© Gertraud Maierhofer
© Gertraud Maierhofer

Dringender Aufholbedarf im Bekleidungssektor

Betrachtungen über einen großen Stolperstein in Richtung nachhaltigem Lebensstil

Stolperstein Bekleidung

Umweltschutz ernst zu meinen, dazu gehört nicht nur, die notwendigen Veränderungen von Politik und Wirtschaft zu fordern sondern auch immer wieder kritisch und verantwortungsbewusst seinen eigenen Lebensstil unter die Lupe zu nehmen. Der ganz private Versuch, ethisch und ökologisch gerecht zu leben und zu konsumieren gibt einerseits dem Leben Sinn und andererseits ist er der Anstoß für größere Veränderungen - und somit geht er über das Private hinaus.
In vielen Bereichen sind die notwendigen verändernden Schritte auch gar nicht so schwierig: es gelingt mir persönlich ganz gut, meine fünfköpfige Familie mit Produkten aus biologischem und vorwiegend regionalem Anbau zu ernähren. Auch der Umstieg auf Ökostrom stellte keine Schwierigkeit dar. Aufs Fliegen zu verzichten, öffentliche Verkehrsmittel zu verwenden und nur die notwendigsten Fahrten mit dem Auto zu machen – auch das ist ja alles kein großes Problem und gewissermaßen eine Selbstverständlichkeit in unserem Leben geworden.
Aber eine Frage stellt immer wieder eine große und mich oft zu ungewollten Kompromissen zwingende Herausforderung dar: ‘Und was ziehen wir an? Wo kaufe ich unsere Kleider – und können wir uns das auch leisten?”

Die negativen Auswirkungen der konventionellen Baumwoll- und Bekleidungsindustrie

Der erste Schritt zur Verhaltensveränderung besteht oft darin, alle Fakten klar vor Augen zu haben:
Die Bekleidungsindustrie in ihrer gesamten Produktionskette ist verbunden mit enormen negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Der Baumwollanbau nimmt weltweit 4 % der Ackerbaufläche in Anspruch verbraucht aber 25 % der insgesamt eingesetzten Insektizide und 10 % der Pestizide. In Indien nimmt Baumwolle 5 % der Ackerbaufläche ein aber 54 % der eingesetzten Pestizide finden hier ihre Anwendung. Bereits bei 25 % der weltweit angebauten Baumwolle kommt gentechnisch verändertes Saatgut zum Einsatz.
Die Folgen sind dramatisch:
Vergiftungen der Landwirte und Feldarbeiter, Verunreinigung des Wassers, massenhaftes Sterben von Vögeln und Fischen, Abhängigkeit der Bauern von den großen Saatgutfirmen und der Chemieindustrie sind die Folgen. Tausende von verschuldeten Bauern sehen nur im Selbstmord einen Ausweg.
Auch die weiteren Produktionsschritten bis hin zur Fertigstellung eines Kleidungsstückes gehen mit unwürdigen Auswirkungen einher:
unmenschliche Arbeitsbedingungen, Ausbeutung, geringe Löhne, Kinderarbeit und wiederum hochgiftiger Chemieeinsatz in der Endfertigung (giftige Farbstoffe sowie chemische Stoffe gegen Pilze und Bakterien sowie Stoffe zur ‘Veredelung” von Kleidungsstücken).

Nur 0,1 % der weltweit angebauten Baumwolle werden biologisch angebaut

Der Anteil steigt und es soll sogar Anzeichen dafür geben, dass sich die Bio-Baumwolle aus ihrer verschwindend kleinen Nische heraus in den Massenmarkt bewegt. Die Nachfrage von Supermärkten und Unternehmen wird langsam größer.
Die Zahl der kritischen KonsumentInnen vielleicht auch – ich zähle mich jedenfalls dazu und wäre nur mehr als dankbar, wenn das Angebot an ökologisch und sozial verträglicher Bekleidung steigen würde! Wenn man sich zum Vergleich die Entwicklung des Bioanteiles in der Landwirtschaft der letzten 20 Jahre im Lebensmittelbereich anschaut, dann ist Hoffnung ja durchaus möglich – wenn sich auch die Sorge und die Ungeduld darüber, dass alles viel zu langsam geht, dazumischen.

Die möglichen kleinen Veränderungsschritte

Die Vorteile von Bio-Baumwolle für alle an der Produktionskette Beteiligten bis hin zu den KonsumentInnen sind mittlerweile bekannt und auch durch Untersuchungen belegt. Eine Studie des Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) aus dem Jahr 2005 belegt, dass sich die Lebensbedingungen (hinsichtlich Einkommen und auch Gesundheit) der Bauern, die Baumwolle biologisch anbauen, tatsächlich verbessert haben.
Die anfänglichen Ernteeinbußen, die sich allerdings nach einiger Zeit ausgleichen und sogar ein leicht höherer Ernteertrag zu verzeichen ist, stellen das größte Hindernis für den Umstieg auf Biolandbau dar.

Vorteile der Bio-Baumwolle für Gesundheit und Umwelt

Eine weiteres Hindernis - am anderen Ende der Marktkette - liegt darin, dass das vorhandene Wissen über die Vorteile der Bio-Baumwolle für Gesundheit und Umwelt nicht automatisch praktischen Ausdruck in den Kaufentscheidungen von uns KonsumentInnen findet.
Die wenigen und schwer zugänglichen Bezugsmöglichkeiten (meist muss man sich noch an den Versandhandel wenden) und die einschüchternd wirkenden Preisunterschiede machen es nicht gerade leicht, auch im Bekleidungssektor die notwendigen Veränderungsschritte im Kunsumverhalten umzusetzen.
Mögliche Schritte sind einerseits, weniger Kleider zu kaufen, diese dafür aber in Bio-Qualität – so kann sich der Preisunterschied insgesamt wieder etwas ausgleichen. Und andererseits könnte das einfache Nachfragen nach ökologischen Textilien bei großen Verkaufsketten auch diese in Bewegung bringen. Unsere Macht als KonsumentInnen sollten wir auch in diesem Bereich nutzen und für eine ökologisch und sozial gerechtere Welt einsetzen!

Weiterführende Informationen und Bezugsquellen:


biobaumwolle
organiccotton
ainoah
cleanclothes
goettindesgluecks
dancingshiva
hess-natur



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Weitere Infos: Permakultur Austria
GastautorIn: Gertraud Maierhofer, Global 2000 (erschienen in der Permakultur-Zeitung) für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /