© Nils Herrig- pixabay.com / Elektroauto
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Aktuelle Entwicklungen von Elektromobilität im Fokus

Eltefa 2017: „Um Elektromobilität kommt niemand herum“

Stuttgart- Zur Eröffnung der 19. Eltefa, Fachmesse für Elektrotechnik und Elektronik, diskutierten Ende März Spitzenvertreter von Verbänden, Wirtschaft und der Messe Stuttgart über die Forderung der deutschen Bundesregierung nach mehr Elektromobilität und ihre Auswirkung auf die Branche.

Moderator Thomas Bürkle, Präsident des Fachverbands Elektro- und Informationstechnik Baden-Württemberg und Vorsitzender des Eltefa-Messebeirats, hob in seiner Einführung die vielen Veränderungen im Elektromarkt hervor, die Digitalisierung und Elektromobilität mit sich bringen. Nicht nur im Raum Stuttgart gewinne Elektromobilität immer mehr an Bedeutung. Für das E-Handwerk ergäben sich daraus Auftragspotenziale in den Marktsegmenten Smart Home und Smart Building.

Elektromobilität braucht Ladeinfrastruktur

Andreas Bettermann, Vorsitzender des Fachverbands Elektroinstallationssysteme im ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, wandte ein, dass auch wenn das Ziel der Bundesregierung offiziell noch stehe, bis 2020 eine Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen zu haben, dies derzeit nicht realistisch sei. Die Zahl der Neuzulassungen lag 2016 mit rund 11.400 Fahrzeugen knapp unter dem Vorjahreswert. Der Verbraucher orientiere sich beim Kauf noch an den Eigenschaften seines bisherigen Fahrzeugs, mit dem er über weite Strecken ohne nachzutanken fahren konnte. Deshalb setze sich der ZVEI dafür ein, öffentliche Ladeinfrastruktur auszubauen. Der Grundstein dafür sei deutschlandweit mit etwa 10.000 Ladesäulen und 1.000 Schnell-Ladestationen gelegt. ‘Die zentrale Herausforderung wird sein, Stationen zu entwickeln, die schnelle Ladezyklen und damit kurze Belegungszeiten haben’, ergänzte Dr. Christian Koof, Hauptgeschäftsführer des CDH-Wirtschaftsverbands für Vertrieb.


Bürkle betonte, dass Elektromobilität gerade im Raum Stuttgart an Bedeutung gewinnt, weil es ab 2018 an Feinstaubalarmtagen Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge gibt, die die Abgasnorm Euro 6 nicht erfüllen. Für Koof ‘kommt das Fahrverbot einem Berufsverbot gleich, und es stellt eine soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit dar.’ Als Interessenvertreter der selbständigen Vertriebsunternehmen auf B2B-Ebene plädiere er dafür, zwischen Nah- und Fernverkehr zu differenzieren. Im Grundsatz solle der Nahverkehr größtmöglich mit E-Mobilitätskonzepten abgewickelt werden. Ein Beispiel hierfür sei die Deutsche Post, die bereits in Bochum, Köln, Stuttgart und Hamburg mit den elektrisch betriebenen Street-Scootern Pakete ausliefert.

Hausinstallation als Grundlage für Elektromobilität

Der Moderator wies darauf hin, dass 80 Prozent aller Ladestationen für E-Fahrzeuge im privaten und halböffentlichen Bereich benötigt werden – und das sei schließlich die Domäne des Elektroinstallateurs und seiner Lieferanten. Zwar sei die Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Ladebox standardisiert, aber nicht in jedem Haus könne ohne Weiteres ein E-Mobil geladen werden. Daher gewinne die Hausinstallation als Grundlage für Elektromobilität immer mehr an Bedeutung. Das sei zwar richtig, so Bettermann, jedoch seien die Elektroinstallationen in den meisten Bestandsgebäuden nie für einen hohen Dauerstrom, wie er beim Laden eines Elektrofahrzeugs auftritt, ausgelegt. Dies belege eine Studie, die sein Verband vor anderthalb Jahren veröffentlicht hat. ‘Im Extremfall ist die Sicherheit der Hausbewohner nicht mehr gewährleistet’ warnt Bettermann. Im Gegensatz zu gewerblich genutzten Anlagen gebe es für Wohngebäude keine rechtlichen Anforderungen, die Gebäudeinstallation auf ihre Sicherheit hin zu prüfen. Koof sieht ein riesiges Marktpotenzial für neue Ladeinfrastruktur und neue, innovative Geschäftsmodelle, die durch Hausinstallationen für Elektromobilität getrieben werden. Was bislang fehle, sei die Ladeinfrastruktur. In diesem Bereich sei die Wirtschaft noch viel zu zurückhaltend.

Stuttgart ist 2017 Welthauptstadt der Elektromobilität

Rommel sieht die Potenziale, vor allem im Ein- und Zweifamilienhausbereich und im kleineren Gewerbebau, also ‘überall dort, wo das Handwerk mit dem Elektrogroßhandel zusammenarbeitet.’ Für Thomas Walter, Bereichsleiter des Geschäftsbereichs Industrie & Technologie der Messe Stuttgart, gehen die Aufgaben des Elektrohandwerks darüber weit hinaus. Elektrofahrzeuge, die während der Arbeitszeit in den Tiefgaragen oder auf Parkplätzen stünden, müssten mit Ladestrom versorgt werden. Dafür böten sich zum Beispiel Photovoltaik-Module an. So würden die E-Fahrzeuge mit erneuerbaren Energien betrieben und überschüssiger Strom könne im Gebäude selbst verbraucht werden. Auch dafür sei eine umfangreiche Infrastruktur notwendig, die das Elektrohandwerk schaffen müsse. ‘Als Messe Stuttgart haben wir den Anspruch, das Thema Elektromobilität insgesamt voranzubringen. Nicht umsonst ist Stuttgart 2017 Welthauptstadt der Elektromobilität. Anfang Oktober findet auf dem Messegelände die EVS30, der renommierte Weltkongress der Elektromobilität, statt’, so Walter.

Am Ende der Talk-Runde fasste Bürkle zusammen: ‘Ob Hersteller, Vertrieb, Händler oder Handwerk – um Elektromobilität kommt niemand mehr herum. Wegen der Feinstaubbelastung drohen nicht nur in Stuttgart, sondern in immer mehr Städten Fahrverbote. Auch das könnte dieser neuen alten Mobilitätsform zum Durchbruch verhelfen.’


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /