurch erheblich verteuern wird.

Erdgas hat freilich auch einige Vorteile:

1. Man kann Erdgas einkaufen und verkaufen und mit der Handelsspanne Geld verdienen.

2. Man kann für das Erdgas Leitungen bauen und mit der Transportdienstleistung Geld verdienen.

3. Man kann Erdgasspeicher errichten und mit der Speicherdienstleistung Geld verdienen.

4. Man kann gasbefeuerte Kraftwerke errichten und so Strom produzieren und mit dem Stromverkauf Geld verdienen.

Die Tücke an der Sache ist nur, dass diese Vorteile lediglich der Gaswirtschaft zu gute kommen, die Nachteile jedoch die ganze Volkswirtschaft treffen. Das kann aber freilich der Gaswirtschaft egal sein; das wäre es mir auch, wenn ich die Gaswirtschaft wäre. Das öffentliche Interesse ist aber am Maßstab des Wohles der gesamten Volkswirtschaft zu beurteilen, und nicht am Maßstab des Wohles der Gaswirtschaft.

Die Gasbranche sagt uns, dass NABUCCO und TGL für unser Wirtschaftswachstum notwendig seien. Wer das nicht sehe, stelle sich in eine Linie mit jenen, die vor einigen Jahren argumentiert hatten, dass keine neuen Autobahnen notwendig seien. Der erfolgte Bau neuer Autobahnen und deren Auslastung durch Verkehr zeige jedoch, dass die Autobahnen notwendig gewesen seien.

Na klar: Wenn man Autobahnen baut, werden sie benutzt. Wenn man Gasleitungen baut, wird Gas verkauft. Das heißt aber noch nicht, dass Autobahnen besser sind als öffentliche Verkehrsmittel, und es heißt nicht, dass Erdgas besser ist als erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz. Wobei Autobahnen freilich den "Vorteil" haben, dass man darauf auch Erdgas-Autos fahren lassen kann.

Die Errichtung zusätzlicher neuer Erdgasinfrastruktur kostet, wie schon eingangs angeschnitten, sehr viel Geld. Liegt es volkswirtschaftlich nun im öffentlichen Interesse, diese Mittel in die Aufrechterhaltung und den Ausbau der Fossilwirtschaft zu investieren, oder wäre es eher im öffentlichen Interesse diese Mittel in den Ausbau erneuerbarer Energieträger und Energieeffizienz zu investieren?

Der Einwand, dass ja beides parallel passieren könnte, übersieht, dass Finanzierungsmittel volkswirtschaftlich ein knappes Gut sind. Auch Investoren können denselben Euro nur einmal investieren. Jeder Euro, der in die Aufrechterhaltung der Fossilwirtschaft investiert wird, bedeutet, dass dieser Euro nicht in erneuerbare Energieträger oder Energieeffizienz investiert werden kann.

Es ist daher an der Zeit Prioritäten zu setzen

Die neue nationale österreichische Energiestrategie sieht vor, dass wir den Einsatz fossiler Energieträger reduzieren. Einerseits indem wir fossile Energieträger durch erneuerbare Energieträger substituieren; andererseits dadurch, dass wir Energie effizienter verbrauchen und dadurch weniger fossile Energieträger benötigen. In beiden Fällen reduziert sich die Menge fossiler Energieträger. Liegt die Umsetzung der Energiestrategie nun im öffentlichen Interesse oder nicht? Ich würde doch eigentlich meinen ja.

Warum also zusätzliche Gasleitungen?

Was in Österreich bisher noch gänzlich fehlt, ist eine ernsthafte Diskussion der Frage, inwiefern unsere neue Energiestrategie mit einem Ausbau der Erdgasinfrastruktur noch vereinbar ist.



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Dr. Reinhard Schanda ist Rechtsanwalt in Wien und Landwirt in der Steiermark und bietet Dienstleistungen im Energiesektor an:
Rechtsanwaltskanzlei mit Spezialgebiet Energierecht: www.energierecht.at
Beratungsunternehmen SEKEM-Energy: www.sekemenergy.com
GastautorIn: Dr. Reinhard Schanda für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /