© Hans Braxmeier - pixabay.com / Effiziente Gebäudesanierung macht Sinn
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Paris-Jubiläum Klimaabkommen: Klimapolitik ist noch auf der Kriechspur

Koalitionsgespräche: Österreich ist unter Zugzwang- Ernsthafter Klimaschutz braucht ambitionierte Ziele, konkrete Maßnahmen und Budgets

Heute, genau zwei Jahre nach dem Abschluss des Klimaabkommens von Paris, findet auf Einladung des französischen Präsidenten Emanuel Macron ein hochrangiger Klimagipfel in Paris statt, bei dem weitere Schritte zur Verhinderung einer globalen Klimakatastrophe besprochen werden sollen.

Aus diesem Grund fordert der WWF Österreich die Koalitionsverhandler auf, ihr Energie- und Klimaprogramm noch nachzubessern. Nur dann kann die neue Bundesregierung dem rechtlich bindenden Beschluss des Parlaments zur Umsetzung des Vertrages gerecht werden. "Die Chefverhandler Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache müssen das Finale ihrer Gespräche nützen, um die Energiewende voranzubringen und zugleich die Natur zu schützen. Statt reiner Symbolpolitik braucht es ein ambitioniertes Programm mit konkreten Zielen, Maßnahmen und Budgets", sagt Hanna Simons, Leiterin der Natur- und Umweltschutzabteilung des WWF. Zudem müssten noch etliche Widersprüche im Koalitionspapier aufgelöst werden. "Wer Umweltschutz ernst nimmt, darf keine umweltschädlichen Großprojekte forcieren und Bürgerbeteiligungsrechte aushebeln", verweist Simons auf die umstrittene Staatszielbestimmung und andere Pläne im Infrastrukturkapitel der Koalition und fordert eine klare Entscheidung.

"Bisher lässt die Koalition völlig offen, wie Energie sparsamer eingesetzt und Ökostrom naturverträglich ausgebaut werden soll. Gerade die Bekenntnisse zum Pariser Abkommen und zu 100 Prozent Erneuerbarem Strom bleiben Marketing-Folklore, solange keine konkreten Projekte auf Schiene gebracht werden", betont Karl Schellmann, Energie- und Klimasprecher des WWF. "Daher muss diese Regierung ein Gesamtkonzept bis 2050 entwerfen, das alle Sektoren umfasst sowie Naturschutz und soziale Aspekte mit berücksichtigt weil Strom, Wärme, Mobilität und Industrie eng vernetzt sind. Auch die Wirtschaft will völlig zu Recht Planungs- und Investitionssicherheit, um Arbeitsplätze in Österreich sichern zu können", so Schellmann. Inzwischen haben weltweit alle Staaten das Pariser Abkommen unterzeichnet, Klimaschutz ist zum globalen Megatrend geworden, was insbesondere für die stark exportorientierte österreichische Wirtschaft entscheidend ist.

Weg mit umweltschädlichen Subventionen- stattdessen Steuersystem ökologisieren

Darüber hinaus fordert der WWF, dass das gesamte Steuer- und Abgabensystem auf Klimaschutz getrimmt werden muss. "Umweltschädliche Subventionen müssen endlich abgeschafft und die lange versprochene Ökologisierung des Steuersystems umgesetzt werden", sagt Schellmann. Parallel brauche es einen schrittweisen Ausstieg aus allen fossilen Energien in den Bereichen Mobilität, Gebäude und Kraftwerks-Infrastruktur. "Immer mehr Staaten schaffen es, die Treibhausgasemissionen effektiv zu senken, während Österreich seit Jahrzehnten auf der Stelle tritt. Umso mehr ist die neue Bundesregierung gefordert, die Chancen des Klimaschutzes aktiv zu nützen", fasst Hanna Simons zusammen.
Auch die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 sieht die kommende Bundesregierung unter starkem Zugzwang: „Laut Europäischer Umweltagentur gehört Österreich zu den sieben Ländern in der EU, die ihre 2020-Klimaziele verfehlen werden, wenn nicht nachgebessert wird. Die nächste österreichische Bundesregierung muss deshalb die Umsetzung von Klimaschutz und Energiewende zu einem der zentralen Projekte machen. Die wichtigsten Überschriften wurden bereits präsentiert, jetzt braucht es einen straffen Zeitplan für die Detailarbeit und ausreichend Budget, damit wichtige Vorhaben auch tatsächlich umgesetzt werden können“, meint dazu Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000.

In den bisher vorgestellten Eckpunkten im Umweltkapitel wurde angekündigt, dass Österreich eine Klima- und Energiestrategie erarbeiten wird, dass Österreich bis 2030 auf 100 % Ökostrom setzen will, dass es Förderungen für thermische Sanierung weiter geben wird, ein schnellerer Kohleausstieg kommen soll, der Klimafonds ein strategisches Instrument zur Umsetzung bleibt und ein Maßnahmenpaket für saubere Mobilität ausgearbeitet werden soll. In diesen "Überschriften" sind zwar wichtige Themen enthalten, aber auf eine rasche Umsetzung ist ein Muss: „Wir müssen rasch handeln, weil uns die Versäumnisse der letzten Jahre bereits erheblich belasten. Eine Klima- und Energiestrategie hat nur dann einen Mehrwert, wenn sie den Weg zum Ausstieg aus fossiler Energie tatsächlich festlegt und nicht nur Allgemeinplätze bedient. Es braucht dazu schnellstmöglich ein neues Ökostromgesetz, 300 Mio. Euro für thermisch-energetische Sanierung, den Kohleausstieg aus der Stromerzeugung spätestens bis zum Jahr 2020 und das angekündigte Maßnahmenpaket für saubere Mobilität muss auch bereits im Jahr 2018 geschnürt werden, wenn es rechtzeitig wirksam werden soll“, betont Wahlmüller.

Eine tatkräftige Umsetzung bringt gleichzeitig immens viele Chancen: Derzeit arbeiten 70.000 Beschäftigte etwa im Bereich erneuerbarer Energien, bei der thermisch-energetischen Sanierung oder dem Bau von Niedrigstenergie- und Passivhäusern. Bei ambitionierter Umsetzung könnten es in wenigen Jahren schon doppelt soviele Beschäftigte sein. Damit kann sich Österreich außerdem unabhängig von fossilen Energielieferungen in Milliardenhöhe machen. Pro Jahr werden etwa zehn Mrd. Euro für fossile Energieimporte bezahlt. Dazu kommt, dass Österreich hohe Klimaschäden zu befürchten hat, wenn wichtige Klimaschutzmaßnahmen verschleppt werden. Bis zu 8,8 Mrd. Euro an Schadenskosten kommen auf Österreich zu, wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird. „Österreich hat höchstes Eigeninteresse an der Vermeidung einer globalen Klimakatastrophe und kann mit dem Umbau unseres Energie- und Mobilitätssystems viel gewinnen. Die notwendigen Veränderungen müssen jetzt rasch und konsequent und unter stärkstmöglicher Beteiligung der Bevölkerung umgesetzt werden“, ist Wahlmüller überzeugt.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /