©  jhenning auf pixabay.com
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Expertenrat für Klimafragen: Erneute Zielverfehlung für Verkehrssektor bestätigt

Deutschland: Kurskorrektur im Klimaschutz als Muss

Berlin – Der Expertenrat für Klimafragen hat in der Vorwoche seinen Prüfbericht zu den deutschen Emissionsdaten 2023 vorgelegt. Der Expertenrat prüft und bewertet die vom deutschen Umweltbundesamt übermittelte Berechnung der Emissionen des Vorjahres und betrachtet die Entwicklungen in ausgewählten Sektoren. Der Expertenrat aktualisierte seine Bewertung des Klimaschutzprogramms 2023 und der Sofortprogramme für die Sektoren Gebäude und Verkehr. Berücksichtigt werden dabei mittlerweile ergangene politische Beschlüsse.

Verkehr verfehlt deutlich, Überschreitung im Gebäudesektor nicht eindeutig
Der Expertenrat weist erneut auf die erhebliche Unsicherheit der Emissionsdaten für die Sektoren hin, die sich aufgrund des frühen Berechnungszeitpunktes vor allem im Sektor Gebäude ergibt.

Trotz der Unsicherheiten bestätigt der Expertenrat den starken Rückgang der Emissionen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um rund 10 % von 750 auf 674 Mt CO2-Äq. Dies ist der höchste prozentuale Rückgang binnen eines Jahres seit 1990. Das implizite Ziel für die Gesamtemissionen wurde damit erreicht. Insbesondere die Sektoren Energiewirtschaft (-20 %), Industrie (-8 %) und Gebäude (-8 %) verzeichneten hohe Emissionsminderungen. Der Verkehrssektor (-1 %) verfehlte sein Ziel hingegen deutlich um 12,8 Mt CO2-Äq. „Die erneute Verfehlung des Jahresziels ist im Ergebnis unserer Prüfung beim Verkehr eindeutig“, stellt der Vorsitzende des Expertenrates, Hans-Martin Henning, fest. „Beim Gebäudesektor können wir die knappe Überschreitung des Jahresziels angesichts der großen Unsicherheit der berechneten Daten dagegen weder bestätigen noch verwerfen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes besteht allerdings für beide Sektoren die Notwendigkeit eines Sofortprogramms.“

Mit rund 52 Mt CO2-Äq. hat die Energiewirtschaft den stärksten Beitrag zum Emissionsrückgang von 2022 auf 2023 geleistet. Dies lag vor allem an der stark gesunkenen Verstromung von Kohle. Ein wichtiger Grund dafür war die schwächere Stromnachfrage der energieintensiven Industrie. Der Emissionsrückgang in der Industrie um 13 Mt CO2-Äq. ist wie im Vorjahr vor allem auf den starken Produktionsrückgang in der energieintensiven Industrie zurückzuführen. Dies und die generell schwache Wirtschaftsleistung trugen auch zum Rückgang der Emissionen im Straßengüterverkehr bei, während die Emissionen durch den Pkw-Verkehr zunahmen. Den größten Einfluss auf den Emissionsrückgang im Gebäudesektor um 8 Mt CO2-Äq. dürften die schon im Vorjahr beobachteten Gaseinsparungen durch geändertes Heizverhalten gehabt haben. Zudem trugen Veränderungen in der Beheizungsstruktur und die anhaltend milde Witterung zu der Minderung bei.

Zum substanziellen Rückgang der Gesamtemissionen merkt Henning an: „Ohne den Rückgang der energie-intensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen. Damit wäre das implizite Jahresziel für alle Sektoren in Summe vermutlich nicht erreicht worden. Der Rückgang des Heizbedarfs kann sich allerdings aufgrund steigender Temperaturen tendenziell verstetigen.”

„Da fast die Hälfte der Maßnahmen des Klimaschutzprogramms fiskalischer Natur sind, verringert dies die Wahrscheinlichkeit, dass die angenommene Minderungswirkung tatsächlich eintritt,” ordnet die stellvertretende Vorsitzende, Brigitte Knopf, die aktuellen Entwicklungen ein.

Neben den Auswirkungen der finanziellen Kürzungen auf das Klimaschutzprogramm insgesamt identifiziert der Expertenrat weitere Umsetzungsdefizite bei den darin enthaltenen Sofortprogrammen Gebäude und Verkehr. Im Gebäudesektor verstärkt die weniger ambitionierte Umsetzung des Klimaschutzprogramms die Zweifel an der Erreichbarkeit der angestrebten Minderungswirkung. Auch im Verkehrssektor ist bei einigen Maßnahmen eine verminderte Wirkung zu erwarten, zudem ist eine Zunahme des Pkw-Verkehrs zu beobachten. Hierzu stellt Knopf fest: „Die erneute Betrachtung hat noch einmal bekräftigt, was wir bereits im letzten Sommer gesagt haben: Die im Klimaschutzprogramm beschlossenen Maßnahmen für Gebäude und Verkehr reichen nicht aus, um die sektoralen Ziele zu erreichen. Vor allem im Verkehrssektor verbleibt eine erhebliche Erfüllungslücke bis 2030.”

Tina Löffelsend, Abteilungsleiterin Klimaschutz des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sagt: „Der Expertenrat bestätigt das klimapolitische Versagen der deutschen Bundesregierung. Wir sehen bei der Ampel das Schönreden der klimapolitischen Lage bei zugleich ausbleibendem Handeln. Deutschland ist mitnichten auf Klimakurs und die Klimaziele bis 2030 sind so nicht einzuhalten. Die Lage hat sich sogar noch zugespitzt, weil durch den Sparkurs der Regierung wichtige Mittel für den Klimaschutz gestrichen wurden.

Es ist ein klimapolitisches Armutszeugnis, ausgerechnet jetzt die Abschwächung des Klimaschutzgesetzes voranzutreiben. Verkehrsminister Wissing schürt fahrlässig falsche Ängste, anstatt endlich wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz im Verkehr zu präsentieren. Zum dritten Mal in Folge wurde in seinem Sektor das Ziel gerissen und damit ein Sofortprogramm fällig.
Die aktuell erzielten Erfolge im Gebäudebereich beruhen vor allem auf dem Verhalten der Bürger*innen und einem milden Winter. Das ist keine erfolgreiche Klimapolitik. Die Klima-Lücke im Gebäudebereich kann nur noch mit einer klaren Kurskorrektur und einem Sofortprogramm geschlossen werden. Ministerin Geywitz und Minister Habeck können sich ebenso wenig ausruhen wie ihr Amtskollege Wissing.“


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /