© SFF /Der Wissenschaftler des Jahres, Franz Essl, mit dem zerissenen NEKP
© SFF /Der Wissenschaftler des Jahres, Franz Essl, mit dem zerissenen NEKP

Wissenschafter*innen "zerreißen" den Nationalen Energie und Klimaplan der Bundesregierung

Stopp Scheinklimaschutz: Fundierte Alternativen vorgestellt

Diese Woche versammelten sich 15 Wissenschafter*innen hinter Aktivist:innen der Letzten Generation am Spittelau, um ein klares Zeichen gegen den, von der Regierung betriebenen Scheinklimaschutz, zu setzen. Die Forscher*innen zerrissen dabei symbolisch Plakate, die den Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) der Bundesregierung repräsentierten. Anschließend hielten sie eine Stellungnahme zum NEKP, verfasst von Wissenschafter*innen, sowie andere wissenschaftliche Berichte hoch.
“Der veröffentlichte Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans der Regierung mag zwar eine positive Haltung gegenüber ambitionierten Klimaschutzzielen einnehmen, doch es fehlt immer noch an angemessenen Maßnahmen und Berücksichtigung von Gerechtigkeitsaspekten. Der NEKP setzt hauptsächlich auf Technologien, obwohl erwiesen ist, dass Technologie allein nicht ausreicht.“ So Nicolas Roux, BOKU und Scientists 4 Future.
Wegen mangelnder Ambition wurde der NEKP in 2019 schon von der EU-Kommission zurückgewiesen und dieses Jahr von der Österreichischen Regierung überarbeitet. Der überarbeitete Entwurf betont einige Maßnahmen, die seitdem getroffen wurden, wie etwa ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, die Einführung des Klimatickets und ein nationaler CO2-Preis (der allerdings zu niedrig ist, um eine zielführende Wirkung zu erzielen), sowie andere geplante Maßnahmen. Diese Schritte sind zwar sinnvoll, aber insgesamt unzureichend, um unsere Klimaziele zu erreichen.

„Der aktuelle NEKP-Entwurf verspricht zwar viel, versäumt aber zu konkretisieren, wie diese Versprechen erfüllt werden sollen - somit wird er weitgehend wirkungslos bleiben“, so Franz Essl von Universität Wien und Scientists 4 Future.

Der Plan ist nicht nur inhaltlich unzureichend; ohne seine Umsetzung in ein verbindliches Klimaschutzgesetz, welches immer noch von der ÖVP blockiert wird, bleibt der NEKP kaum mehr als bloßer Scheinklimaschutz, der die Illusion geben soll, dass die Regierung Klimaschutz ernst nimmt.

„Der Nationale Energie- und Klimaplan ist politisch derartig irrelevant, dass ich ihn nicht einmal kommentiert habe. Die ÖVP-geführte Regierung ignoriert alle klimapolitischen Vereinbarungen und jede nachkommende Regierung wird eigene Vorstellungen umsetzen. Die entscheidende Herausforderung lautet also: wie schaffen wir es, dass eine Mehrheit Scheinklimaschutz abwählt?“ So Reinhard Steurer, Scientist 4 Future und Professor für Klimapolitik an der BOKU

In den letzten Jahren haben Wissenschafter*innen mehrfach versucht, der Regierung konkrete Maßnahmenvorschläge zu präsentieren. Neben der im Sommer erarbeiteten Stellungnahme zum NEKP wurden verschiedene wissenschaftliche Berichte erstellt, die Optionen für einen ambitionierten Klimaschutz aufzeigen, darunter der "UniNetz Optionenbericht" und der kürzlich veröffentlichte Bericht des Austrian Panel for Climate Change zu „Strukturen für ein Klimafreundliches Leben“. Zusätzlich existieren Maßnahmenvorschläge des Klimarats, die von 84 zufällig ausgewählten und für Österreich repräsentative Bürger:innen entwickelt wurden.

„Es gibt zahlreiche wissenschaftlich fundierte und demokratisch erarbeitete Alternativvorschläge. Es scheitert nicht an den finanziellen Mitteln, sondern am fehlenden politischen Willen. Den müssen wir jetzt einfordern, deswegen bin ich immer wieder hier dabei.“ so Max Nutz, Geosphere Austria.

Mit vielen Worten und weitschweifenden Erklärungen wird auf die Problematik der menschengemachten Klimakrise hingewiesen, aber wenn es um konkrete Maßnahmen geht, fehlt es an Klarheit und unmittelbarer Umsetzung. Ein derart vage formulierter Plan, und ein immer noch von der ÖVP blockiertes Klimaschutzgesetz, lassen zu viel Raum für Interpretation und könnten dazu führen, dass wir ohne wirksame Veränderungen in die Zukunft gehen.

Der neue NEKP Entwurf ist alles andere als ein ernsthaftes Bekenntnis zu zielführendem Klimaschutz, viel eher eine Scheinklimaschutz-Maßnahme. Dieser „Plan“ ist augenscheinlich ein Versuch, von der gescheiterten Klimapolitik der Regierung und ihrem fehlenden Verständnis für die anhaltende Klimakrise abzulenken. Ein Indiz darauf ist auch der Umstand, dass lediglich zwei der insgesamt 93 Empfehlungen des Klimarats im Entwurf erwähnt werden.

Die Wissenschaft ist ihrer Verantwortung nachgekommen, die Gesellschaft und die Regierung vor der Gefahr von mangelnden ernstzunehmenden Klimaschutzmaßnahmen zu informieren. Die ersten Kipppunkte zeigen schon bedrohliche Warnzeichen der Instabilität; mit der Klimakrise sind keine Kompromisse und Verzögerungen verhandelbar. Solange die Regierung jedoch nicht ihre Hausaufgaben macht, und stattdessen nur Scheinklimaschutz betreibt, anstatt die Bevölkerung vor den tödlichen Folgen der Klimakrise zu schützen, werden Wissenschafter*innen immer häufiger auf der Straße protestieren müssen. Morgen wieder beim Weltweiten Klimastreik.
„Wir sind mitten in einer Klimakatastrophe. Es ist unsere Verantwortung aufzuzeigen was es für uns alle bedeutet. Es gibt viele Vorschläge, wie wir mit der Krise umgehen können, nur werden sie nicht gehört.“ so Mirijam Mock, Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Gesellschaftswandel und Nachhaltigkeit

Fazit: Viele Worte, wenig realen Klimaschutz. Wissenschafter*innen protestieren deswegen weiter.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /