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Slowenien: Demokratisierung des Energiesektors

Der Energiesektor verharrt auf dem eingeschlagenen Weg und zwar trotz der Tatsache, dass es sich dabei offensichtlich um einen Irrweg handelt.

In Slowenien gab es in den Jahren 2009 und 2010 eine Diskussion über die Energiezukunft des Landes. Es sollte ein neues nationales Energieprogramm (NEP) angenommen werden, aber die Diskussion darüber schlief bald ein. Erfahrungen von Experten und Entwürfe für das NEP wanderten in die Schublade, der Bau des Kohlekraftwerkes TES 6 wurde unter Nutzung sämtlicher zur Verfügung stehender Mittel durchgedrückt und Schlüsselpositionen im Energiewesen nahe politischer Einflüsse vergeben.

Die Autoren des so ‘versenkten’ neuen nationalen Energieprogramms sind der Ansicht, dass sich das Energiewesen heute an einem Wendepunkt befindet. Slowenien ist energiemäßig ein Land mit sehr hohen Ansprüchen: im Jahre 2008 war der Energiebedarf bzw. –verbrauch je produzierter Einheit um 54 % höher als im Durchschnitt der damals 27 EU-Mitgliedsstaaten. Der Energieverbrauch steigt weiter an, insbesondere bei der Elektrizität und es ist noch nicht gelungen, die Dynamik zwischen Wirtschaftswachstum und dem steigenden Energieverbrauch zu entkoppeln. Gegenwärtig wird etwa ein Drittel des Stroms in Kohlekraftwerken erzeugt.

Negative Auswirkungen der Verbrennung von fossilen Brennstoffen auf die menschliche Gesundheit werden immer deutlicher und sind (in)direkt nachweisbar. Kohle ist eine im höchsten Maße klimaschädigende Energiequelle und Warnungen in Bezug auf die Notwendigkeit der Reduktion von CO² Emissionen aufgrund des Klimawandels sind so deutlich wie nie zuvor. Die Atomkraft hat sich auf globaler Ebene in Form katastrophaler Unfälle eher als Alptraum denn als Retter erwiesen. Die Meinungen im Zusammenhang mit der Nutzung der Atomenergie gehen auseinander, aber es ist eine Tatsache, dass eine hundert-prozentige Sicherheit von Atomkraftwerken niemand garantieren kann. Lösungen für ein langfristige Lagerung von radioaktiven Abfällen gibt es nicht. Dem zum Trotz wird die Lebenszeit des Atomkraftwerks in Krško um 20 Jahre verlängert. Außerdem ist in Slowenien der Bau eines zweiten Reaktorblocks in Vorbereitung. Sämtliches Erdöl und Gas wird importiert, der Preis ist von Slowenien in keinerlei Weise beeinflussbar. Im Jahr 2011 führte Slowenien 48 % seines Energieverbrauchs ein, was bedeutet, dass sehr wesentliche Finanzmittel aus dem Lande abfließen. Die Aussichten für die Zukunft verschlechtern Änderungen auf internationaler Ebene – die zu erwartenden hohen Energiekosten und eine erhöhte Abhängigkeit von Importen verschärfen die Problematik der strategischen Lieferungen von Energie.

Statt auf die angeführten Herausforderungen des Energiesektors zu reagieren, lautet das Rezept der stärksten Player am Markt so: "Wir brauchen mehr Energie und müssen daher mehr Kohle verbrennen und mehr Uran, Erdöl und Erdgas importieren."

Der Energiesektor verharrt am eingeschlagenen Weg, und zwar trotz der bereits klar ersichtlichen Tatsache, dass es sich um einen Irrweg handelt. Die Mehrheit sieht dem schweigend zu und ermöglicht so, dass einige wenige miteinander verbundene Player eine Branche beeinflussen, von welcher die Qualität des Lebens vor Ort abhängt.

Derzeit kümmert sich der Staat vor allem darum, eine ausreichende (elektrische) Energiemenge für die großen Betriebe bereitzustellen. Daher stehen große Objekte, wie z.B. das (umstrittene) Kohlekraftwerk TES 6 in Nordslowenien oder ein neuer Block im südostslowenischen AKW Krško im Vordergrund. Darüber, wer für die Schäden an der Umwelt, für Gesundheitsprobleme der Bevölkerung, für das Unfallrisiko und alle anderen Kosten die Haftung übernimmt und bezahlt, wird nicht laut gesprochen. Diese Projekte werden mit Geldern aus staatlichen Firmen und mittels Bankkrediten aus öffentlichen Mitteln und von der Regierung gewährten Kreditgarantien finanziert. Wenn der Staat öffentliche Finanzmittel in Projekten konzentrieren würde, in welchen Strom und Wärme aus lokal verfügbaren erneuerbaren Energiequellen erzeugt würden, dann hätte jeder etwas davon. Das liegt allerdings nicht im Interesse der Player am Energiemarkt.


Die Energiepolitik ist nichts, was die Mehrheit der Menschen interessieren würde, zumindest nicht, solange in der Steckdose Elektrizität zur Verfügung steht und die Stromrechnung nicht allzu sehr anwächst. Energie ist allerdings die Grundlage für unser Leben und das Funktionieren der ganzen Gesellschaft. Die Energiewirtschaft ermöglicht, dass wir ausreichend geheizte Wohnungen haben, stellt die Beleuchtung sicher sowie die Herstellung von Lebensmitteln, schafft Möglichkeiten der Kommunikation, gewährleistet das Funktionieren der Gebrauchselektronikprodukte, erleichtert die Mobilität und ist Grundlage von Arbeitsgelegenheiten.

In Slowenien konnte mit Hilfe von Protesten dargestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger in einem immer größeren Maße beginnen, sich ihrer aktiven Rolle in der Gestaltung der Gesellschaft bewusst zu werden. Genauso, wie eine Erneuerung des demokratischen Systems und des Rechtsstaates eingefordert wir, sollten bedeutende Änderungen im Energiewesen verlangt werden.

Wir müssen uns entscheiden, ob wir unsere Energiezukunft den großen Konzernen, von denen wir dann im Energiebereich völlig abhängig sind, überlassen, oder ob wir mit einer Demokratisierung des Energiesektors beginnen und mit der Ermöglichung von Änderungen auf der unteren Ebene sowie mit der Einführung eines Konzepts für die dezentrale Produktion von Energie. Das ist der Grund, warum wir eine andere Vision brauchen. Eine nachhaltige Energiepolitik muss von der Vision einer kohlenstoffextensiven Gesellschaft ausgehen. Strategische Schlüsselziele dieser Politik sind eine effiziente Energienutzung, ein höherer Anteil erneuerbarer Energiequellen und ein Übergang auf sogenannte intelligente Energienetze. Über all diese Komponenten muss man global und komplex nachdenken, weil jede ein unteilbarer Bestandteil des Ganzen ist. Die Infrastruktur und eine adäquate Umwelt, die Landwirtschaft, der Verkehr, die Industrie sowie die Dienstleistungen – das ist ein allumfassendes Spektrum an Tätigkeiten und bei allen sollte mit der Arbeit an einer Reduktion des Energieverbrauchs begonnen werden. Dieser ist in den sogenannten entwickelten Ländern um ein Mehrfaches höher als in Entwicklungsländern, was wir, schon angesichts unserer historischen Verantwortung, ändern und in ein Gleichgewicht bringen müssen. Der erste wichtige Schritt sollte daher eine wirtschaftlich sinnvolle und technisch effiziente Nutzung der Energie sein. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir deswegen gezwungen wären, unseren Lebensstandard zu reduzieren, sondern dass wir die verfügbare Energie rationeller verwenden. Jeder in die Energieeffizienz investierte EURO kommt mehrfach wieder retour. Gleichzeitig bedeutet es aber auch eine geringere Notwendigkeit, neue und kostspielige Infrastrukturprojekte im Zusammenhang mit der Erzeugung von Energie zu realisieren, weil wir davon weniger herstellen (müssen).
Die Gebäude in Slowenien sind energiemäßig sehr aufwändig gebaut. Angesichts der Tatsache, dass wir für das Heizen unserer Räume mehr als 60 % des gesamten Energieverbrauchs in Haushalten verzeichnen, haben Maßnahmen im Bereich der energetischen Gebäudesanierung einen großen Effekt. Gleichfalls sollten für neue Gebäude hohe Standards sichergestellt werden, sodass es sich um Häuser mit einem beinahe ‘Nullverbrauch an Energie’ handeln würde, um ‘Passivhäuser’ oder sogar um Häuser mit einer energietechnisch positiven Bilanz, sogenannte ‘Plusenergiehäuser’. Investitionen in diesen Bereich würden einen reduzierten Energieverbrauch nach sich ziehen und gleichzeitig den Bausektor unterstützen.


Ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses sind die erneuerbaren Energien. In ihrer Mehrheit handelt es sich dabei um kleine, dezentrale Kapazitäten, deren Ausbreitung im Zusammenhang mit der elektrischen Energie einer Veränderung der derzeitigen Übertragungs- und Verteilungsnetze bedarf. Die Dezentralisierung der Energieproduktion bedeutet, dass sich jede/r die benötigte Energie selber erzeugen kann. Soweit es um die Raumheizung geht, ist diese Situation in vielen Haushalten bereits eingetreten. Bei der Versorgung mit elektrischem Strom gibt es aber derzeit immer noch zu viele Hindernisse. Dieses Entwicklungskonzept bringt noch eine weitere Sache mit sich – weil der Energieverbraucher gleichzeitig auch zu einem Energieerzeuger wird, könnte man diese Tendenz auch als Delegations- bzw. Demokratisierungsprozess bezeichnen. Diese Demokratisierung betrifft alle Lebensbereiche der Bürgerinnen und Bürger. Dadurch, dass jemand seine Energie erzeugt und nicht mehr von einem externen Versorger abhängig ist, welcher ihm seine eigenen Bedingungen aufdrängt, gewinnt er die Kontrolle über einen wesentlichen Teil seines Lebens (zurück) und erringt gleichzeitig auch eine (viel) wichtigere Rolle im Energiesystem selbst, sowie in der energiepolitischen Arena, wo viele relevante Entscheidungen getroffen werden. Viele regionale Gesellschaften und auch manche Länder zeigen, dass es im Bereich der Energie auch alternative Wege gibt. Es ist an der Zeit, dass wir uns auch bei uns bewusst machen, dass wir keine Schafe sind, welche sich gehorsam von ihrem (‘energ(et)ischen’) Hirten lenken lassen, der mehr an seinen eigenen Gewinn denkt, als an die Qualität unseres Lebens, an unsere Gesundheit oder an die Umwelt.

AUTOR: Tomislav Tkalec, Focus
društvo za sonaraven razvoj – Vereinigung für eine nachhaltige Entwicklung,
www.focus.si

Erschienen im Slowenischen Original in der Zeitung Delo am 24.3.2013
www.delo.si/revolt/ekonomija/demokratizacija-energetskega-sektorja.html

Übersetzung ins Tschechische: Marketa Strnadova
Übersetzung ins Deutsche: Bernhard Riepl

GastautorIn: Tomislav Tkalec für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /