© wal_172619 pixabay.com
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EU: Elektroautos als einzige Option im Verkehrssektor um Klimaziele zu erreichen

Die Zukunft des Automobils in Europa aus Sicht des Europäischen Rechnungshofs zeigt: Die EU-Staaten müssen verdammt schnell handeln, denn von einer Zielerreichung im Verkehrssektor ist Europa weit entfernt.

Heute zeigten die Mitglieder des Europäischen Rechnungshofs in einer Pressekonferenz die Hintergründe dazu auf.

Nikolaos Milionis vom Europäischen Rechnungshof meint, die EU habe es geschafft, in den letzten Jahren die Treibhausgasemissionen in vielen Bereichen zu reduzieren. "Die CO2-Emissionen des Verkehrssektors sind jedoch weiter gestiegen und machen immer noch fast ein Viertel der Gesamtemissionen der EU aus, wobei PKWs für mehr als die Hälfte davon verantwortlich sind." Das heißt: "Die Klimaziele der EU sind einfach unerreichbar, ohne die Emissionen von Personenkraftwagen in Angriff zu nehmen."
Vor 15 Jahren wurde in der EU mit der „Verordnung über Kohlendioxid-(CO₂)-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen“ Maßnahmen gesetzt. "Hat dies dazu beigetragen, die tatsächlichen Emissionen der Fahrzeuge im Einklang mit den grünen Ambitionen der EU zu reduzieren? Die Antwort ist, fürchte ich, ein klares „Nein", " so Milionis. Fossile Autos – die fast drei Viertel der Neuzulassungen ausmachen – stoßen immer noch die gleiche Menge CO2 aus wie vor 12 Jahren. Nur bei Messungen im Labor sind die Emissionen gesunken. Die Lücke zu den tatsächlichen Emissionen auf der Straße beträgt weiter 24 % für Benzinautos, 18 % für Dieselautos und bis zu 250 % für Plug-in-Hybride.

Was ist mit alternativen Kraftstoffen?

"Alternative Kraftstoffe wie E-Fuels oder Wasserstoff werden oft als mögliche Nachfolger von Benzin und Diesel erwähnt. Aber wie wir in unserer Prüfung zu Biokraftstoffen gesehen haben, können sie derzeit keine glaubwürdige, zuverlässige Alternative im großen Maßstab darstellen." sagt Milionis.

Warum nicht?

"Biokraftstoffe werden, aufgrund eines Mangels an Biomasse, nicht in ausreichenden Mengen produziert. Es gibt keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen, um sicherzustellen, dass sie wirklichumweltfreundlich sind, und sie sind eine relativ kostspielige Option zur Dekarbonisierung. Außerdem werden wir sie anderswo, beispielsweise im Flugverkehr, brauchen."

Fazit des Europäischen Rechnungshofs: Aus heutiger Sicht scheint das E-Auto die einzige praktikable Option zu sein, um eine emissionsfreie Flotte zu erreichen.

Annemie Turtelboom, ebenfalls Vertreterin des Europäischen Rechnungshofs, stellt fest:
"Das Verbot von Benzin- und Dieselautos im Jahr 2035 bedeutet, dass in der EU in etwas mehr als 10 Jahren viel mehr Elektroautos verkauft werden müssen. Aber die 27 Mitgliedsstaaten tun sich schwer, den Übergang zu Elektrofahrzeugen zu beschleunigen. Der Weg vor ihnen ist voller Schlaglöcher. Um es deutlich zu sagen: Europa steht vor einem Rätsel: Wie kann der Green Deal unsere Klimaziele erfüllen, ohne unserer Industriepolitik zu schaden und gleichzeitig die Kosten für die europäischen Verbraucher zu erhöhen?

Europa strebt danach, weltweit führend in der Batterieproduktion zu werden. Doch die europäische Batterieindustrie hinkt global hinterher. China dominiert den Markt mit mehr als drei Vierteln der weltweiten Produktionskapazität. Europas Achillesferse sind außerdem die Rohstoffe, die zur Herstellung von Batterien notwendig sind: Lithium, Mangan, Kobalt und Naturgraphit. "Die EU ist immer noch extrem von Importen dieser Rohstoffe abhängig, d. h. von Importen aus wenigen Ländern, wie Australien, Gabun, die Demokratische Republik Kongo und China. Der Wettlauf um die Rohstoffe, die zur Herstellung von genügend Batterien notwendig sind, schafft eine Abhängigkeit, die, wie unsere Erfahrungen mit russischem Gas gezeigt haben, nach hinten losgehen könnte." erklärt Alfonso de Castro Malheiro vom Europäischen Rechnungshof. Zwar stimmt es, dass Europa potenziell ungenutzte Mineralreserven hat, aber es könnte bis zu 16 Jahre dauern, bis diese wirklich verfügbar sind. 16 Jahre, die Europa sich nicht leisten kann zu warten.

Europas Fähigkeit, seine Batterieversorgung zu sichern, ist daher ernsthaft gefährdet. Die EU muss ihren Green Deal mit ihrer Industriepolitik und wirtschaftlichen Souveränität in Einklang bringen. Sonst wird die „E-Auto-Revolution“ in Europa von massiven Importen aus China abhängen, zum Nachteil der europäischen Autoindustrie und ihrer über 3 Millionen Arbeitsplätze. "

Und wie sieht es dann mit der Nachfrageseite aus?

Die „E-Auto-Revolution“ in Europa sollte sich nicht nachteilig auf die europäischen Verbraucher auswirken. Europa braucht wirklich erschwingliche Elektrofahrzeuge, um den Massenmarkt zu erobern. Nach derzeitigem Stand müssten die Preise halbiert werden. Auch öffentliche Subventionen scheinen kein praktikables politisches Instrument zu sein, um eine Masseneinführung von E-Autos zu erreichen. Nehmen wir zum Beispiel die Kosten für Batterien in der EU, die im Jahr 2020 bei rund 200 Euro/kWh lagen – mehr als das Doppelte des Ziels von 90 Euro für 2022. Dies bedeutet, dass die Batterie für ein E-Auto allein bei in Europa hergestellten Batterien bereits durchschnittlich 15.000 Euro kostet.

Infolgedessen sind E-Autos für die breite Bevölkerung schlicht unerschwinglich. Die Verkäufe von Elektrofahrzeugen haben in Europa definitiv angezogen und 2023 fast 15 % des Neuwagenmarktes ausgemacht. "Aber wie werden wir es schaffen, die restlichen 85 % zu erreichen, und wann? Dies ist eine große Herausforderung für die europäischen Hersteller, die dringend billigere Elektroautos in großem Maßstab produzieren müssen," meint Turtelboom.

Aber auch das Reisen mit einem Elektroauto durch Europa ist noch lange kein verlässlicher Prozess. Die Verfügbarkeit öffentlicher Ladestationen variiert erheblich zwischen den Staaten und innerhalb der Länder, und immer noch gibt es meist keine Echtzeitinformationen über die Verfügbarkeit der Stationen. Obwohl die EU vor kurzem die Halbzeitmarke von einer Million Ladepunkten bis 2025 auf dem gesamten Kontinent überschritten hat, ist ihre geografische Verteilung immer noch sehr ungleichmäßig.

"Wie Sie sehen, hat die EU nicht alle Trümpfe in der Hand, wenn es um die Elektrifizierung ihrer Fahrzeugflotte geht: Schwierigkeiten beim Zugang zu Rohstoffen, fehlende Infrastruktur, die Kosten für die EU-Industrie und der Preis für die Bürger könnten uns den Verlust unserer Zielerreichung einbringen," so Turtelboom.

Die EU steht vor einem harten Kampf, um innerhalb weniger Jahre die Wende zu schaffen. "Derzeit sehen wir, im ersten Quartal 2024, einen Rückschritt um ein Drittel bei den Neuzulassungszahlen vo E-Fahrzeugen," dukomentiert Jindrich Dollezal vom Europäischen Rechnungshof die aktuellen Zahlen.

In zwei Jahren (2026) wird die Europäische Kommission die Situation neu bewerten, wie es die Überprüfungsklausel vorsieht. Bei Bedarf kann sie den Zeitplan für das Verkaufsverbot neuer Benzin- und Dieselfahrzeuge anpassen. Sie muss feststellen, ob das Ziel von 13 Millionen Elektroautos in der EU bis 2025 erreicht wurde. Darüber hinaus muss sie nicht nur die Wirksamkeit und Auswirkungen der CO2-Verordnung, sondern auch die technologische Entwicklung und die Wirtschaftlichkeit von Batterien überprüfen. Das bedeutet, dass 2026 ein entscheidendes Jahr sein wird.


"Die angekündigte „grüne Revolution“ kann in der EU sicherlich nur stattfinden, wenn die Zahl der umweltschädlichen Fahrzeuge auf unseren Straßen drastisch sinkt. Tatsache ist, dass keine echte Reduzierung der CO2-Emissionen von Autos möglich sein wird, solange der Verbrennungsmotor die Oberhand behält. Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist jedoch enorm." sagt Nikolaos Milionis.

Annemie Turtelboom meint weiters: "Lobbyambitionen sind oft mit hohen Kosten verbunden. Mit dem Verbot von Benzin- und Dieselautos ab 2035 hat sich Europa auf einen langen und steinigen Weg begeben. Um ihren Weg zu finden, muss die EU eine Antwort auf die beiden Dilemmas finden, vor denen sie steht: Wie lässt sich der Green Deal nicht nur mit der industriellen Souveränität, sondern auch mit der Erschwinglichkeit vereinbaren? Sie muss eine überzeugende Antwort finden, wenn sie ihre Ambitionen erreichen und ihre Politik zum Erfolg führen will."

Die Pressekonferenz bezieht sich auf die Hauptaussagen mehrerer Sonderberichte des Europäischen Rechnungshofs. Die Sonderberichte sind auf www.eca.europa.eu abrufbar.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /