© 526663 - pixabay.com
© 526663 - pixabay.com

Deutsche Braunkohleunternehmen profitieren vom Frühverrentungsprogramm

Geplante staatliche Regelung erspart ihnen 1,7 Milliarden Euro, führt aber nicht zu schnellerem Beschäftigungsabbau. Eine Studie auf Basis der Sozialversicherungsdaten.

Berlin - Das im Zuge des Kohle-Kompromisses angedachte „Anpassungsgeld Braunkohle“ ist ein verkapptes Milliardengeschenk des Staates an die Wirtschaft. Das belegt in einer Studie ein Forscherteam des Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und der Denkfabrik IAB der Bundesagentur für Arbeit. „Schon heute bieten die Braunkohle-Unternehmen auf eigene Kosten Frühverrentungsprogramme an, die die Unternehmen unter realistischen Annahmen 1,7 Milliarden Euro bis zum Enddatum des Kohleausstiegs im Jahr 2038 kosten würden“, berichtet MCC-Forscher Luke Haywood. „Die Steuerzahler würden diese Kosten übernehmen, wenn das Anpassungsgeld, über dessen Details gerade verhandelt wird, vom Staat finanziert wird – der sozialverträgliche Beschäftigungsabbau würde aber laut unseren Schätzungen nicht beschleunigt.“

Die Studie basiert auf den amtlichen Sozialversicherungsdaten von aktuellen und ehemaligen Braunkohle-Beschäftigten in ganz Deutschland. Das Forscherteam von MCC und IAB ermittelte daraus die Altersstruktur der aktuell Beschäftigten sowie die Frühverrentungen im Zeitraum 2010 bis 2017. Die Daten zeigen, dass Beschäftigte in der Braunkohle außergewöhnlich früh in den Ruhestand gehen und die Frühverrentung schon heute fast universell ist. Im Rheinland und in der Lausitz gehen mehr als die Hälfte der Braunkohle-Beschäftigten vor 58 in Rente. Bei solchen Frühverrentungen entstehen Unternehmen zusätzliche Kosten, analog zu Abfindungen. Das daraus hochgerechnete Szenario „betrieblicher Vorruhestand“ ergibt bis 2038 von den Unternehmen finanzierte Frühverrentungskosten von 919 Millionen Euro im Rheinland, 596 Millionen Euro in der Lausitz und 185 Millionen Euro in Mitteldeutschland.

Das Szenario „staatlicher Vorruhestand“ hingegen geht von dem Vorschlag der Kohlekommission aus: Beschäftigte ab 58 Jahren erhalten fünf Jahre ein monatliches Anpassungsgeld in Höhe von 85 Prozent ihres vorherigen Lohns. Das kostet dann bis 2038 rund 2,8 Milliarden Euro. „Die Beschäftigten profitieren wenig vom Anpassungsgeld. Man sollte alternative Instrumente prüfen“, empfiehlt Haywood. „So könnte die Bundesagentur für Arbeit die Entgeltsicherung, die sie bisher branchenübergreifend älteren Arbeitslosen anbietet, zusätzlich Beschäftigten jeden Alters anbieten, die aus der Braunkohle ausscheiden. Dies könnte auch gutbezahlten Beschäftigten aus der Braunkohle eine Perspektive jenseits von Frühverrentung oder Arbeitslosengeld ermöglichen und gleichzeitig den Fachkräftemangel in anderen Branchen der betroffenen Regionen abmindern.“

Über das MCC

Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie globalen Umweltsystemen und sozialen Infrastrukturen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Unsere sieben Arbeitsgruppen forschen zu den Themen Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).



Weitere Informationen:

Haywood, L., Janser, M., Koch, N., Plinke, C., 2019, Gewinner und Verlierer eines staatlichen Vorruhestands für die Braunkohle, MCC Working Paper 1/2019


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /