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Neue Recherche zeigt: Banken und Investoren setzen weiterhin auf Kohleindustrie

Kommerzielle Banken haben in den letzten drei Jahren die globale Kohleindustrie mit über 1,5 Billionen US-Dollar in Form von Krediten u.a. unterstützt.

Berlin - Außerdem hielten institutionelle Investoren mit Stand November 2021, als die COP26 in Glasgow stattfand, Aktien und Anleihen der globalen Kohleindustrie im Wert von über 1,2 Billionen US-Dollar.. Dies zeigt eine neue Recherche der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald, die gemeinsam mit Reclaim Finance und 25 weiteren internationalen Partnerorganisationen veröffentlicht wurde. Die Recherche basiert auf der globalen Kohlefirmendatenbank „Global Coal Exit List“ (GCEL), die von urgewald gepflegt wird und zuletzt im Oktober 2021 aktualisiert wurde. Sie deckt 90% der weltweiten Kohleproduktion und Kohlekraftwerkskapazität ab.

Die Recherche zeigt auch: rund die Hälfte des Kreditvolumens und auch der Investitionen geht auf lediglich zwölf, respektive 24 Finanzinstitute zurück. Bei den Investoren offenbart sich BlackRock als stärkster Unterstützer von Expansionisten der globalen Kohleindustrie.

Mit Blick auf deutsche Finanzinstitute schafft es die Deutsche Bank bei Krediten und Underwriting-Mandaten [1] im internationalen Ranking auf Platz 40 (von 705) und wegen ihrer Tochter DWS bei den Investoren auf Platz 28 (von über 4.900). Die deutsche Allianz-Gruppe belegt sogar Platz 20 im internationalen Investorenranking. Insgesamt leiteten deutsche Finanzinstitute in den vergangenen drei Jahren rund 18,2 Milliarden US-Dollar in Form von Krediten und Underwriting-Mandaten an die globale Kohleindustrie. Deutsche institutionelle Investoren hielten mit Stand November 2021 rund 23 Milliarden US-Dollar an Aktien und Anleihen der globalen Kohleindustrie.

Katrin Ganswindt, Leiterin Finanzresearch bei urgewald: „Nicht erst seit gestern ist es allseits bekannt, dass die Kohleindustrie der Treiber Nr.1 der Klimakrise ist. Finanzinstitute argumentieren gerne, dass sie der Branche bei der Transformation beistehen wollen. Aber die Realität ist, dass nahezu keines der Kohleunternehmen einen sinnvollen Transformationspfad beschreitet, erschreckenderweise sogar noch sehr häufig expandiert wird. Sie haben ja auch keinen Anreiz sich zu ändern, wenn die Finanzbranche sie weiterhin mit Blankoschecks unterstützt.“


Die Ergebnisse der Recherche im Detail

1. Führende Kreditgeber der Kohleindustrie

Zwischen Januar 2019 und November 2021 stellten 376 kommerzielle Banken der globalen Kohleindustrie 363 Milliarden US-Dollar in Form von Krediten zur Verfügung. Hierbei vereinten zwölf Banken 48% des gesamten Kreditvolumens auf sich. Im globalen Ranking der Kreditgeber belegen die Plätze eins bis drei die japanischen Banken Mizuho Financial, Mitsubishi UFJ Financial und SMBC Group, gefolgt von Barclays aus Großbritannien und Citigroup aus den USA. Ironischerweise sind zehn der zwölf führenden Kreditgeber der Kohleindustrie (inklusive der fünf bereits genannten top-platzierten) Mitglieder der Net Zero Banking Alliance!

Zehn deutsche Finanzinstitute gaben im Untersuchungszeitraum zusammen 8,9 Milliarden US-Dollar in Form von Krediten an die globale Kohleindustrie. Davon entfielen allein 68% auf die zwei größten deutschen Institute: 3,4 Milliarden US-Dollar auf die Deutsche Bank und 2,7 Milliarden US-Dollar auf die Commerzbank – beide ebenfalls Mitglieder der Net Zero Banking Alliance.

2. Führende Underwriter für die Kohleindustrie

Zwischen Januar 2019 und November 2021 übten 484 kommerzielle Banken Underwriting-Mandate in Höhe von 1,2 Billionen US-Dollar für die globale Kohleindustrie aus. Hierbei vereinten zwölf Banken 39% des gesamten Underwriting-Volumens auf sich. Das Ranking zeigt: die führenden drei Institute kommen aus China (Industrial Commercial Bank of China, China International Trust and Investment Corporation und Shanghai Pudong Development Bank). Die einzige nicht-chinesische Bank unter den führenden 12 Underwriters für die Kohleindustrie ist JPMorgan Chase aus den USA – sowohl Mitglied in der Net Zero Banking Alliance und zudem auf Platz 7 der weltweit größten Kreditgeber der Kohleindustrie.

Underwriting nimmt mittlerweile den Löwenanteil bei der Finanzierung der globalen Kohleindustrie ein. Unsinnigerweise wird es derzeit allerdings von den Verpflichtungen innerhalb der Net Zero Banking Alliance nicht berücksichtigt.

Aus deutscher Perspektive übten sechs Institute im Untersuchungszeitraum Underwriting-Mandate im Wert von insgesamt 9,2 Milliarden US-Dollar für die globale Kohleindustrie aus. Die Recherche zeigt zudem, dass die Deutsche Bank als einziges global agierende deutsche Institut dem internationalen Trend hin zu Underwriting folgt. Sie liegt, wenn Kredite und Underwriting-Mandate zusammen betrachtet werden, auf Platz 40 im internationalen Ranking und damit vor namhaften europäischen Konkurrenten wie Standard Chartered (41), Société Générale (49), Santander (51) und UniCredit (52).[5] Bei der Deutschen Bank fallen zudem rund 1,5 Milliarden US-Dollar (der insgesamt 3,4 Milliarden US-Dollar) auf, die in Form von Krediten und Underwriting-Mandaten an expandierende Kraftwerksbetreiber flossen.

Banken aus nur sechs Ländern sind verantwortlich für 86% der gesamten Bankenfinanzierung für die Kohleindustrie. Besonders fallen hier Kanada und Großbritannien als Gründer der Powering Past Coal Alliance auf.

3. Führende Investoren in die Kohleindustrie

Über 4.900 institutionelle Investoren, insbesondere US-amerikanische, hielten mit Stand November 2021 Aktien- und Anleihen von Unternehmen der globalen Kohleindustrie im Wert von insgesamt über 1,2 Billionen US-Dollar. Hiervon entfielen alleine 17% auf BlackRock und Vanguard, mit respektive 109 und 101 Milliarden US-Dollar. BlackRock und Vanguard sind beide Mitglieder der Net Zero Asset Manager Initiative. Im globalen Ranking folgen dann die US-Häuser Capital Group und State Street; der japanische Government Pension Investment Fund belegt Platz 5.

Insgesamt investierten 147 deutsche institutionelle Investoren zum Untersuchungszeitpunkt 21,6 Milliarden US-Dollar in die globale Kohleindustrie. Die Allianz-Gruppe schafft es mit 9,4 Milliarden US-Dollar (davon 6,4 Milliarden US-Dollar von Pimco) auf Rang 20 der internationalen Investoren. Die Deutsche Bank liegt wegen ihrer Tochter DWS mit rund 8 Milliarden US-Dollar international auf Rang 28. Mit großem Abstand folgt der dritte große deutsche Fondsanbieter Deka mit 1,6 Milliarden US-Dollar.

4. Führende Investoren in Expansionisten der Kohleindustrie

Laut der Recherche waren zudem mit Stand November 2021 über 469 Milliarden US-Dollar – sprich 38% der insgesamt 1,2 Billionen US-Dollar – in Aktien und Anleihen von expandierenden Kohleunternehmen entlang der Wertschöpfungskette investiert. Der führende Investor in die Expansionisten war BlackRock mit über 34 Milliarden US-Dollar. Allein die Kohlekraftwerksentwickler in dem BlackRock-Gesamtportfolio planen den Bau von über 200 GW an neuer Kohlekraftwerkskapazität. Dies entspricht der Kohlekraftwerkskapazität der aktuellen Flotte von Russland, Japan, Indonesien, Polen und Deutschland zusammen.

Auch deutsche institutionelle Investoren investierten in expandierende Kohlekraftwerksentwickler. Führend hierbei waren die Allianz-Gesellschaften mit 1,5 Milliarden US-Dollar (entspricht Ausbau um 176.391 MW) und die Deutsche Bank mit DWS mit 1,1 Milliarden US-Dollar (entspricht Ausbau um 193.133 MW ) zum Untersuchungszeitpunkt.

Yann Louvel, Leitender Analyst für Richtlinien von Finanzinstitutionen bei Reclaim Finance: „Trotz der Flut an Net Zero Alliances und sonstigen klima-bezogenen Verpflichtungen, trotz der vollmundigen GFANZ-Ankündigung in Glasgow stehen rund 40% der Investoren weiterhin hinter den Expansionisten der Kohleindustrie. Gerade die beiden Institute BlackRock und Vanguard haben mehr Verantwortung für die sich beschleunigende Klimakrise als jeder andere institutionelle Investor der Welt. Es muss jetzt gehandelt werden: Expansionisten der globalen Kohleindustrie dürfen nicht mehr unterstützt werden und Finanzinstitute müssen Kohlerichtlinien einführen, die sich strikt an dem 1,5-Gradziel orientieren.“

Julia Dubslaff, Finanzresearcherin bei urgewald: „Die hohen Kohleinvestitionen bei der Allianz enttäuschen. Ihre Vermögensverwalter Pimco und AGI verhageln der Allianz die klimafreundliche Bilanz – höchste Zeit, gerade bei Pimco aufzuräumen! Auch bei der Deutschen Bank passen Selbstbild und Finanzierungen nicht zusammen. Die Bank rühmt sich ihrer Nachhaltigkeit und sagt, dass sie die Transformation von Unternehmen begleiten will, finanziert aber nach wie vor Unternehmen, die immer noch neue Kohleminen oder -kraftwerke bauen wollen, was das Gegenteil von klimafreundlicher Transformation ist."

Ganswindt resümiert: „Seit Jahren warnen UNFCCC, UNEP, der UN Generalsekretär und sogar die Internationale Energieagentur, dass es keine weitere Expansion der fossilen Energiebranche und damit insbesondere auch der Kohlebranche geben darf, damit wir das 1,5-Gradziel nicht verfehlen. Jedes Finanzinstitut, das dies nicht anerkennen will, sollte von allen Seiten unter Druck gesetzt werden: nicht nur von der Zivilgesellschaft, sondern auch von Regulatoren, Kunden und progressiven Investoren.“


Die Daten zu der Finanzrecherche (und ihrer Methodik) können hier abgerufen werden: coalexit.org/finance-data

[1] Bei Underwriting unterstützen die Banken ihre Firmenkunden dabei, neues Kapital an den Finanzmärkten aufzunehmen, indem sie in ihrem Namen neue Anleihen oder Aktien auflegen und verkaufen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /