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Das Ende von Wasserkraft in Afrika?

Die Attraktivität neuer Wasserkraftanlagen nimmt rapide ab, sowohl aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit von Solarpaneelen als auch aufgrund der zunehmend ungewissen Auswirkungen des Klimawandels auf Flussflüsse.

Die Mehrheit der in ganz Afrika vorgeschlagenen neuen Staudämme dürften daher wahrscheinlich nie gebaut werden, schlägt eine neue, in Science veröffentlichte Studie vor.

Reichliche Niederschläge, riesige Schluchten, gewaltige Wasserfälle: Die Geographie Afrikas bietet alle Voraussetzungen für die Stromerzeugung aus Flussläufen. Seit Jahrzehnten setzen viele afrikanische Länder bei der Stromerzeugung auf Wasserkraft, darunter Projekte, die ebenso viel Ehrfurcht wie Kontroversen hervorrufen. Man denke nur an den Volta-See in Ghana, den größten künstlichen See der Welt; der Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm, Äthiopiens Vorzeigeprojekt, um Millionen seiner Bürger Zugang zu Elektrizität zu verschaffen; oder der Traum der Demokratischen Republik Kongo vom Bau des Grand-Inga-Werks, von dem einige behaupten, es könne „ganz Afrika zum Leuchten bringen“. Und die Stimmen, die für mehr davon plädieren, sind stark: Es wird geschätzt, dass Afrika kaum 10 % seines Wasserkraftpotenzials ausgeschöpft hat.

Aber ist es eine kluge Idee, Hunderte neuer Staudämme in ganz Afrika zu planen? Eine neue Studie von Wissenschaftlern aus Österreich, Belgien, Äthiopien und Italien zeigt, dass dies möglicherweise nicht der Fall ist. Die Studie nutzte ein detailliertes Energiemodell, um zu untersuchen, welche Kombination von Energiequellen für afrikanische Länder am kostengünstigsten wäre, um ihren steigenden Bedarf bis 2050 zu decken – und verglich dabei Wasserkraft mit Solar-, Wind-, Kohle-, Erdgas-, Kernenergie- und anderen Energiequellen. Mit beispielloser Detailliertheit betrachtete die Studie jedes mögliche zukünftige Wasserkraftwerk in Afrika einzeln – mit seiner eigenen Speichergröße, seinem eigenen Flussströmungsprofil und seinem Zusammenspiel mit anderen Wasserkraftdämmen.

„Das Einzigartige an unserer Studie ist, dass wir jedes einzelne Wasserkraftwerk in Afrika individuell modellieren – sowohl bestehende als auch zukünftige Kandidaten“, erklärt Angelo Carlino, Hauptautor der Studie und gemeinsam mit IIASA und Politecnico di Milano in Italien verbundener Forscher. „Auf diese Weise kann unser Modell genau bestimmen, welche Anlagen eine sinnvolle Investition sein könnten und welche wahrscheinlich nicht gebaut werden sollten.“

Die Summe aller Zahlen ergibt ein ernüchterndes Bild der Zukunft der Wasserkraft in Afrika. Die Studie ergab, dass bis zu 67 % der möglichen zukünftigen Wasserkraftwerke in Afrika die Investition möglicherweise nicht wert sind. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Wasserkraft bald weitgehend nicht mehr wirtschaftlich mit der Solarenergie und (in geringerem Maße) der Windkraft konkurrieren kann, deren Kosten im letzten Jahrzehnt in einem beispiellosen Ausmaß gesunken sind.

Darüber hinaus müssten die Auswirkungen anhaltender Dürren auf die Wasserkraft, die sich aufgrund des Klimawandels voraussichtlich verschlimmern, durch zusätzliche Investitionen abgemildert werden.

„Die Ungewissheit über die künftige Wasserkrafterzeugung ist ein weiterer Grund, warum sich Solarenergie langfristig als die attraktivere Technologie erweisen wird“, sagt Matthias Wildemeersch, Forscher im IIASA Advancing Systems Analysis Program und Mitautor der Studie.

Bedeutet das, dass es für die Wasserkraft „Game Over“ ist? Nicht ganz, wie die Studie erklärt: Kurzfristig könnten einige neue Wasserkraftwerke immer noch günstigen Strom für bedürftige Länder liefern, und sie könnten auch flexibel eingesetzt werden, um die Integration von Sonne und Wind zu unterstützen, deren Leistung ständig schwankt.

„Unser Modell zeigt, welche spezifischen Wasserkraftwerke kurzfristig noch kosteneffizient wären“, kommentiert Andrea Castelletti, Professorin für Management natürlicher Ressourcen am Politecnico di Milano und leitende Autorin der Studie. „Gerade im Kongo-, Niger- und Nilbecken gibt es bestimmte Projekte, die sich lohnen, sofern sie gut geplant sind und schädliche Umweltauswirkungen auf ein Minimum beschränkt werden.“

Langfristig gesehen würde sich Solarenergie jedoch zur bevorzugten Technologie der meisten afrikanischen Länder entwickeln, was die Behauptung der Internationalen Energieagentur aus dem Jahr 2020 widerspiegelt, dass Solarenergie bald der neue „König“ der Strommärkte weltweit werden würde.

„Das Fenster für eine realisierbare Investition in Wasserkraft in Afrika schließt sich sehr schnell“, fügt Sebastian Sterl hinzu, Professor für Energiemeteorologie an der Vrije Universiteit Brussel (VUB), Belgien, und leitender Wissenschaftler am World Resources Institute (WRI) in Addis Abeba, Äthiopien.

Die Studie legt nahe, dass über 2030 hinaus nur eine sehr begrenzte Anzahl von Wasserkraftwerken in ganz Afrika weiterhin attraktive Investitionen bleiben würden.

„Abgesehen von der Wirtschaftlichkeit ist das generell eine gute Nachricht für die Umwelt: Viele Flüsse müssen dadurch nicht gestaut werden und können ihren natürlichen Lauf behalten“, so Sterl abschließend.


Referenz
Carlino, A., Wildemeersch, M., Chawanda, C.J., Giuliani, M., Sterl, S., Thiery, W., van Griensven, A., Castelletti, A. (2023). Declining cost of renewables and climate change curb the need for African hydropower expansion. Science DOI: 10.1126/science.adf5848


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /