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Ökosoziales Forum fordert realistische Nachhaltigkeitsbilanzierung

"Es ist klar: Wir müssen die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren, ändern."

Politische Zielvorgaben und Messmethoden von Biodiversität und Emissionen in der Kritik. Warnung vor negativen Konsequenzen für globale Versorgungssicherheit.

Mit dem Fachtag Ackerbau machte die 71. Wintertagung am 30. Jänner in der Landwirtschaftskammer Niederösterreich Station. Im Mittelpunkt der Debatten standen die aktuellen Herausforderungen für die Branche angesichts hoher Inflation, Klimawandel und politischer Auflagen durch den Green Deal.

Sebastian Dickow, Stellvertretender Bezirkspräsident für Niederbayern im Bayerischen Bauernverband, skizzierte die aktuelle Situation und Handlungsoptionen für Deutschland: „Pflanzenschutz ist unerlässlich, egal ob chemisch, biotechnisch oder mechanisch! Technik und Zucht können dazu beitragen, diesen noch effizienter zu gestalten. Jedoch sollte man hier keine unrealistischen Erwartungen wecken, denn auch diese stoßen regelmäßig durch die örtlichen Gegebenheiten oder die Ökonomie an ihre Grenzen.“ Biodiversität und Ernährungssicherung lasse sich durch produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen gut kombinieren, allerdings brauche es dafür einen flexiblen Rahmen, da die Natur sich in kein enges Korsett stecken lasse. Darüber hinaus müssten die gesetzten Umweltmaßnahmen auch wirtschaftlich darstellbar sein. „Klimaschutzmaßnahmen müssen sich wirtschaftlich rechnen, hier braucht es Anreize und neue Modelle, da die Landwirtschaft aufgrund ihrer Komplexität nicht in die gängige Emissionshandelspraxis passt“, so Dickow.

Mark Manshanden, Senior Researcher bei Wageningen Economic Research, diskutierte die Zielsetzung des Green Deals und die Auswirkungen für den Ackerbau: „Es ist klar: Wir müssen die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren, ändern. Die Politik muss den Verlust der biologischen Vielfalt stoppen und zur Abschwächung des Klimawandels beitragen. Dies hat aber Konsequenzen für die europäische Lebensmittelproduktion und könnte auch einen Teil der Auswirkungen von Europa auf andere Länder außerhalb Europas verlagern“, warnte Manshanden vor möglichen negativen Folgen für die globale Ernährungssicherung.

Ulrike Middelhoff, Leiterin des Nachhaltigkeitsmanagements der AGRANA, gab Einblick in die Agrana-Klimastrategie: „Um regulatorische und Kundenanforderungen bezüglich Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie erfüllen zu können, bedarf es der Zusammenarbeit aller Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette. Über die Emissionsreduktion in unserer eigenen Produktion hinaus, legt AGRANA besonderes Augenmerk auf die Förderung von emissionsarmen, biodiversitätssteigernden Agrarpraktiken in Kooperation mit der Landwirtschaft“, so Middelhoff.

RWA-Vorstandsdirektor Christoph Metzker wies auf die globalen Abhängigkeiten bei landwirtschaftlichen Betriebsmitteln hin, die bei den aktuellen Logistik-Problemen sichtbar werden: „Als Lagerhausorganisation setzen wir uns für nachhaltige Entwicklungen ein, achten auf ressourceneffiziente Lieferketten und fokussieren uns eine moderne Landwirtschaft mit innovativen Lösungen mitzugestalten. Inmitten globaler Herausforderungen wie Klimawandel und geopolitischer Konflikte stellen wir die Brücke zwischen internationalen Partnerschaften und regionalem Genossenschaftsgedanken dar. So gelingt es uns, zu turbulenten Zeiten und in volatilen Märkten eine sichere Warenversorgung der heimischen Landwirtschaft sicherzustellen.“

Hitzig diskutiert wurden die Messmethoden und Bilanzierungen von Biodiversität und Emissionen. Kritisiert wurden vor allem rein quantitative Vorgaben. So sei beispielsweise die alleinige Messung von Insektenmassen kein geeignetes Biodiversitätsmerkmal. Es gehe vielmehr um die Anzahl der Arten, stellt Dickow fest. Ähnliches gelte für Emissionen. Internationale Standards, die nur die Emissionen durch fixe Kennzahlen vorgeben und die Kohlenstoffbindung der Landwirtschaft überhaupt nicht berücksichtigen, führe das gesamte System ad absurdum, so der Tenor.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /