© Foto Flausen / Gemeinwohl-Bilanz-Unternehmen aus dem Bundesland Salzburg stellen die Notwendigkeit verantwortungsvollen Wirtschaftens in den Mittelpunkt
© Foto Flausen / Gemeinwohl-Bilanz-Unternehmen aus dem Bundesland Salzburg stellen die Notwendigkeit verantwortungsvollen Wirtschaftens in den Mittelpunkt

Gemeinwohl-Bilanz-Unternehmen in Salzburg im Kommen

Die Coronakrise verstärkt die Notwendigkeit verantwortungsvollen Wirtschaftens und den Sinn einer Wertebilanz

Salzburg - Gute Beispiele vor den Vorhang, so die Idee. Derzeit legen 28 Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz und zeigen, wie gelebte Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) in der Praxis aussieht. Salzburg hat damit österreichweit einen hohen Stand an Unternehmen, die freiwillig zur Finanzbilanz auch eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen und damit dokumentieren, wie gelebte Nachhaltigkeit in der Praxis aussieht. Diese spezielle Bilanz dient als 360-Grad-Nachhaltigkeitsinstrument zur langfristigen, strategischen Ausrichtung. Erstbilanzierende haben erstmals eine Wertebilanz und eine umfassende Ist-Analyse erarbeitet und können ihre soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung durch gezielte Maßnahmen stärker wahrnehmen.

Darüber hinaus erfüllt die Gemeinwohl-Bilanz –wie in einem juristischen Gutachten (Institut für Umweltrecht an der Johannes Kepler Universität) bestätigt –die formalen Vorgaben weitestgehend, bei den zu berichtenden Inhalten geht die GW-Bilanz deutlich über die gesetzlichen Anforderungen hinaus.

Softfacts werden damit zu vergleichbaren und geprüften Hardfacts

Bei Fahnen-Gärtner aus Mittersill, Österreichs größtem und nachhaltigstem Fahnenproduzenten, steht ökologische und soziale Verantwortungsübernahme seit vielen Jahren am Programm.

Warum das Unternehmen zusätzlich zu anderen Berichten –wie z.B. nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex –seine erste Gemeinwohl-Bilanz erstellt hat, erklärt Geschäftsführer Gerald Heerdegen auf folgende Art: „Durch die Gemeinwohl-Bilanz werden Softfacts wie Haltung und Werte einer Firma zu geprüften und kategorisierten Hardfacts. Eine gelebte Unternehmenskultur kann damit branchenübergreifend vergleichbar präsentiert werden.“

Er schätzt die klare Struktur und Übersichtlichkeit dieser Werte-Bilanz: Bereits getätigte Maßnahmen machen stolz, neue Handlungsfelder werden sichtbar und ermöglichen ein fokussiertes Weiterentwickeln in die gewünschte Richtung.


Unternehmen nicht nur nach Gewinnen beurteilen

Seppi Sigl, der in achter Generation die Trumer Privatbrauerei führt, meint: „Ich stehe dafür ein, dass Unternehmen in Zukunft nicht nur nach Gewinnen beurteilt werden,sondern auch nach ihrem sozialen und ökologischen Engagement. „Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein konstruktiver Ansatz, wie dies gelöst werden kann. Deswegen haben wir zum zweiten Mal bilanziert.“

Die inhabergeführte Privatbrauerei nimmt sich die Freiheit, Bier nach ihren eigenen Wertvorstellungen zu brauen. Davon profitieren alle Beteiligten: Von den Hopfen-Lieferant*innen über die langjährigen Mitarbeitenden bis hin zu den Anrainer*innen in der Flachgauer Gemeinde Obertrum. „So tragen wir mit unserem persönlichen Engagement zu einer sozial-ökologischen Veränderung der Markwirtschaft bei,“ unterstreicht der Privatbrauer.


Breite Bewusstseinsbildung bei den Mitarbeitenden

„Wir haben unglaublich viel gutes und offenes Feedback auf unsere erste Gemeinwohl-Bilanz bekommen, und sie hat sich als praktikables Instrument für unsere werteorientierte Strategie erwiesen“, berichtet Daniela Gmachl, kaufmännische Leiterin der ARGEkultur. „Da war es ein logischer Schritt, zu rebilanzieren“.

Die ARGEkultur, das größte unabhängige Kulturzentrum Salzburgs,ist geprägt von flachen Entscheidungs-und Handlungsstrukturen und einem hohen Maß an Selbstverantwortung und Selbstbestimmung. Im Unterschied zur ersten Bilanz, die im Führungsteam erstellt wurde, konnten die Mitarbeitenden bei der zweiten Gemeinwohl-Bilanzierung aktiv am Prozess teilnehmen. Das erhöhte das Bewusstsein, was gelebte Gemeinwohl-Orientierung in einem gemeinnützigen Kulturbetrieb bedeutet und wie alle diese Leitidee umsetzen können.


Anders Denken in Coronazeiten

„Würden alle Unternehmen neben der Finanzbilanz schon eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen, gäbe es viele Probleme nicht, die jetzt in der Corona-Krise verstärkt sichtbar werden“, ist Reinhard Weinmüller von St. Virgil Salzburg überzeugt. Der Wirtschaftsdirektor des Bildungszentrums meint damit z.B. Abhängigkeiten von globalen Lieferant*innen, Missstände bei der Beschäftigung von Mitarbeitenden oder komplizierte Verfahren bei der Vergabe von Krediten. Stattdessen gäbe es eine starke, regionale Wirtschaft, menschenwürdige Arbeitsverhältnisse in den Betrieben bzw. kreative, alternative Finanzierungsmodelle wie Crowdfunding.20

Good Practices

Gemeinsam zeigen die Unternehmen anhand von 20 GoodPractices auf, wie ganzheitlich die Gemeinwohl-Bilanz das unternehmerische Tun abbildet. Darüber hinaus eignet sie sich für unterschiedlichste Branchen, Unternehmensformen und -größen. Ob regionaler Einkauf, Gemeinwohlkonto, faire Entlohnung, Elektrofahrzeuge für Hotelgäste oder energieeffiziente Umbauten mit Naturmaterialien.

„Diese 360-Grad-Rundumschau ist in ihrer Umfassendheit einzigartig. Alle sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeitsthemen bekommen ihren guten Platz“, so die 20 Unternehmen unisono.


Neue Workshopreihe ab Herbst 2020

Miteinander statt gegeneinander ist für die Unternehmen das Motto beim Erstellungsprozess der Gemeinwohl-Bilanz. Möglich macht das die GWÖ-Berater*innengruppe Salzburg: Sie veranstaltet laufend Workshopreihen für Erstbilanzierende und Rebilanzierende. Isabella Klien, Koordinatorin der Salzburger GWÖ-Berater*innen, beschreibt den Nutzen für die Betriebe folgendermaßen: „Eine bereichernde Erfahrung im Rahmen der Bilanzierungsworkshops sind die Betriebsbesichtigungen bei den teilnehmenden Betrieben. Da kannGemeinwohl-Orientierung hautnah erlebt werden und ein fruchtbarer Austausch stattfinden.“

Die nächsten Workshopreihen starten im Herbst. Interessierte Unternehmen können sich auf der Website salzburg.ecocood.org über die Termine informieren und sich per E-Mail zu vorgelagerten Info-Nachmittagen anmelden.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /