380-kV-Leitung: Salzburgs Grüne sehen Erneuerbare durch Leitungsbau gefährdet

Labg. Reiter: „Diese Leitung dient ausschließlich den Interessen der großen Stromlieferanten und damit der Atomstromlobby!“ – Grüne fordern „Ausbau der Ökostrom-Anlagen“ statt 380-kV-Leitung

Ein klares Nein zur geplanten 380-kV-Leitung – und zwar auch in verkabelter, also ‘unterirdischer’ Form – sagen Salzburgs Grüne. ‘Diese Atomstrom-Autobahn ist das Symbol einer verfehlten Energiepolitik. Wenn diese 380-kV-Leitung gebaut wird, ist eine Energiewende auf Jahre hinaus blockiert’, betonte die Grüne Umwelt- und Energiesprecherin Labg. Heidi Reiter am Mittwoch bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit dem Energieexperten DI Dr. Dieter Hornbachner.

Gegen die 380-kV-Leitung sprechen für Reiter vor allem drei Gründe: ‘Sie kostet gigantische 247 Mill. Euro und bindet damit enorme Summen, die dann für andere, energiepolitisch wesentlich wichtigere Dinge fehlen. Sie ist für die Versorgungssicherheit in unserem Land absolut nicht nötig, sondern dient nur dem hemmungslosen Stromtransit. Und sie würde die gegenwärtige Entwicklung – nämlich den Energieverbrauch anzuheizen, anstatt zum Energiesparen zu animieren – noch weiter verschärfen.’

Anstelle einer 380-kV-Leitung wollen Salzburgs Grüne die Salzburger Energiepolitik auf völlig neue, nämlich ‘erneuerbare’ Beine stellen: ‘Würden wir diese gigantischen Summen, die für den Leitungsbau nötig sind, in Photovoltaik, Wind und Biomasse investieren, könnte Salzburg seinen Energiebedarf zu 100 Prozent aus Ökostrom decken und wäre unabhängig von ausländischen Atomstromlieferanten’, betont Reiter.

Die Investition in regionale Ökostrom-Anlagen wäre nicht nur energiepolitisch sondern auch wirtschaftspolitisch sinnvoll: ‘Jeder Euro, den wir im eigenen Land in Biomasse, Wind und Photovoltaik investieren, schafft Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft direkt vor Ort!’

Das Projekt:

Wie bekannt, will die Verbundtochter APG (Austrian Power Grid AG) in Salzburg und in der Steiermark 380-kV-Leitungen zum massiven Ausbau der Nord-Süd-Übertragungskapazitäten errichten. Für den Abschnitt durch Salzburg soll Anfang 2004 die Umweltverträglichkeitsprüfung starten. Geplante Fertigstellung: 2015, voraussichtliche Kosten: zusammen mit der ‘Steiermarkleitung’ fast 370 Mill. Euro. Nach Aussagen der APG soll mit diesen Investitionen die Leistungsfähigkeit der zunehmend überlasteten Nord-Süd-Hochspannungsverbindung deutlich erhöht und die "Versorgungssicherheit" gewährleistet werden.

Strom wird teurer:

Derzeit werden die Kosten für die durch Salzburg führende Freileitung mit 247 Mill. Euro angesetzt, bei einer Verkabelung – wie von Energielandesrat Sepp Eisl zumindest für Eugendorf, Koppl und das Bluntautal ‘versprochen’ – vervielfachen sich die Kosten! ‘Diese enormen Kosten binden Kapital, das für andere energiepolitische Weichenstellungen dann fehlt’, so Reiter. Um Salzburgs Versorgung mit Energie sicherzustellen, wären beispielsweise Ökostromprojekte wesentlich wichtiger: ‘Wenn wir zum Beispiel das Klimaschutzziel erreichen wollen, sollten wir daran arbeiten, in Salzburg eine dezentrale Energieversorgung sicherzustellen.’

Darüber hinaus würden sich diese beträchtlichen Errichtungskosten auch im Strompreis niederschlagen: ‘Die Baukosten werden auf den Leitungspreis (Netzkosten) umgelegt, was bedeutet, dass der Strom dadurch teurer wird!’ Und zwar um 0,62 Cent/KWh, wie Experten errechnet haben/Kalkulationen zeigen. Anstatt den Strompreis wegen einer völlig unnötigen Leitung zu erhöhen, wäre es nach Ansicht Reiters ‘energiepolitisch weitsichtiger’, den Ökostrom-Zuschlag geringfügig anzuheben und/oder die Energieabgabe (die ebenfalls im Strompreis enthalten ist und derzeit ins Budget fließt, Anm.) an den Ausbau der Alternativ-Energien zu binden.

Für die Versorgungssicherheit braucht es keine Atomstrom-Autobahn:

Dass die 380-kV-Leitung gerne mit dem Stichwort ‘Versorgungssicherheit’ begründet wird, vermag Reiter nicht nachzuvollziehen: ‘Für die Versorgung Salzburgs ist diese Leitung sicher nicht notwendig. Sie dient vor allem dem Stromtransit aus Mittel- und Nordeuropa nach Italien und den Pumpstromlieferungen.’

(* ) Stromtransit: Strom ist in Italien knapp und teuer, was das südliche Nachbarland für nordeuropäische Stromlieferanten zu einem attraktiven Markt macht. Die starken Lastflüsse von Nord nach Süd sind deshalb auch in erster Linie auf die hohen Stromimporte Italiens zurückzuführen. Und für diesen Stromdurchfluss soll Salzburg als ‘Transitroute’ herhalten.
(* ) Pumpstrom: Salzburgs saubere Wasserkraft ist in nicht unbeträchtlichem Ausmaß durch Atomstrom verschmutzt. Ursache dafür ist vor allem der so genannte ‘Pumpstrom’. Für die Produktion von teurem ‘Spitzenstrom’ gibt es Speicherkraftwerke. Mit Hilfe von billigem Strom aus dem Norden (vorzugsweise bezogen von bayerischen oder tschechischen Atomstromlieferanten) wird nachts Wasser in die Speicher der Kraftwerke Malta, Kaprun und Fragant gepumpt. Dieser Pumpstrom belegt etwa die Hälfte der gesicherten innerösterreichischen Nord-Süd-Übertragungskapazitäten! Noch ein netter Nebeneffekt: Pumpstrom scheint nicht in der ‘Strombilanz’ für den Endverbraucher auf (er wird ja nur zum ‘pumpen’ gebraucht und nicht ‘ausgeliefert’), womit ein erheblicher Anteil an hierzulande verwendetem Atomstrom still und leise unter den Tisch fällt!

Dass Strom in immer noch größer werdenden Mengen kreuz und quer durch Europa transportiert wird, ist vor allem eine Folge der Liberalisierung: ‘Die Liberalisierung des Strommarktes ohne ökologische Rahmenbedingungen hat sich als fatal für die Energiepolitik erwiesen. Jetzt regiert ausschließlich der Marktpreis, und da muss jedes Energieunternehmen daran interessiert sein, seinen Absatz zu steigern und seine Kraftwerke maximal auszulasten. Genau dazu braucht man aber die Möglichkeit, große Strommengen ohne Einschränkungen transportieren zu können’, erklärt Reiter.

Die 380-kV-Leitung komme damit in erster Linie der Atomstrom-Lobby zu Gute: ‘Diese Atomstrom-Autobahn zementiert eine völlig falsche Energiepolitik ein und schwächt die Marktchancen regionaler sowie alternativer Energieversorger!’ kritisiert die Grüne Umweltsprecherin

Die 380-kV-Leitung fördert Energieverschwendung statt Effizienzsteigerung und Energiesparen:

Überhaupt nicht mehr thematisiert werde derzeit der erhebliche Verbrauchszuwachs: ‘Kein Mensch hinterfragt unseren steigenden Energieverbrauch. Dabei sind gerade diese Steigerungen Ausdruck des energiepolitischen Versagens’, betont Reiter. Es sei mehr als offensichtlich, dass die Energieberatung nicht greife: ‘Energie zu sparen oder effizienter einzusetzen ist kein Thema mehr, und das ist wohl eines der gravierendsten Versäumnisse der Energiepolitik!’

Nicht zuletzt werde der steigende Energieverbrauch auch immer mehr zum Klimaproblem: ‘Zwischen 1990 und 2001 hat der CO2-Ausstoß der Energiewirtschaft um neun Prozent zugenommen, unter anderem auch, weil der Einsatz von Kohle zur Stromerzeugung in Österreich in den letzten Jahren wieder deutlich zugenommen hat!’

Die Alternative: Massiver Ausbau der Erneuerbaren!

‘Es kann nicht so sein, dass wir Unsummen an Geld dafür ausgeben, dass die Atomstromlobby beliebige Strommengen zu jeder beliebigen Zeit in jede beliebige Region schicken kann’, betont Reiter. Sie will diesen Ausbauplänen eine ‘Energiewende’ entgegensetzen. ‘Die Energieversorgung sollte dem ökologischen Prinzip der verbrauchsnahen Produktion folgen und das bedeutet, dass wir die Versorgungssicherheit nicht durch eine 380-kV-Leitung sondern durch den Ausbau regionaler Ökostromanlagen sicherstellen. Gefragt ist ein intelligenter Energie-Mix aus Biomasse, Wind und Photovoltaik und nicht eine Atomstrom-Autobahn.’ In der Landeshauptstadt wäre es beispielsweise höchst an der Zeit, das Heizkraftwerk Nord mit einem Biomassekraftwerk aufzurüsten.

Sonnenergie schafft Arbeitsplätze

Auch der Wandel zur Sonnenenergie sei ohne weiteres machbar: ‘Es kommt allein auf den politischen Willen an!’ ist Reiter überzeugt. Die Stärkung solcher kleinstrukturierter Energieproduzenten würde sich auch positiv auf die regionale Wirtschaft und den Arbeitsmarkt auswirken: Die Kosten für die Solarenergie seien beispielsweise deshalb höher, weil sie ‘arbeitsplatzintensiver’ als etwa die Energiegewinnung aus Wasserkraft. So hat das World Watch Institut errechnet, dass für die Stromerzeugung von 1000 GWh/Jahr durch Windkraft etwa fünf Mal so viele Menschen benötigt werden wie für die gleiche Menge an Atomstrom! ‘Sonnenergie benötigt also Arbeitskräfte, aber dieser Nebeneffekt ist ein volkswirtschaftlich durchaus positiver’, betont die Grüne Abgeordnete.

Auch Verbund-Studie belegt Unnotwendigkeit des 380-kV-Leitungsausbaus

Der Energieexperte DI Dr. Dieter Hornbachner weist darauf hin, dass selbst eine vom Verbund an der TU Graz in Auftrag gegebene Studie belegt, dass zum Erhalt der österreichischen und insbesondere steirischen Versorgungssicherheit ein Ausbau des 380-kV-Netzes nicht nötig sei. Für Salzburg sei die Versorgungssicherheit ohnehin nicht gefährdet.

Die Versorgungssicherheit in der Steiermark könnte auch durch eine technische Nachrüstung der Umspannwerke St. Peter und Ernsthofen auf Jahre sichergestellt werden. Diese Variante hätte für den Verbund allerdings den betriebswirtschaftlichen Nachteil, dass damit keine deutliche Steigerung der Stromtransite bzw. der Stromexporte nach Italien möglich wären. ‘Zu behaupten, der Bau der 380-kV-Leitungen wäre zur Absicherung der Versorgungssicherheit in Österreich technisch zwingend erforderlich, ist schlicht unseriös’, so Hornbachner.

Hornbachner verweist darauf, dass es eine zunehmende Diskrepanz zwischen energie- und umweltpolitschen Vorgaben der Bundesregierung und den Ausbauplänen der E-Wirtschaft gebe. Österreich habe sich im Rahmen der EU-Zielsetzungen dazu verpflichtet, den Anteil der Erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung bis 2010 von derzeit etwa 70 Prozent auf 78 Prozent zu steigern.

Dazu seien massive Investitionen in den Ausbau der Ökostromanlagen und in die Steigerung der Energieeffizienz nötig. ‘Die Vorgaben des Ökostromgesetzes sind hier nur ein erster Schritt. Ökostromanlagen könnten durch die überwiegende Errichtung an verbrauchsnahen Standorten zu einer deutlichen Entlastung der Stromnetze führen’, so Hornbachner.

Kyoto-Ziel verlangt Reduktion der Treibhausgas-Emissionen aus der E-Wirtschaft

Auch die Klimastrategie der Bundesregierung zur Erreichung des Kyoto-Ziels verlange nach einer deutlichen Reduktion der Treibhausgas-Emissionen aus der E-Wirtschaft. ‘Ohne verbrauchssenkende Maßnahmen und den Ausbau von Ökostromanlagen kann das Kyoto-Ziel nicht erreicht werden’, so Hornbachner.

Der Energieexperte betont, dass die Frage der 380-kV-Leitung keine technische sei, sondern in erster Linie eine Frage der energiepolitischen Weichenstellung. Man könne zwar sowohl in den Ausbau der Ökostromanlagen wie auch in den Ausbau des Hochspannungsnetzes investieren, aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es aber zweckmäßiger, sich für eine der beiden Optionen zu entscheiden. ‘Und die ökologischen Argumente sprechen eindeutig für eine Weichenstellung in Richtung Ökostrom’, so Hornbacher.


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