© Michael Sigmund
© Michael Sigmund

Feinstaub verkürzt Lebenserwartung

Eine geringere Luftverschmutzung würde viele Menschenleben retten und in Österreich jährlich bis zu 3 Mia. € Kosten sparen

Durch die Feinstaubbelastung der Luft verkürzt sich die durchschnittliche Lebenserwartung in der Europäischen Union (EU) um 8,6 und in Österreich um rund acht Monate (Zahlen für 2000). Am heutigen Tag rechnet das WHO-Regionalbüro für Europa in Wien bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Umweltbundesamt neu bewertete gesundheitliche Kosten der Luftverunreinigung vor.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen einen Anstieg der Todesraten, der auf Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen durch Feinstaub zurückgeht. Selbst ein kurzfristiger Anstieg der Feinstaubkonzentration erhöht das Risiko einer Akuteinweisung in ein Krankenhaus aufgrund von Herz-Kreislauf- oder Atemwegsbeschwerden. Feinstaub besteht aus winzigen Partikeln unterschiedlicher Größe, Zusammensetzung und Herkunft. PM10 – Partikel mit einem Durchmesser unter 10 µm – können mit der Atemluft bis in die oberen Atemwege und zur Lunge gelangen. Die feinsten Partikel (PM2.5 – Durchmesser unter 2,5 µm) verursachen die schwerwiegendsten Auswirkungen, sie können bis tief in die Lunge eindringen und die Lungenbläschen erreichen.

Gewinn von 21000 Lebensjahren

Die EU-Richtlinie 1999/30/EG vom 22. April 1999 legt für PM10 24-Stunden-Grenzwerte von 50 µg/m3 und einen Jahresgrenzwert von durchschnittlich 40 µg/m3 fest. Von den gegenwärtigen politischen Maßnahmen zur Minderung des Schadstoffausstoßes erhofft man sich bis zum Jahr 2010 für die EU und Österreich eine um 2,3 Monate verlängerte durchschnittliche Lebenserwartung. Das bedeutet in der EU die Verhinderung 80 000 vorzeitiger Todesfälle bzw. die Rettung von über einer Million Lebensjahren. In Österreich entspricht dem eine Reduktion um 1 500 vorzeitige Todesfälle bzw. ein Gewinn von 21 000 Lebensjahren.

Da eine lang anhaltende Belastung mit Feinstaub besonders gesundheitsschädlich und lebensverkürzend wirkt, muss die Verminderung der langfristigen Feinstaubkonzentration und -belastung Vorrang haben. Das brächte auch wichtige finanzielle Einsparungen mit sich. In der EU liegt der erwartete finanzielle Gewinn einer verminderten Sterblichkeit aufgrund von Feinstaub jährlich zwischen 58 und 161 Mia. €, die Ersparnisse bei den Krankheiten belaufen sich auf 29 Mia. €. Die entsprechenden Zahlen für Österreich sind 1 bis 3 Mia. € bzw. 0,5 Mia. € jährlich.

‘Es gibt schon wirksame Maßnahmen zur Minderung der gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung und zur Verlängerung der Lebenserwartung’, sagt Dr. Marc Danzon, WHO-Regionaldirektor für Europa vor kurzem in Wien . ‘Die vorgestellten Daten unterstreichen, dass die Gesundheitsschäden durch Feinstaubbelastung, die Kosten für die europäische Gesellschaft und das Schutzpotenzial der gegenwärtigen europäischen Gesetze entscheidende Argumente für weitere und verstärkte Bemühungen aller Beteiligten um die Verminderung der Luftverunreinigung sind.’

Jetzige Situation in Österreich

n vielen Städten Österreichs werden die von der EU festgesetzte PM10-Grenzwerte überschritten. An den Standorten mit den höchsten Belastungen wird der Grenzwert Jahr für Jahr an mehr als hundert Tagen überschritten. 2005 wurde der tägliche Grenzwert in allen Bundesländern außer Salzburg an über 30 Tagen überschritten.

Verkehr, Industrie und die Verbrennung fester Brennstoffe durch Haushalte sind die wichtigsten Verursacher der Feinstaubbelastung. Im Jahr 2000 trug Österreich zur gesamten Primäremission in der EU mit etwa 2 % bei PM10 und PM2.5 bei. Allerdings sind die Pro-Kopf-Emissionen, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, um 30 % höher als im EU-Durchschnitt. Der Rückgang des Ausstoßes an PM10 und PM2.5 wird in Österreich im Zeitraum 2000 bis 2020 voraussichtlich geringer ausfallen als in der übrigen EU. Dies ist u. a. auf den hohen Anteil an Diesel-Pkw und die verbreitete Nutzung von festen Brennstoffen zurückzuführen.

Grenzüberschreitende Emissionen

Da sich Feinstaub grenzüberschreitend ausbreitet, stammt ein erheblicher Teil der Konzentrationen in einem Land aus den Emissionen anderer Länder. Dies gilt vor allem für Zentraleuropäische Länder wie Österreich. So wurde z. B. mit Modellen abgeschätzt, dass im Durchschnitt etwa 20 % der PM2.5-Belastung in Österreich hausgemacht sind. Der Rest geht auf grenzüberschreitende Luftverschmutzung zurück, wobei Deutschland, Italien und Polen große Beiträge liefern. Andererseits tragen österreichische Emissionen auch zur PM2.5-Belastung anderer Länder bei. Bei der PM10-Belastung in Österreich sind allerdings etwa 60 % hausgemacht.

‘Der grenzüberschreitende Charakter der Feinstaubbelastung macht es erforderlich, dass alle Länder Maßnahmen zum Nutzen der europäischen Bevölkerung ergreifen’, merkt dazu der Direktor des Sonderprogramms Umwelt und Gesundheit beim WHO-Regionalbüro für Europa Dr. Robert Bertollini an. ‘Der Beitrag aller betroffenen Gebietskörperschaften ist in dieser Hinsicht entscheidend. Das betrifft sowohl den Schutz der Gesundheit der eigenen Bevölkerung als auch die Verminderung der Belastung in den Nachbarländern und der Europäischen Region der WHO insgesamt.’

Feinstaub zum Schutz der Gesundheit eindämmen

Bisher ist noch in keiner Studie eine Konzentrationsgrenze festgestellt worden, unterhalb derer die Feinstaubbelastung der Umwelt keine gesundheitlichen Auswirkungen hätte. Auch wenn die Verminderung der Feinstaubbelastung auf die Grenzwerte der EU für 2005 eine wichtige Maßnahme zum Schutz der Gesundheit ist, so wird sie nicht alle wesentlichen Gesundheitsfolgen der Feinstaubbelastung beseitigen. Daher ist es wichtig, die Feinstaubbelastung weiter als unter die gegenwärtig gesetzlich vorgeschriebenen Werte herabzusetzen. Es gibt bereits kostenwirksame Maßnahmen hierfür.



Aktivitäten zur Steuerung der Luftgüte auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene müssen eng miteinander verzahnt werden, damit die Luft in den Städten besser wird. Maßnahmen wie Verkehrsregelung oder bessere Stadtplanung auf lokaler Ebene können für sich allein sehr kostenwirksam die Belastung der an Brennpunkten lebenden Bevölkerung verringern. Sie sind jedoch nicht ausreichend, die gesamte Bevölkerung ausreichend zu schützen. Ein Angebot von Alternativen zum motorisierten Individualverkehr, insbesondere durch öffentliche Verkehrsmittel sowie Rad- und Fußwege kann das Verhalten der Bevölkerung ändern und gleichzeitig den Dauerstau im Straßenverkehr abbauen helfen sowie langfristig die Verkehrsnachfrage und den Schadstoffausstoß beeinflussen.



Andere Maßnahmen wie bessere Energieausnutzung, Anwendung reinerer Brennstoffe in Privathaushalten, Industrie und Verkehr sowie das Rückhalten von Feinstaub durch Partikelfilter sind für eine geringere Luftverschmutzung und Belastung der Bevölkerung ebenfalls wichtig. Sie reichen allerdings nicht aus, wenn sich die Gesellschaft nicht insgesamt für reinere Luft einsetzt. Langfristige Planung, steuerliche Anreize, gesetzliche Maßnahmen und der öffentliche Diskurs sind dafür unabdingbar.

Die WHO und die Europäische Kommission erarbeiten im Rahmen des langfristigen Programms Clean Air for Europe (CAFE) gemeinsam eine integrierte Politik zum Schutz von Gesundheit und Natur vor signifikanten Schädigungen durch Luftverschmutzung. Mit der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) arbeiten sie außerdem an einem Übereinkommen über den weiträumigen grenzüberschreitenden Transport von Luftverunreinigungen, das eine Grundlage für nationale Strategien gegen die Umweltverschmutzung bilden wird. Die Europäische Kommission hat am 21. September die Thematische Strategie Luft veröffentlicht, die weitergehende Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit vor Feinstaub vorsieht.

Quelle: Umweltbundesamt und WHO Regionalbüro für Europa


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /