©  Anti Atom Komitee / Temelin im WInter
© Anti Atom Komitee / Temelin im WInter

Atommüll-Lagerung ohne Berücksichtigung der Gemeinde- und Bürgerinteressen?

Hochradioaktiver Atommüll: Betroffene Gemeinden wehren sich gegen Endlager.

Ein Gesetzesentwurf lässt derzeit die Emotionen besorgter Bürger in Tschechien hochgehen. In einer Regierungssitzung wurde am Mittwoch, 11. Jänner 2023, ein „Verfahren zur Errichtung eines Endlagers“ beschlossen. Die Entscheidungen, die derzeit in Prag getroffen werden, können auch Auswirkungen auf die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung haben.

Durch seine Atomkraftwerke ist die Republik Tschechien in einer Zwickmühle geraten: Die Halden an hochradioaktivem Atommüll wachsen stetig an. Die spannende Frage der „Entsorgung“ kann durch eine EU-Verordnung aber nicht länger auf die lange Bank geschoben werden: In den Bedingungen der EU-Taxonomie (Liste der nachhaltigen Energieträger) ist festgelegt, dass die Atomreaktoren betreibenden Staaten ihre Atommüll-Endlager bis zum Jahr 2050 betriebsbereit haben müssen.

Gesucht wird eine geologische Formation, die für etwa eine Million Jahre stabil ist. Während die Plattform gegen das Atommüll-Endlager vor den Risiken geologischer Untersuchungen unter Zeitdruck warnt, möchte die Behörde für die Endlagerung radioaktiver Abfälle den endgültigen Standort des Endlagers bereits 2028 festgelegt haben. Es fallen 80 bis 100 Tonnen radioaktiven Abfalls an. Nicht einmalig, sondern Jahr für Jahr.

Aus einem der folgenden vier Standorte wird die Regierung der Republik Tschechien bis 2028 ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll ernennen: Janoch (nahe Temelín, 48 km zur österreichischen Grenze), Horka bei Trebíc (45 km), Hrádek bei Jihlava (40 km) oder Brezový pottok bei Klattau (60 km zur bayerischen Grenze). Die Haltung der tschechischen Bevölkerung gegenüber Atomkraft ist in weiten Teilen grundsätzlich positiv.

„In den als mögliche Endlager nominierten Gemeinden scheint die Stimmung allerdings gekippt zu sein. Durch die Grenznähe fühlen sich auch viele Österreicherinnen und Österreicher betroffen und wehren sich mit Unterschriftenlisten gegen die geplanten Atommüll-Endlagerstätten! 18.300 Unterschriften wurden Umweltministerin Leonore Gewessler während eines Lokalaugenscheins in Freistadt im September 2022 übergeben“ so Mag. Josef Engelmann vom Anti Atom Komitee.

Wird auf Zeit gespielt?

Während einer Zusammenkunft mit den Bürgermeistern der betroffenen tschechischen Gemeinden im Dezember vergangenen Jahres hat Industrieminister Jozef Sikela angekündigt, dass er in den Gesetzesentwurf die Zustimmung beider Kammern des Parlaments als Bedingung für die Auswahl eines Endlagerstandortes mit aufnehmen werde. Der Gesetzesentwurf, der derzeit in der Datenbank für künftige Gesetze zu finden ist, enthält allerdings nichts in diese Richtung, wie die Plattform gegen das Atommüll-Endlager festhält.

„Die Gemeinden kritisieren seit langem die mangelnde Kommunikation seitens der Ministerien und der Verwaltung der Lagerstätten radioaktiver Abfälle (SURAO). Spätestens seit vergangenes Jahr SURAO-Direktor Jan Prachar wegen Beeinflussung der öffentlichen Auftragsvergabe angeklagt wurde, scheint das Vertrauen in diese Institution längerfristig erodiert zu sein. Die Gemeinden befürchten, dass sie nicht einmal ein Vetorecht gegen einen von der Regierung beschlossenen Standort für ein Endlager haben, sobald das neue Gesetz durchgewunken ist“, erklärt Josef Engelmann weiter.

Der Energieexperte Edvard Sequens aus dem Verein Calla: „Das Atomgesetz verlangt, dass die Interessen der Gemeinden und ihrer Bürger respektiert werden. Mit dem aktuellen Gesetzesentwurf ist das nicht mehr sichergestellt.“

Der Verein Calla in Budweis fordert bereits seit langem ein, dass betroffene Gemeinden ein Vetorecht haben müssen, ähnlich wie in den nordischen Ländern.

„Während für die schwerwiegende Frage der Endlagerung keine beruhigende Lösung in Sicht ist, setzt die tschechische Regierung weitere beunruhigende Signale in Richtung Ausbau der Atomkraftwerke. Die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung ist in Zukunft von oben und unten in Gefahr: Von oben durch die Gefahr von Fallout nach einem Atomunfall – und in Zukunft auch durch die Gefahr von kontaminiertem Wasser, das aus einem Atommüll-Endlager nach Österreich einsickern könnte“ fasst der neue Obmann des Anti Atom Komitees, DI Manfred Doppler, die Lage aus österreichischer Sicht abschließend zusammen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /