© Greenpeace / 230.000 Wohnungen stehen leer
© Greenpeace / 230.000 Wohnungen stehen leer

Bundesländer können über Art und Umfang von Leerstandsabgaben künftig selbst entscheiden

ÖVP, SPÖ und Grüne beschließen Verfassungsnovelle

Wien – Mit dem Ziel, Leerstände zu reduzieren, heben einige Bundesländer bereits jetzt eine Abgabe auf leerstehende Wohnungen ein. Allerdings sind den Ländern aufgrund eines VfGH-Urteils aus dem Jahr 1985, was die Höhe der Abgabe betrifft, die Hände gebunden. Nun soll eine verfassungsrechtliche Kompetenzänderung den Ländern mehr Spielraum einräumen. Der Nationalrat stimmte mit Zweidrittelmehrheit für eine entsprechende Verfassungsnovelle. Auch eine ergänzende Änderung des Finanzausgleichsgesetzes wurde mit der gleichen Mehrheit von ÖVP, SPÖ und Grünen gebilligt. Kritik kommt von FPÖ und NEOS: Sie werten Leerstandsabgaben als Vermögensteuer und fordern alternative Maßnahmen, um mehr Wohnraum zu schaffen.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hob hervor, dass die vorgesehene kompetenzrechtliche Klarstellung nichts daran ändere, dass es für Leerstandsabgaben eine verfassungskonforme Lösung brauche. Die Schranke sei das Sachlichkeitsgebot, Leerstandsabgaben müssten gerechtfertigt sein.

Konkret wird mit der von ÖVP, SPÖ und Grünen verabschiedeten Verfassungsnovelle "die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung" von Wohnungen in die Zuständigkeit der Länder übertragen. Dabei geht es auch um Zweitwohnsitze. Außerdem stellt eine ergänzende Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes sicher, dass die Länder auch dann Leerstandsabgaben einheben dürfen, wenn der Bund ähnliche Steuern beschließt.

Seitens der SPÖ bekannten sich unter anderem Julia Elisabeth Herr, Jörg Leichtfried und Selma Yildirim zur Einhebung von Leerstandsabgaben. Wenn man sich die Situation in manchen Städten anschaue, sei eine solche Abgabe sinnvoll, betonte Herr. Wohnungen seien schließlich zum Wohnen da "und nicht zum Spekulieren". Leichtfried rechnet damit, dass durch eine Leerstandsabgabe mehr Wohnungen auf den Markt kommen werden, und hofft, dass das auch die Mieten senken werde. Zudem könnten durch diese "grundvernünftige Maßnahme" Ortskerne belebt werden.

Laut Gabriel Obernosterer (ÖVP) sei die vorgesehene "kompetenzrechtliche Klarstellung" ein Wunsch aller neun Landeshauptleute gewesen. Er wies darauf hin, dass das erste Bundesland, das eine Zweitwohnsitzabgabe eingeführt habe, Kärnten unter einem freiheitlichen Landeshauptmann gewesen sei. Hans Stefan Hintner (ÖVP) hob hervor, dass Gemeinden für Personen mit Zweitwohnsitz keine Ertragsanteile über den Finanzausgleich bekämen und diese somit auch keinen Kostenbeitrag zur Infrastruktur leisten würden.

"Wir wollen dem Leerstand an den Kragen", begründete Grün-Abgeordnete Nina Tomaselli die Verfassungsnovelle. Wohnungen seien schließlich zum Wohnen da, meinte sie und machte auf das Problem von "verödeten" Innenstädten oder verwaisten Wintersportorten aufmerksam. Viele Wohnungen würden aufgrund von Spekulation oder aus reiner Bequemlichkeit nicht vermietet, glaubt sie.

Tomasellis Parteikolleginnen Astrid Rössler, Ulrike Maria Böker und Ulrike Fischer sehen Leerstandsabgaben außerdem als wichtiges Instrument zur Eindämmung des Bodenverbrauchs und zur Belebung von Ortskernen. Damit leiste eine "Leerstandsaktivierung" auch einen Beitrag zum Klimaschutz, erklärte Böker, zumal eine Belebung von Ortskernen auch weniger Verkehr zur Folge habe, da man mehr Wege zu Fuß erledigen könne. Rössler wies in diesem Zusammenhang auch auf den hohen Leerstand im Gewerbe- und Industriebereich hin, wobei ihr zufolge die doppelte Fläche von Salzburg leer steht.


Verfassungsministerin Karoline Edtstadler erklärte. die vorgesehene kompetenzrechtliche Klarstellung ändere nichts daran, dass die Länder für etwaige Leerstandsabgaben eine verfassungskonforme Lösung vorlegen müssten. Selbstverständlich sei eine Leerstandsabgabe Eingriff in das Eigentum, sagte Edtstadler, die Schranke sei das Sachlichkeitsgebot. Leerstandsabgaben müssten gerechtfertigt sein.

Greenpeace begrüßt Verfassungsnovelle

Melanie Ebner, Bodenschutz-Sprecherin bei Greenpeace, sagt zur neuen Regelung: „Eine Leerstandsabgabe ist ein wichtiges Werkzeug für die Bundesländer. Werden leer stehende Wohnungen reaktiviert, schonen wir unsere Natur und wertvolle landwirtschaftliche Flächen – weil weniger Böden mit Neubauten zubetoniert werden.”

Greenpeace fordert nun, dass die Bundesländer schnellstmöglich eine wirksame und sozial treffsichere Leerstandsabgabe umsetzen. Eine faire Abgabe muss regionale und soziale Gegebenheiten berücksichtigen. Die Steuereinnahmen müssen anschließend für sozial-ökologische Zwecke wie etwa Entsiegelungsprojekte, Sanierung und Renovierung von Altbeständen zweckgewidmet sein, so die Umweltschutzorganisation.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /