© MH Abbildung 1 - geladene Energie, gefahrene Kilometer
© MH Abbildung 1 - geladene Energie, gefahrene Kilometer

Ein Leserbrief an den ÖAMTC

Der ÖAMTC hat einen Bericht über ein Elektroauto gebracht- ganz offensichtlich nicht sachlich, wie einer unserer OEKONEWS-Leser aufzeigt!

© MH/  Abbildung 2 - Kostenvergleich Elektro vs. Diesel
© MH/ Abbildung 2 - Kostenvergleich Elektro vs. Diesel
© MH/ Abbildung 3 - Verteilung gefahrener Strecken
© MH/ Abbildung 3 - Verteilung gefahrener Strecken
© MH/ Abbildung 4 - Verbrauch Wh/km im Bezug zur Jahreszeit
© MH/ Abbildung 4 - Verbrauch Wh/km im Bezug zur Jahreszeit

Im Bericht ‘Bis zum letzten Ruckler’ meint der ÖAMTC, in der ÖAMTC- Clubzeitung Auto Touring Ausgabe Dezember 2014. eine E-Auto-Batterie würde nach drei Jahren 17 Prozent Kapazität verlieren.

Dazu nun ein Leserbrief eines versierten E-Mobilisten, der sich seit mehreren Jahren mit E-Mobilität beschäftigt.

Lieber ÖAMTC, liebe Auto Touring-Journalisten,

in ihrer Dezember-Ausgabe des Auto Touring berichten sie auf Seite 25 in knappen 20 Zeilen einer Viertelseite über das Testergebnis eines von euch zu Testzwecken genutzten Mitsubishi iMieV. Dabei wird nach allen nicht vorhandenen journalistischen Regeln vorgegangen und nur das allerwichtigste berichtet. Plakativ wird dem Leser vermittelt,

dass man ein E-Auto wie den iMieV nach knapp 3 Jahren quasi entsorgen kann oder einen sündteuren Tauschakku kaufen muss. Schlussfolgerung für den Leser: E-Autos sind unbrauchbar - Finger weg!

Der Artikel ist keine objektive Berichterstattung wie sie sich gerne rühmen - siehe dazu ihre Antwort auf mein Facebook-Posting auf ihrer Seite (zugegebenermaßen mit etwas Emotion entstanden).


Objektivität ihrerseits hätte bedeutet, dass sie auch die Rahmenbedingungen erklären, die zu diesem Kapazitätsverlust führten und sei es nur in einer kurzen Aufzählung. Kein Wort im Artikel über die gefahrene Kilometerleistung! Interessanterweise hat ihr Kollege für den Internetartikel offenbar die Zahl 40.000 vorliegen gehabt. Aus welchem Grund diese Angabe nicht in den Printartikel gefunden hat erschließt sich mir nicht. Kein Wort in welchem Umfeld das Fahrzeug bewegt wurde! Und schlussendlich ist es nicht unerheblich wie ihre Fahrer im täglichen ÖAMTC-Bedienstetentag damit umgegangen sind, wie häufig wechselten die Fahrer und wie oft haben sie es sensationell geil gefunden an der Ampel als erster los zu rauschen. Das kann man übrigens feststellen, wenn man die Verbräuche nach jeder Fahrt bzw. nach jeder Ladung notiert. Man kann den iMieV mit unter 13 kWh/100 km fahren, als auch mit über 20 kWh eine Menge Kavalierstarts hinlegen. Letzteres ist verständlicherweise nicht das Beste für den Akku. Wurden diese Aufzeichnungen gemacht? Wenn nein, ist jedes weitere Wort unerheblich.

Als größere Frechheit empfinde ich es aber, dass sie unverblümt dem Leser den Schluss ins Ohr legen, das dieses Ergebnis eines Serienfahrzeugs der ersten Generation von vor über 4 Jahren auch bei allen anderen Herstellern so sei, weil sie ja ähnliche Technologien verwenden. Sehr objektiv! Bravo!

Möglicherweise verwenden andere Hersteller ähnliche Li-Ionen-Akkus. Ein Vergleich verwendeter Technologien und Materialien mit Schlussfolgerung daraus ist aber nicht die Aufgabe eines Journalisten oder eines ÖAMTC-Technikers, sondern die Aufgabe unabhängiger Wissenschaftler. Denn da muss man schon auch die Effizienz, ausgeklügelten Akku-Managementsysteme, sowie verwendete Bauformen und chemischen Zusammensetzungen der Akkus und ein paar weitere Randbedingungen mit einbeziehen. Mancher Hersteller macht nur grad das notwendigste, andere bemühen sich in ihrem System, die Dummheiten der Anwender bzw. Fahrer vorwegzunehmen. Was uns wieder zu den oben angeführten Punkten führt - in den knapp 4 Jahren gibt es sonst keine interessanten Rahmenbedingungen zu erwähnen, die das Ergebnis erklären?

Als Autofahrer-Club wissen sie offenbar auch nicht um die täglichen Gewohnheiten ihrer Mitglieder. Wie kommt es sonst, dass sie ihnen noch immer zu 98 % Testberichte von überdimensionierten, überteuerten und umweltzerstörenden Stahlungetümen zumuten? Es ist so als würden sie vergleichsweise noch immer Testberichte zum Philips Fizz bringen, obwohl der Markt schon wesentlich modernere Geräte wie das iPhone bietet. Auch beim Auto gibt es schon modernere, effizientere und ökonomisch als auch ökologisch wesentlich besser verträgliche Technologie.

Eine gute Quelle für Praxisberichte zum Thema E-Mobilität sind jene rund 3.000 E-Autofahrer in Österreich und es werden schnell immer mehr. Diese können ihnen aus tatsächlich gelebter Praxis und ohne permanente Beschleunigungsorgien berichten, wie sie mit der aktuell verfügbaren Technik zurande kommen und ihren Alltag damit problemlos bewältigen. Wie viel öffentliche Infrastruktur tatsächlich benötigt wird und ob die Ladezeit unserer ‘Stehzeuge’ tatsächlich im Leben relevant ist.

Wie sie sehen geht es mir weniger um das in ihrem Artikel dargestellte Ergebnis selbst. Das wird schon nach bestimmten Methoden und Regeln der Mathematik passen und nachvollziehbar sein. Ihr Angebot aus dem Facebook-Posting mir detailliertere Daten und Infos zu dem Test zukommen zu lassen, nehme ich gerne an. Bitte an diese E-Mail. Ich möchte mir gerne selbst ein Bild davon machen, wie diese Datenreihen zustande kamen und wie sie interpretiert wurden.

Damit sie eine Ahnung davon bekommt, wie man elektrisch seit über drei Jahren und 90.000 Kilometern durch den Alltag fährt, ohne dass man irgendwo liegen bleibt, ohne dass man permanent nach öffentlicher Infrastruktur sucht und ohne dass man sein Wohlverdientes nach Russland oder Saudi Arabien schickt, sende ich ihnen ein paar Auszüge aus den aufgezeichneten Werten (letzte Aktualisierung ist ein paar Tage her, aber nichts desto weniger aktuell - (siehe Abbildung 1 - geladene Energie, gefahrene Kilometer).

Daraus ergibt sich ein Gesamtschnitt der geladenen Energie von 212,5 Wh/km, Sommer wie Winter, mehrere Europadurchquerungen, über Berg- und Tal, hunderte Test- und Beschleunigungsfahrten und nebenbei der alltägliche Weg als Pendler nach Wien. In Diesel ausgedrückt wären das rund 1.846 Liter Diesel zum aktuellen Preis von EUR 1,20 ca. 2.215 Euro. Bei einem Durchschnittsverbrauch von 5,5 Liter wären sie damit gerade mal rund 33.560 Kilometer weit gekommen - also nur 38 % meiner Strecke. Huii, sehr effizient das Teil, oder? Ach, und mit 70 % des Diesels haben sie nebenbei die Umwelt aufgeheizt.

Zur Darstellung der Verbrauchswerte im Vergleich zu einem Dieselfahrzeug mit einem Durchschnitts-verbrauch von 5,5 Litern und den durchschnittlichen Dieselpreisen der jeweiligen Jahre 2011 bis 2014, folgendes Diagramm (Abbildung 2 - Kostenvergleich Elektro vs. Diesel)

Zur Legende:

E-B2W - Kosten in Euro Battery to Wheel, also aus dem Akku entnommene kWh bewertet zum Haushaltsstrompreis

E-W2W - Kosten in Euro Wall to Wheel, also inkl. der Ladeverluste entnommene Energie aus dem Netz bewertet zum Haushaltsstrompreis. Die Ladeverluste betragen in etwa 20 % - bieten noch Effizienzpotential, sind aber aktuell kein Problem wenn man den ökonomischen als auch ökologischen Vorteil sieht und mit einbezieht. Die Technologie entwickelt sich stetig weiter und wird immer besser, wobei sie ja mit Wirkungsgraden jenseits von 80 - 90 % jenem des Verbrenner-antriebsstrangs weit überlegen ist.

E-PV2W - Kosten in Euro von der hauseigenen PV-Anlage to Wheel, also Eigenstromerzeugung mit Umlage der Investitionskosten der Anlage auf die Lebensdauer - ca. 9 Eurocent pro kWh. Da nicht immer die Sonne scheint und nicht immer während des Tages geladen werden kann, ist das das theoretische Optimum - die Wahrheit liegt im Bereich zwischen der gelben und der hellgrünen Linie. Ziel ist auch hier das Optimum zu erreichen - Last- und PV-gesteuertes Laden gibt es bereits.

Diesel - Kosten bei selber Fahrleistung bewertet zu den durchschnittlichen Dieselpreisen der jeweiligen Jahre 2011 bis 2014 gem. Durchschnittspreisermittlung des ÖAMTC.

Das ökonomische Einsparungspotential alleine beim benötigten Treibstoff liegt daher zwischen 50 % bis zu 75 %. Das ist doch etwas was man den Clubmitgliedern kommunizieren kann? In meinem Fall drückt sich das in knapp 3 Jahren mit EUR 5.000,- aus, in 6 Jahren voraussichtlich EUR 10.000,- und nach 9 Jahren in etwa EUR 15.000,-. Dazu kommen dann noch die sonstigen Betriebskosten-einsparungen, wie Motoröl, diverse Filter, Auspuffe und Katalysatoren, defekte Lichtmaschinen, Kühler und Kühlflüssigkeiten, Zündkerzen, Ölwanne, etc.

Mit dieser Einsparung kann ich mir vermutlich in 9 Jahren einen neuen Akku leisten mit 3facher Kapazität und 3facher Reichweite. Aber wozu bräuchte ich 900 Kilometer Reichweite, wenn ich ja doch nur 80 - 100 km pro Tag fahre. Wie man nachfolgender Grafik entnehmen kann, liege ich mit meiner Tageskilometerleistung weit über dem Schnitt eines Durchschnittsösterreichers. (Abbildung 3 - Verteilung gefahrener Strecken)

Auch zum Thema jahreszeitlich abhängiger Verbrauch hab ich eine Statistik parat, siehe nachfolgende Abbildung. Das ist übrigens keine alleinige Eigenschaft eines E-Autos, auch die Verbrenner zeigen jahreszeitlich bedingt andere Verbräuche, nur merkt man halt die 1-2 Liter nicht wirklich. Besser macht das die Verbrennung eines wertvollen Rohstoffes deswegen natürlich nicht. (Abbildung 4 - Verbrauch Wh/km im Bezug zur Jahreszeit)

Gleichzeitig kann man dieser Darstellung gut entnehmen, wie sich das Fahrverhalten geändert hat. Durch immer mehr Erfahrung und bessere Kenntnis der Strecken lässt sich gerade beim E-Auto viel an Einsparung und effizienter Nutzung der Akkukapazität herausholen - Rekuperation und Segelmodus sind eine USP des E-Autos. Was aus dem Auspuff eines Verbrenners rauskommt, kann man nicht in den Tank zurückleiten. Auskuppeln und segeln kann man mit einem Verbrenner auch, aber der Verbrennungsvorgang läuft weiter.

Abschließend möchte ich ein allerletztes Mal den ÖAMTC ersuchen, sich doch endlich zu einem echten Mobilitätsclub zu entwickeln und sich von den althergebrachten Industrien abzunabeln. Objektivität sehe ich anders. Wie die E-Mobilitätsberichte sind auch ihre Berichte über Verbrenner wenig objektiv und ihre Untätigkeit in Sachen Mitgliedervertreter schreit beinah zum Himmel.

Beispiellos ist die Tatsache, dass der Club es nicht für nötig hält auf die Barrikaden zu gehen, bei so viel Lug und Trug der ausgedienten Herstellerindustrie, der auch noch politisch gestützt wird. Zum Beispiel aus eurem Test BMW218D Normverbrauch-Durchschnitt 4,2 Liter - euer Praxiswert 6,4 Liter, hallo?! Das sind 50% Abweichung! Oder der Peugeot 308SW ebenfalls 4,2 Liter - euer Wert 5,7 Liter also rund 35 % mehr. da hat doch der Club jeden Tag auf des Ministers Türschwelle zu stehen und realistische Messwerte und Messmethoden im Gesetz einzufordern!? Wenn die CO2-Werte auch so ermittelt werden, Prost Mahlzeit! Die Kisten werden immer größer, schwerer, breitere reifen, leistungsstärkere Motoren und trotzdem bessere Abgas- und Verbrauchswerte, trotz strenger werdender gesetzlicher Vorschriften?

Wie in meinem Facebook-Posting erwähnt, glaubt ihnen mittlerweile kein Mensch mehr, dass sie nicht von der Hersteller- und Ölllobby einvernahmt sind. Das ist keine Unterstellung, das ist offensichtlich - wenn sie der Meinung sind, dieses Bild stimme nicht, dann rücken sie es doch zurecht? Prangern sie doch mal die Lügen der großen Hersteller ordentlich an! Steigen sie der gesetzgebenden Politik im Namen ihrer Clubmitglieder mal ordentlich auf die Zehen! Unterstützen sie doch endlich proaktiv und ohne Sarkasmus zwischen den Zeilen die Elektromobilität! DAS erwarte ich als zahlendes Mitglied von meinem Club !!

Aber vielleicht ist das ja nur ein großes Missverständnis und es liegt einfach nur an der Qualität des bei ihnen praktizierten Journalismus und den falschen Institutionen, die sie mit fragwürdigen Studien beauftragen und dabei meinen Clubbeitrag verschwenden.

Mit freundlichen Grüßen
MH


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /