©  Damian Poffet /  GWJ Architektur, Bern / ORT für Landschaftsarchitektur, Zürich / Soziale Plastik, Bern /   Huebergass
© Damian Poffet / GWJ Architektur, Bern / ORT für Landschaftsarchitektur, Zürich / Soziale Plastik, Bern / Huebergass

Die „Huebergass“: so geht inklusiv, günstig – und nachhaltig bauen

Das Wohnprojekt Huebergass und Stadtteilpark Holligen in Bern ist in einem kollaborativen Prozess entstanden. Es wurde aufgrund seiner vielen nachhaltigen Aspekte soeben auf dem UIA Kongress in Kopenhagen präsentiert.

Die Huebergass in Bern entspricht in vielen Punkten den von der UNO formulierten Nachhaltigkeitszielen. Diese waren auch Thema des diesjährigen UIA-Kongresses in Kopenhagen. Dort wurde die Siedlung zusammen mit drei weiteren Schweizer Bauten präsentiert. Nachdem die über 100 Wohnungen vor zwei Jahren bezogen wurden, lässt sich heute beurteilen, ob und wie sich die ambitionierten Ziele umsetzen ließen. Das Konzept stammt von GWJ Architektur (Bern), ORT für Landschaftsarchitektur (Zürich) und dem Sozialplaner Martin Beutler (Soziale Plastik, Bern), das als Planungsteam gemeinsam mit der Genossenschaft „Wir sind Stadtgarten“ in einem kollaborativen Prozess erarbeitet wurde.

Wie in vielen Städten ist auch in Bern der Wohnraum knapp, vor allem wenn er bezahlbar sein soll. Daher entschied die Stadt, ein Gartenareal aus ihrem Eigentum für die Bebauung und einen Park freizugeben. Die Auflagen dafür lauteten: Die neue Siedlung im Stadtteil Holligen sollte sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig sein. Außerdem war ein gemischtes Quartier gewünscht, das Raum für unterschiedlichste Lebensformen bietet und das nachbarschaftliche Zusammenleben fördert. Doch bevor es überhaupt zur Objektplanung und Raumgestaltung kam, wurden hierfür Konzepte erarbeitet. So wurden in einem Wettbewerbsverfahren das erwähnte Planungsteam ausgewählt, da es in einem umfassenden, komplexen partizipativen Prozess, Städtebau, Freiraum und Architektur von Beginn an als zusammengehöriges Ganzes entwickelte.

Kommunikativ und nachbarschaftlich

Entstanden ist eine sechsteilige Wohnsiedlung, die sich zusammen mit dem Stadtteilpark städtebaulich, architektonisch und gesellschaftlich mit dem vorgefundenen Umfeld verknüpft und in dieses hinein wirkt. Drei durchlässige Bauzeilen im Norden verdichten den Stadtkörper und bilden einen Übergang zur bestehenden Bebauung. Die drei südlichen Zeilen hingegen gehen zum Park über. Der wichtigste Kunstgriff, der alles miteinander verbindet, ist eine altbekannte Typologie: Die Gasse zwischen den Gebäuden. Sie ist das Zentrum und Rückgrat des Gesamtkonzeptes. Sie ist die pulsierende, sämtliche gemeinschaftlichen und privaten Räume erschließende Mittelachse der Siedlung: hier kreuzen sich die Wege, hier trifft man sich. Von hier aus sind die Wohnungen, die Gemeinschaftsräume wie das inzwischen vom Quartier betriebene Café, der Veranstaltungssaal, die Waschsalons und Ateliers gleichermaßen zugänglich. Die auffälligen, zur Gasse orientierten Vorbauten aus Holz sind Treppenaufgänge und Privatbalkone in einem, sodass eine offene Kommunikation stattfinden kann, sobald man die eigene Wohnung verlässt. Denn das erklärte Ziel war es, das bestehende mit einem weiteren Stück Quartier fortzuschreiben, das Schwellenräume, Übergänge, Nachbarschaften zwischen Innen und Außen, zwischen Quartier, Gärten und Umfeld zulässt.

Kompakt und suffizient

Mit der Auslagerung der elf Treppenhäuser, die 103 Wohnungen erschließen, wird auch der Energieverbrauch reduziert, und die Baukörper sind ganz den nutzbaren Räumen vorbehalten. Alle Wohnungen verfügen über zwei Ausrichtungen, was sich positiv auf die Raumklimatisierung, die Belichtung und die Behaglichkeit auswirkt. Die meisten davon sind 4 ½ bis 5 ½ Zimmer-Wohnungen, es gibt aber auch kleinere Einheiten, sowie eine Clusterwohnung mit bis zu acht Zimmern. Die Zimmer sind alle gleich groß, sodass die Nutzung je nach Bedürfnis und Lebensmodell flexibel ist. Auch Gäste- und Jokerzimmer sowie gemeinschaftlich nutzbare Räume stehen zur Verfügung. Statt der heute üblichen 45 Quadratmeter pro Person wurden 25 Quadratmeter kalkuliert. Durch diesen effizienten Umgang mit dem Raum können die Wohnungen so günstig vermietet werden, dass sie sogar den ursprünglich vom Auslober vorgesehenen Mietzins pro qm unterschreiten. Dazu tragen auch einfache, klar gegliederte Baukörper, ein geringes Bauvolumen im Verhältnis zur Nutzfläche und wenig Untergeschossvolumen ebenso bei wie eine einfache und klare Materialisierung und ein hoher Repetitionsfaktor von Bauteilen wie Fenster oder Türen.

In der Miete inkludiert sind die Nutzung der Gemeinschaftsräume und ein Mobilitätsangebot von „bernmobil“. Ein spezielles Carsharing-Angebot und ein Mobilitätsfonds sorgen dafür, dass die autofreie Huebergass entschleunigt bleibt und eine klimaschonende Mobilität unterstützt wird.

Biodiversität und soziale Diversität

Die Parkanlage ist öffentlich und Teil des Quartiers – ein Freiraum, der allen Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen Angebote macht. Daneben gibt es auch Brachflächen, in denen sich die Vegetation unkontrolliert ausbreiten darf, großzügige Retentionsflächen und möglichst wenige versiegelte Flächen. Der reichhaltige Baumbestand und die Platanenallee rund um das ehemalige Gartenareal blieben stehen. Ihre endgültige Gestalt fanden die Außenzonen erst in einem partizipativen Prozess. Zu Beginn moderierte ein Siedlungsgärtner die Initiativen aus der Anwohnerschaft. Was diese auf dem "Vorpark" erprobten, floss später in die definitive Parkgestaltung ein. Auf diese Weise entstand ein partizipativ genutzter und betriebener Park, und aus dem Stadtteilpark wurde ein lernender Park – bis heute setzt sich das gemeinsame Engagement in der pulsierenden Siedlung und darüber hinaus fort.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /