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Energiekrise: Attac fordert Abkehr vom liberalisierten Strommarkt / EU-Reform völlig unzureichend

Neue Kampagne für öffentliche Kontrolle der Energieversorgung / Unterstützung u.a. von ÖGB und Fridays for Future

Attac fordert eine Abkehr vom liberalisierten Strommarkt sowie ein öffentlich und demokratisch kontrolliertes Energiesystem für Europa: weg von Spekulation und Profitmaximierung, hin zu Versorgungssicherheit, Leistbarkeit und Klimagerechtigkeit. Diese Forderungen stehen im Zentrum der heute startenden Attac-Kampagne[ Energieversorgung demokratisieren! Saubere und leistbare Energie für alle!] (http://www.attac.at/energie) (1), die bislang von ÖGB, Fridays for Future, System Change, not Climate Change! und Degrowth Vienna unterstützt wird.

"Der liberalisierte Energiemarkt mit profitorientierten Konzernen und schrankenlosem Wettbewerb hat uns in eine tiefe Energiekrise geführt. Märkte sorgen weder für eine leistbare Grundversorgung, noch bringen sie die Energiewende an", kritisiert Attac-Energieexperte Max Hollweg bei einer Pressekonferenz mit ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth und dem Ökonomen Stephan Schulmeister.

Die EU möchte den europäischen Strommarkt bis Herbst 2023 reformieren. Doch von Veränderungen, die an die Wurzel der Probleme gehen, ist im Vorschlag der Kommission nichts zu sehen. "Der EU-Vorschlag setzt weiter auf Energiebörsen und intransparenten Handel mit Energie. Von großen strukturellen Reformen ist nichts mehr zu sehen. Die Reformpläne tragen eindeutig die Handschrift der großen Energiekonzerne, die sich ihre Profite sichern möchten", kritisiert Hollweg.

Der Markt hat versagt

Die Bilanz von 20 Jahren Liberalisierung des EU-Strommarktes ist verheerend: Bereits vor dem Ukraine-Krieg waren hohe, von Produktionskosten entkoppelte Energiepreise (2), Milliardenprofite für Energiekonzerne und Energiearmut allgegenwärtig. Zudem entstanden riesige private Konzernmonopole mit enormer politischer Macht, welche die Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle verfestigten. Erneuerbare Versorger konnten nur Fuß fassen, weil sie durch öffentliche Subventionen vor der Liberalisierung geschützt wurden. "Der Markt hat völlig versagt", erklärt Hollweg. Der liberalisierte Strommarkt sollte daher durch einen kooperativen europäischen Energieraum ersetzt werden. Der notwendige Ausgleich und der Handel mit Energie sollten über öffentlich kontrollierte Einrichtungen erfolgen, welche die notwendigen Sicherheiten garantieren.

Spekulation und Börsenhandel mit Energie beenden

Zu den Unterstützern der Attac-Kampagne zählt der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister: "Es ist völlig absurd, dass die Preise für ein zentrales Grundbedürfnis wie Energie von spekulativen Termingeschäften und intransparenten Energiebörsen abhängig sind. Die EU-Strommarktreform beseitigt diese Konstruktionsfehler nicht. Preise sollen lediglich durch unzureichende Mechanismen wie langfristige Verträge für bevorzugte Verbraucher oder durch Finanzprodukte gedämpft werden.” Stattdessen sollten sich die Preise an den tatsächlichen Produktionskosten orientieren, fordert Schulmeister.

Gemeinnützigkeit fördern, Versorgungssicherheit, Leistbarkeit und Klimagerechtigkeit gesetzlich verankern

Da die großen Energiekonzerne keine gemeinnützigen Ziele verfolgen, ist die leistbare Versorgung in Europa vielerorts nicht sichergestellt. ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth: "Die Energieversorgung ist Teil der Daseinsvorsorge und darf nicht ausschließlich auf Profite ausgerichtet sein. Versorgungssicherheit, Leistbarkeit und Klimagerechtigkeit müssen als oberste Ziele der Energieversorger gesetzlich verankert werden - EU-weit wie national." Attac fordert zudem eine demokratische Kontrolle über große Energiekonzerne und -versorger, an der Beschäftigte, Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft gemeinsam arbeiten.

Koordinierter Plan für die Energiewende nötig

Da der Markt auch bei der Energiewende versagt, ist auf europäischer und nationaler Ebene ein koordinierter Plan für den massiven Ausbau erneuerbarer Energien und den raschen Ausstieg aus Gas, Öl und Kohle nötig. "Die Energiewende muss dabei sozial gerecht ausgestaltet werden und den Beschäftigten unter anderem qualitativ hochwertige Jobs, soziale Absicherung und Weiterbildungsmöglichkeiten garantieren", erklärt Schuberth.

Hollweg ergänzt: "Der Ausbau Erneuerbarer darf nicht auf der Ausbeutung anderer Teile der Welt basieren. Für Energie- und Rohstoffimporte müssen hohe soziale und ökologische Standards in solidarischen Abkommen verankert werden. Die derzeit geplanten EU-Abkommen etwa mit den Mercosur-Staaten oder Chile sind genau das Gegenteil davon."

Energie-Grundanspruch mit progressiven Tarifen

Attac fordert zudem einen staatlich regulierten "[Energie-Grundanspruch] (bit.ly/3NbP69h)" mit progressiven Tarifen - insbesondere für verschwenderischen Luxusverbrauch. Denn der Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare ist nur mit einer Reduktion des Energieverbrauchs möglich. Das bereits im Vorjahr präsentierte[ Konzept] (https://www.attac.at/fileadmin/user_upload/dateien/presse/downloads/ Energie-Grundanspruch_FINAL.pdf) macht die Basis-Versorgung mit Energie zu einer öffentlichen Aufgabe und verbindet soziale und ökologische Herausforderungen.

* * * (1) Gleichzeitig mit der Kampagne startet Attac eine Petition mit 4 Forderungen (https://www.attac.at/kampagnen/energieversorgung-demokratisieren#c91 95) an die österreichische Regierung, alle Landesregierungen und die in der EU zuständigen Gremien.

(2) Das meistgenannte Argument für die Liberalisierung sind niedrigere Preise. Doch Vergleiche mit einem fiktiven Szenario der Nicht-Liberalisierung sind auch laut Studien methodisch schwierig und umstritten. Zahlreiche externe Entwicklungen drückten in den letzten beiden Jahrzehnten die Energiepreise, wie die Rezession nach der Finanzkrise 2008 oder das Gas-Überangebot durch den Fracking-Boom in den USA. Zudem waren die Jahrzehnte zuvor öffentlich errichteten Energie-Infrastrukturen zum Großteil abbezahlt.



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Weitere Infos: ATTAC Austria

Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /