©  NakNakNak auf Pixabay / EU-Kommission in Brüssel
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EU-Klimaziele: Mindestens 55-Prozent-Beschluss "notwendig, um Klimakrise zu verhindern"

EU-Kommission legt konkrete Pläne bis Sommer 2021 vor - Verhandlungen mit EU-Parlament starten

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf ein gemeinsames Klimaziel geeinigt, bis 2030 müssen die jährlichen Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent verringert werden. Mit dem European Green Deal geht die EU damit weitere Schritte am Weg zur Klimaneutralität 2050. Die EU-Kommission wird nun bis Sommer 2021 detaillierte Pläne zur Umsetzung dieser Ziele vorlegen.

"Diese Einigung ist ein dringend notwendiger Schritt, um die Klimakrise abzuwenden. Jetzt müssen dem Beschluss Taten folgen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, es gibt keine Ausreden mehr. Das bedeutet auch: Es sind nun alle Mitgliedstaaten gefordert, ihren Beitrag zu leisten", so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Nach der Einigung, die gestern erfolgte, werden im nächsten Schritt die Trilog-Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufgenommen. Das Parlament hat eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 60 Prozent gefordert.

"Die Einigung im Europäischen Rat gibt die Richtung vor. Jetzt ist klar, dass der Wiederaufbau nach der Coronakrise grün sein muss. Wir werden unsere Industrie bei der Transformation unterstützen, wir werden unseren Verkehr umweltfreundlich umbauen und wir werden unabhängig von Energieimporten aus dem EU-Ausland. Europa wird ein besserer Kontinent", sagt Gewessler.

Greenpeace: 55 Prozent Nettoziel ist unzureichender Kompromiss

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisiert die beschlossene Erhöhung des EU-Klimaziels als unzureichenden Kompromiss auf Kosten der kommenden Generationen. Erstmalig umfasst die Zielsetzung auch Klimagase, die in Wäldern und anderen "Senken" gespeichert werden und drückt so die tatsächlich mögliche Reduktion auf magere bis zu minus 50,5 Prozent. Von der wissenschaftlich als notwendig anerkannten Reduktion um 65 Prozent bleibt die EU somit weit entfernt. Diese wäre jedoch notwendig, wollen wir das Pariser Klimaziel einer Begrenzung der globalen Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad noch erreichen.
"Die Wissenschaft ist unmissverständlich - 55 Prozent Netto-Reduktion sind unzureichend, um der Klimakrise die Stirn zu bieten. Österreichs Rolle in der Entschlussfindung ist dabei besonders bitter. Die Bundesregierung hat sich dazu verpflichtet, eine ambitionierte Klimapolitik in Europa voranzutreiben. Das heute beschlossene Ziel von minus 55 Prozent Netto-Emissionen, das Sebastian Kurz unterstützte, ist ein fauler Kompromiss auf Kosten der kommenden Generationen und alles andere als ambitioniert. Das Netto-Ziel bedeutet eine deutliche Aufweichung, sodass die tatsächliche Reduktion der realen Emissionen lediglich bei 50,5 Prozent liegen könnte. Von dem was die Wissenschaft fordert, nämlich nicht weniger als 65 Prozent Reduktion bis 2030, sind wir somit in Europa nach wie vor weit entfernt", warnt Adam Pawloff, Klimaexperte bei Greenpeace in Österreich.

Die Umweltorganisation VIRUS begrüßt den unter forcierter Mitwirkung Österreichs erzielten EU-Ratsbeschluss, das Treibhausgasreduktionsziel bis 2030 von 40 auf 55% zu erhöhen. Sprecher Wolfgang Rehm: "Da Österreich in den letzten 30 Jahren

Die Umweltorganisation VIRUS begrüßt den unter forcierter Mitwirkung Österreichs erzielten EU-Ratsbeschluss, das Treibhausgasreduktionsziel bis 2030 von 40 auf 55% zu erhöhen, deren Sprecher Wolfgang Rehm meint: "Da Österreich in den letzten 30 Jahren aber nicht einmal 5% sondern effektiv gar nichts reduzieren konnte müssen nun wirklich Taten folgen und sind alle Register zu ziehen. Dies reicht von rascher Einführung von lenkenden CO2-Steuern bis zur Eliminierung kontraproduktiver Subventionen. Im zentralen Verkehrsbereich ist ein flächendeckendes ÖV-Angebot und eine Streichung der besonders klimaschädlichen Autobahnneubauprojekte unverzichtbar."

Diese betreffe insbesondere die S1- Lobauautobahn und die S8-Marchfeldschnellstraße. Gemeinsam mit andern Neubauvorhaben würde sonst der Grundstein für kurz und langfristig induzierten Neuverkehr und die Emissionszuwächse der Zukunft gelegt. Daneben brauche es Begleitmaßnahmen wie rasch wirksame Tempolimits und deren technisch gewährleistete Einhaltung im motorisierten Individualverkehr und rasche Ausrollung eines Programms für einen öffentlichen Verkehr mit Transportgarantie für jede Gemeinde Österreichs, auch wenn das zusätzliche Milliarden kosten werde. "Nur so können eine Umorganisierung des Pendlerpauschales und massive Ökosteuern auch eine Lenkungswirkung anstatt lediglich eine ausweglose Pönalisierung erzielen", erläutert Rehm. Ziel müsse sein, dass niemand mehr auf das Auto angewiesen ist. "Wenn wir uns bewusst sind dass auch die nun beschlossenen Klimaziele noch nicht ausreichen, dann wird klar, welche Mammutaufgabe vor uns liegt," so Rehm. Neben dem unvermeidlichen Umbau der Wirtschaft bei dem es naturgemäß auch fossile Verlierer geben werde, müssten die Anstrengungen dort fokussiert werden wo die Serienniederlagen der ohnehin nicht ambitionierten Österreichischen Klimaschutzpolitik - nachzulesen in jedem Klimabericht - ihre Hauptursachen hätten und da würde dem Verkehr ein negativ auffallendes Alleinstellungsmerkmal zukommen. "Es darf daher gerade in diesem Bereich keine Tabus und Glasstürze mehr geben wenn wir in zehn Jahren um 55% runterkommen und letztendlich klimaneutral werden wollen, die Altbetonzeit muss vorbei sein," so Rehm.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /