© WaldviertlerEnergiestammtisch / Spannende Einblicke zum Thema Atomkraft, die viele Hintergründe aufzeigte
© WaldviertlerEnergiestammtisch / Spannende Einblicke zum Thema Atomkraft, die viele Hintergründe aufzeigte

Atomkraftwerke, Atommülllager & Alternativen in Tschechien

Ein Besuch in der Holz-Erlebnis-Welt AnnoLIGNUM in Waidhofen/Thaya und zwei spannende Vorträge, von der NÖ. Anti-Atom-Koordinatorin Christine Pennerstorfer und von Edvard Sequens, einem Energieexperten aus Tschechien beim Waldviertler EnergieStammtisch.

© WaldviertlerEnergiestammtisch / Besuch bei AnnoLIGNUM
© WaldviertlerEnergiestammtisch / Besuch bei AnnoLIGNUM

Der 269. Waldviertler EnergieStammtisch startete am 16. November 2023 mit einer Kurzführung durch die Holz-Erlebnis-Welt AnnoLIGNUM in Waidhofen/Thaya. Stefan und Reinhart Blumberger haben hier eine beeindruckende Symbiose von alter Tradition und neuer Handwerkskunst geschaffen. Sie besinnen sich auf das, was die alten Tischler in Jahrhunderten erdacht haben, entwickeln es weiter und schaffen damit Neues und gleichzeitig Dinge, die noch in Jahrhunderten von handwerklichem Können Zeugnis ablegen.

Nach dem Rundgang startete der Infoabend zum Thema „Atomkraftwerke, Atommülllager & Alternativen in Tschechien“ und zwar mit der Begrüßung der rund 20 Gäste, insbesondere mehrere Mandatare aus National- und Gemeinderäten.
Das Land NÖ unterstützt Aktivitäten des Waldviertler EnergieStammtisches und fördert damit insbesondere die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Brandner-Weiß bedankte sich für die Unterstützung, vor allem für die Simultanübersetzung und Aufzeichnung des Infoabends und übergab das Wort an Christine Pennerstorfer, Anti-Atomkoordinatorin des Landes Niederösterreich.

Christine Pennerstorfer berichtete über die Zusammenarbeit mit dem Waldviertler EnergieStammtisch, die in der Form von Jahresprogrammen im Jahr 2015 begann. Sie machte mit ihrem Statement klar, dass sie die Interessen der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher in der Anti-Atom-Politik auch in Zukunft über die Landesgrenzen hinweg engagiert vertreten wird: „Für die NÖ Anti-Atomkoordination gilt es, weiterhin klar und unermüdlich auf die Gefahren der hochrisikoreichen Erzeugung von Kernenergie hinzuweisen und andererseits eine für Niederösterreich sichere Lösung in der Frage der Endlagerung für hochradioaktive Abfälle in Tschechien aktiv einzufordern", bekräftigt die neue Anti-Atomkoordinatorin.

Mit Edvard Sequens kam zum Thema „AKTUELLES AUS DEM ENERGIESEKTOR DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK“ ein ausgewiesener Referent aus Budweis zu Wort, der nicht nur langjährig im Bereich Energie, sondern auch mit unermüdlichem Engagement gegen Nuklearenergie in Tschechien tätig ist. Er ist außerdem Sekretär der Plattform der Endlagergemeinden. Unterstützt mit rund 30 Folien spannte er in seinem Vortrag in 80 Minuten einen weiten Bogen von der Stromproduktion aktuell über die Entwicklung der Stromexporte in den letzten Jahren bis hin zu der Ausschreibung neuer Reaktoren für die Standorte Dukovany und Temelin und die Pläne für small modular reactors (SMR). Kurz zusammengefasst: Politisch wird die Vorbereitung von bis zu vier großen und 10 kleineren Reaktoren vorangetrieben und parallel die Laufzeit bereits bestehender Reaktoren bis 2045 verlängert, d.h. auf 60 Jahre, wobei die CEZ noch daran arbeitet, dass es mindestens 60 Jahre werden! Aus seiner Sicht ist das Einzige, das diese Entwicklung stoppen kann, der hohe Preis der neuen Reaktoren bzw. des Atomstroms. Man rechnet mit 35 Euro mindestens pro MWh, d.h. 35 Cent pro Kilowattstunde (ohne Zinsen, …).
Weitere wichtige Punkte in seinem Vortrag waren die aktuell laufende Beteiligung am Raumordnungsverfahren für zwei weitere Reaktoren in Dukovany, aber auch die mangelnde Transparenz bzgl. der Kosten für die Kernreaktoren bzw. dass die Medien die Zahlen, die veröffentlicht werden und mit öffentlich genannten 6 Mrd. Euro (160 Mrd. Kronen) um rund 50 % zu niedrig sind, nicht hinterfragen.
Auch zum Prozess der Atommüll-Endlagersuche sowie zur Frage, welche Kosten auf den tschechischen Staat bzw. die Bevölkerung durch die Entscheidung für Nuklearenergie zukommen werden sowie zur (von der tschechischen Politik nur wenig gesehene) Chance auf erneuerbare Energieträger zu setzen, wurde von Edvard Sequens berichtet.

Der Abend brachte umfassende Information, aber auch zur Vernetzung im Sinne eines möglichst transparenten Prozesses betreffend Atommüll-Lagerung und zukunftsfähiger Energieversorgung in der tschechischen Republik trug er bei.

Mit einem DANKE an alle, die zum Gelingen des Infoabends beigetragen haben, insbesondere an den Simultanübersetzer Milan Vacha schloss die Teamsprecherin des Energiestammtisches, Renate Brandner-Weiß, das Plenum. Von den Gästen wurde och die Chance genutzt, Fragen direkt an Edvard Sequens zu stellen bzw. sich in individuellen Gesprächen auszutauschen.
Für alle, die nicht dabei sein konnten, gibt es ein Video des Vortrags zum Nachschauen und zwar – je nach Muttersprache - mit deutscher und tschechischer Tonspur.

Video in Deutsch:



Vortragsfolien in Deutsch

Video in Tschechisch:


Vortragsfolien in Tschechisch

Hinweise zum Thema vom Waldviertler EnergieStammtisch:

Wichtig ist uns, dass eine Sache, der Kampf gegen neue Reaktoren und für eine möglichst sichere Lagerung der Abfälle ist, aber ebenso wichtig erscheint es uns, die Chancen zu sehen, die sich für Zusammenarbeit im Bereich regionale erneuerbare Energieversorgung für Österreich und Tschechien bieten. Beide Länder haben im Bereich Energieversorgung, hier im Konkreten einer zukunftsfähigen Stromversorgung, noch viel zu tun.

Österreich war – aufgrund der vielen Wasserkraft - lange ein Netto-Exporteur von Strom, aber seit 2000/2001 hat sich das geändert. Weil der Strombedarf über Jahrzehnte stärker gestiegen ist als der Zubau an Kraftwerksleistung. Österreich importiert netto – je nach Jahr - zwischen 5 und 15 % des Jahresstrombedarfs. Damit verliert Österreich nicht nur regionale Wertschöpfung und die dazugehörigen Arbeitsplätze, sondern finanziert dadurch z.T. auch fossile und Kernkraftwerke und riskiert in Zukunft noch Strafzahlungen betreffend des Klimaabkommens von Paris.
Betrachtet man die Zahlen für die Bezirke Gmünd, Horn, Waidhofen/Thaya und Zwettl dann ergibt sich in Summe ein Wert von knapp 42 % an regionaler Ökostromproduktion in Relation zum Gesamtstrombedarf, d.h. das Waldviertel ist eine Region, die viel Strom „importieren muss“. Dies sind die Zahlen für 2022 und sie beinhalten noch keine Netzverluste o.Ä. Generell arbeitet der Energiestammtisch daran, die regionalen Zahlen noch weiter aufzubereiten. Bei Interesse stehen die Mitglieder für Fragen gerne zur Verfügung.
Was man individuell bzw. als Organisation/Betrieb/Gemeinde immer tun kann, ist die Aktivitäten rund um Energiewende und Klimaschutz zu unterstützen und z.B. Energiesparmaßnahmen zu setzen und auf erneuerbare Energie umzusteigen. Für die Investitionen bietet sich Bürgerbeteiligung an, damit auch die Erträge möglichst in der Region bleiben.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /