© geralt/Gerd Altmann- pixabay.com
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Studie: Der Verlust der Natur kostet weit mehr als bisher angenommen

Forscher schlagen vor, dass Regierungen eine neue Methode zur Berechnung der Vorteile anwenden, die sich aus der Erhaltung der Artenvielfalt und der Natur für künftige Generationen ergeben.

Die Methode kann bei Kosten-Nutzen-Analysen für öffentliche Infrastrukturprojekte eingesetzt werden, bei denen es um den Verlust von Tier- und Pflanzenarten und „Ökosystemleistungen“ – etwa das Filtern von Luft oder Wasser, die Bestäubung von Nutzpflanzen oder den Erholungswert eines Raums – geht, in einen aktuellen Geldwert umgerechnet.

Ziel dieses Prozesses ist es, den Verlust der biologischen Vielfalt und die Vorteile des Naturschutzes in der politischen Entscheidungsfindung sichtbarer zu machen.

Das internationale Forschungsteam meint, dass die derzeitigen Methoden zur Berechnung der Werte von Ökosystemleistungen „nicht ausreichend“ sind, und hat einen neuen Ansatz entwickelt, der problemlos in Finanzanalysen eingesetzt werden könnte, die künftigen Haushaltsabschlüssen zugrunde liegen.

Ihr in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichter Ansatz berücksichtigt den Anstieg des Geldwerts der Natur im Laufe der Zeit mit steigendem Einkommen der Menschen sowie die wahrscheinliche Verschlechterung der Artenvielfalt, die sie zu einer knapperen Ressource macht.

Dies steht im Gegensatz zu aktuellen Methoden, die nicht berücksichtigen, wie sich der Wert von Ökosystemdienstleistungen im Laufe der Zeit verändert.

„Unsere Studie liefert Regierungen eine Formel zur Schätzung des zukünftigen Wertes knapper Ökosystemleistungen, die in Entscheidungsprozessen genutzt werden kann,“, so Moritz Drupp, Professor für Nachhaltigkeitsökonomie an der Universität Hamburg und Erstautor der Studie.

Bei dieser Wertanpassung spielen zwei Faktoren eine zentrale Rolle: Einerseits steigen die Einkommen und damit der Wohlstand der Weltbevölkerung – inflationsbereinigt um geschätzte zwei Prozent pro Jahr.
Mit steigendem Einkommen sind die Menschen bereit, mehr für den Schutz der Natur zu zahlen.

„Andererseits werden die Leistungen der Ökosysteme umso wertvoller, je knapper sie werden“, sagte Professor Drupp. „Dass knappe Güter teurer werden, ist ein Grundprinzip der Wirtschaftswissenschaften und gilt auch hier.“ Und angesichts der aktuellen Entwicklungen müssen wir leider damit rechnen, dass der Verlust der Artenvielfalt weiter anhält.“

Den Forschern zufolge muss der Barwert der Ökosystemleistungen daher in heutigen Kosten-Nutzen-Analysen deutlich höher angesetzt werden, auf über 130 Prozent, wenn man nur die Einkommenssteigerung berücksichtigt.

Berücksichtigt man auch die Auswirkungen auf die vom Roten-Liste-Index gefährdeten Arten, würde die Wertanpassung mehr als 180 Prozent betragen.

Die Berücksichtigung dieser Effekte erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Projekte, die Ökosystemleistungen erhalten, einen Kosten-Nutzen-Test bestehen.

„Die monetären Werte für die Umwelt, die derzeit von politischen Entscheidungsträgern bei der Bewertung öffentlicher Investitionen und regulatorischer Änderungen verwendet werden, führen dazu, dass die Natur im Laufe der Zeit im Vergleich zu anderen Gütern und Dienstleistungen relativ an Wert verliert“, sagt Professor Groom von der University of Exeter.

„Unsere Arbeit zeigt, dass das falsch ist. Wir schlagen eine Steigerung der Werte von Ökosystemen im Laufe der Zeit vor. Dieser Vorschlag könnte problemlos in die Analyse des Finanzministeriums einbezogen werden, die künftigen Haushaltserklärungen zugrunde liegen wird.“

Dr. Frank Venmans (LSE) fügt hinzu: „Nehmen Sie Korallenriffe als konkretes Beispiel. Es wird erwartet, dass diese aufgrund des Klimawandels an Fläche und Artenvielfalt zurückgehen, was bedeutet, dass die verbleibenden Riffe viel wertvoller sein werden als heute, und dies umso mehr, wenn das Einkommen der Haushalte steigt. Dies ist wichtig, wenn wir die Erhaltung von Korallenriffen mit langfristigen Auswirkungen beurteilen.“

Professor Mark Freeman von der University of York erklärt: „Die Politik steht von vielen Seiten unter erheblichem Druck, zusätzliche öffentliche Investitionen zu tätigen. Es ist von entscheidender Bedeutung, sicherzustellen, dass der Schutz von Ökosystemen in einer Weise bewertet wird, die mit anderen öffentlichen Projekten und Infrastrukturausgaben im Einklang steht. Das ist das Ziel unserer Arbeit.“

Da politische Entscheidungen den Verlust der Artenvielfalt abmildern können, sei es wichtig, dass Regierungen in der Lage seien, die Folgen ihrer Entscheidungen heute und in der Zukunft angemessen einzuschätzen, sagen die Forscher.

Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Moritz Drupp hat diese Forschung in Zusammenarbeit mit einem Team internationaler Forscher aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und den Vereinigten Staaten entwickelt. Das Team berät unter anderem das britische Finanzministerium, das Weiße Haus der USA und das deutsche Umweltbundesamt.


“Accounting for the increasing benefits from scarce ecosystems” wurde in Science veröffentlicht.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /