© Energiestiftung Schweiz
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Ein Interview mit Prof. Dr. Dennis Meadows

"Nachhaltige Entwicklung ist eine Fantasie von Leuten, die von den wirklichen Problemen ablenken wollen"

Die Finanzkrise macht den Menschen Angst. Was sagen Sie diesen Leuten?

"Ich kann sie leider nicht beruhigen. All die Phänomene, die wir als Krise sehen, sind nur die Symptome. Das Problem ist die Endlichkeit unseres Planeten. Wir bewegen uns auf die Ressourcen-Grenzen zu. Das ist wie bei einem Gehirntumorpatienten. Vom Tumor bekommt er Kopfschmerzen. Sie sind aber nicht das Problem, sondern das Symptom. Es ist zwar sinnvoll, dagegen zu handeln, aber das Problem ist damit nicht gelöst. Die Krisen, von denen wir heute sprechen, sind Symptome. Die meisten Experten versprechen sich vom Wachstum eine Art Heilung, doch sie liegen falsch. Das Problem ist das Bevölkerungswachstum und unser hoher Lebensstandard. Vielleicht hilft die Finanzkrise, eine echte Diskussion über Wachstum zu führen. Aber im Moment sehe ich das nicht."

Müssen wir denn unsere Lebensweise ändern? Oder dürfen wir auf neue, bessere Technologien hoffen?

"Ich zeige das gerne an einem weiteren Beispiel: Ein Mann will jemanden erschiessen. Nun ändern wir seine Technologie. Wir nehmen ihm die Waffe weg und geben ihm eine Flasche. Würde er deswegen seinen Plan ändern? Es dauert zwar länger, bis er sein Ziel erreicht, weil er weniger effiziente Technologien zur Verfügung hat. Aber sein Plan ändert sich deswegen nicht. Neue Technologien können unser Problem nicht lösen. Nur wenn wir unser Verhalten ändern, kommen wir weiter. Aber wir wollen immer noch mehr, das kann nur zum Kollaps führen. Die Frage ist nur: Wann?"

Und, wann kommt es zum Kollaps?

"Die Schweiz ist ein sehr reiches Land. Aber es gibt knapp sieben Milliarden Menschen auf der Welt und mehr als ein Drittel davon lebt von nur einem Dollar täglich. Fragt mal diesen Teil der Bevölkerung, wann es zum Kollaps kommt. Sie wird sagen: Das System ist schon lange kollabiert."

Heute reden alle von einem nachhaltigen Wachstum. Das wäre doch die Lösung, oder?

"Nachhaltige Entwicklung ist ein Paradox, ein Widerspruch. Es ist einfach eine Fantasie und wird meist gebraucht von Leuten, welche die Aufmerksamkeit von den wirklichen Problemen ablenken wollen."

1972 haben Sie Ihre Studie "Die Grenzen des Wachstums" veröffentlicht, 2004 das 30-Jahre-Update. Was hat sich verändert?

"Die Schlussfolgerungen von 1972 gelten noch heute. Nur ist der Zeithorizont kürzer geworden. Unsere Szenarien werden früher eintreffen als erwartet. Ich weiss mit absoluter Sicherheit, dass unser materieller Wohlstand sinken wird. Aber wann genau? Keine Ahnung. Das hängt davon ab, wie sich die Bevölkerung verhält."

Unsere Ressourcen werden knapp. Um was wird als erstes gekämpft?

"Eine der Hauptideen meines Buches ist, dass wir diese Dinge nicht voneinander trennen können. Alles hängt zusammen. Klar ist: Das Thema Energie spielt eine spezielle Rolle. Fossile Brennstoffe wie Erdöl und Erdgas haben ihren Peak bereits erreicht. Ich bin überzeugt, dass bald niemand mehr über den Klimawandel spricht. Die Energieversorgung wird zum Hauptthema werden. Aber das macht keinen Unterschied, da es nur ein anderer Aspekt desselben Problems ist. Aber Regierungen, JournalistInnen und Zeitungen können nicht immer nur über ein und dasselbe Problem sprechen, sonst langweilen wir uns und werden müde."

In vier bis fünf Jahren werden wir in der Schweiz über drei neue AKW abstimmen. Die BefürworterInnen behaupten, Atomstrom wäre CO2-neutral und billig. Was sagen Sie dazu?

"Nuklearenergie hat sehr viele wirklich negative Konsequenzen für uns. Umweltkonsequenzen oder ungelöste Abfallprobleme als Beispiele. Und sie begünstigt den Bau von Atomwaffen. Aber vergessen wir all das: Nuklearenergie ist keine reelle Lösung. Denn unser grösstes Problem wird die Treibstoffversorgung sein. Können wir das Uran überhaupt noch zu den Reaktoren transportieren? Dazu kommt ein ökonomischer Gedanke: Wir profitieren viel mehr, wenn wir das Geld anders investieren. Es gibt nur einen einzigen Grund, dass überhaupt über Nuklearenergie nachgedacht wird: Grosse Unternehmen mögen sie sehr, denn sie können sie besitzen und Profite daraus ziehen. Die wollen nicht, dass wir unsere eigenen Energie-Versorger werden. Weil sie uns nicht besitzen können. Eines verstehe ich nicht: Nehmen wir als Beispiel das Basler Geothermie-Erdbeben. Dort gingen ein paar wenige Teller in Brüche. Niemand aber nahm ernsthaft Schaden. Trotzdem wurde das Projekt eingestellt. Und jetzt baut ihr lieber neue AKW? Wir alle wissen: Wenn es einen Unfall gibt, dann sterben Tausende. Das ist doch verrückt: Ihr stoppt eine viel versprechende Technologie, weil ein paar Teller zu Bruch gehen und eine andere Technologie fördert ihr, wohlwissend, dass sie Tausende töten kann. Verrückte Idee."

Liegt die Lösung im Bau von grossen Solarkraftwerken wie etwa Desertec?

"Ich habe Desertec gesehen und muss sagen: Das Projekt ist nicht rational. Aber es wird zu Ende gebaut werden, weil es genau das ist, was grosse Unternehmen wollen: Viel Geld in ein Projekt stecken und die Kontrolle haben. Und es ist politisch attraktiv, die EU kann den Nordafrikanern dafür Entsalzungsanlagen günstiger geben und wir können alle gute Freunde werden."

Das Interview mit Prof. Dr. Dennis Meadows führte Linda Rosenkranz, Mitarbeiterin der Schweizerischen Energiestitung für den Bereich Kommunikation und Medienarbeit

Wir danken der Schweizerischen Energiestitung für die Kooperation!

GastautorIn: Linda Rosenkranz für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /