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Große Mobilitätsunterschiede zwischen Österreichs regionalen Zentren

Wörgl, Bruck/Mur und Bludenz top - Birkfeld und Matrei schlecht angebunden

Wien - Beim Mobilitätsangebot gibt es nicht nur ein Stadt-Land Gefälle, auch zwischen den Regionen sind die Unterschiede groß, wie eine neue VCÖ-Publikation zeigt. Top angebunden an das öffentliche Verkehrsnetz sind Wörgl, Bruck an der Mur und Bludenz, schlecht ist das Angebot unter anderem im steirischen Birkfeld und in Matrei. Von 124 regionalen Zentren haben zwölf keine Bahnverbindung. Unterschätzt ist das hohe Potenzial von Radfahren, Carsharing und auch Gehen in den regionalen Zentren.

Größere regionale Zentren wie Villach, Wels oder Mödling und Baden sind gut öffentlich erreichbar. Der VCÖ hat im Detail aber auch die kleineren regionalen Zentren mit weniger als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner unter die Lupe genommen. Die neue VCÖ-Publikation "Nachhaltige Mobilität für regionale Zentren" zeigt: Außerhalb des Ballungsraums Wiens verfügen Wörgl, Bruck an der Mur, Bludenz, Rankweil, Hall in Tirol, Vöcklabruck und Tulln über das beste öffentliche Verkehrsangebot. Im Ballungsraum Wien sind zudem noch Schwechat, Korneuburg und Vösendorf drei regionale Zentren mit weniger als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Dagegen sind unter anderem die Orte Birkfeld, Matrei, Güssing, Bad Gleichenberg und Abtenau nur schlecht an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen.

In Österreichs 124 regionalen Zentren wohnen knapp 1,5 Millionen Menschen, 915.000 Menschen arbeiten hier, davon pendeln 560.000 aus dem Umland ein, macht der VCÖ aufmerksam. Weitere 150.000 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrlinge und Studierende pendeln ebenfalls in die regionalen Zentren ein. "Ziel muss sein, dass alle regionalen Zentren gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Es braucht bundesweit eine Mindestfrequenz an Linienverkehren, die von bedarfsorientierten Angeboten ergänzt werden", betont VCÖ-Experte Markus Gansterer.

Der VCÖ weist darauf hin, dass zwölf von 124 regionalen Zentren derzeit nicht mit der Bahn erreichbar sind, davon haben fünf keinen Bahnhof. Weitere 14 Orte haben weniger als 25 Zugverbindungen pro Tag. In jedem dritten regionalen Zentrum halten zwischen 50 und 99 Züge pro Tag und 28 regionale Zentren weisen 100 oder mehr Halte pro Tag auf. "Neben der Modernisierung bestehender Regionalbahnen sind in stark wachsenden Regionen neue Verbindungen zu errichten", so VCÖ-Experte Gansterer.

Eine sehr wichtige Rolle hat der Busverkehr. Immerhin 72 regionale Zentren verfügen über zehn oder mehr Buslinien, 21 davon verfügen über 20 oder mehr Buslinien, so die VCÖ-Publikation. Darüber hinaus bieten 55 regionale Zentren einen eigenen Stadtverkehr mit regelmäßigen Verbindungen an. Von den Orten ohne Bahn haben Oberwart, Oberpullendorf und Zwettel zumindest eine höhere Anzahl an Busverbindungen. 39 regionale Zentren verfügen über so genannte Mikro-ÖV Systeme, das sind Gemeindebusse oder Anrufsammeltaxis. Diese Bedarfsverkehre sollen Ergänzung zum regionalen Bahn- und Busverkehr sein.

Unterschätzt ist das Potenzial von Carsharing in regionalen Zentren. "Carsharing ist für die Regionen mindestens so gut geeignet wie für große Städte. Einzig die Organisationsform ist eine andere", so VCÖ-Experte Gansterer. Jedes dritte regionale Zentrum (34) verfügt über ein Carsharing-Angebot, allein in Niederösterreich gibt es in zehn regionalen Zentren E-Carsharing. Dabei wird in der Regel von der Gemeinde ein E-Auto zum Ausleihen der Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Zudem kann in Wohnsiedlungen über einen Mobilitätsfonds das gemeinsame Nutzen von Autos ermöglicht werden. In den Regionen gibt es besonders viele Zweitautos. Diese werden im Schnitt nur 8.500 Kilometer pro Jahr gefahren und sind weniger als eine Stunde pro Tag im Einsatz.

Deutlich umweltfreundlicher kann die Mobilität in der Region durch die verbesserte Kombination Öffentlicher Verkehr und Fahrrad werden. Eine Erhebung für die Region Leithagebirge - Neusiedlersee zeigt, dass im Radius von 3,6 Kilometer von den Bahnhaltestellen fast jeder Punkt abgedeckt ist - ein Radius, der bei guter Infrastruktur leicht per E-Fahrrad oder auch mit einem normalen Fahrrad zu bewältigen ist. Die öffentlichen Verkehrsunternehmen haben in Zusammenarbeit mit den Gemeinden verstärkt auf eine gute Erreichbarkeit der Bahnhöfe mit dem Fahrrad zu achten und ausreichend Rad-Abstellplätze anzubieten.

Einen großen Beitrag für eine umweltfreundlichere Mobilität kann die Siedlungspolitik der Gemeinden leisten. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Zersiedelung massiv zugenommen. In Österreich leben bereits 18 Prozent der Bevölkerung in Siedlungen mit weniger als 250 Personen. Je zersiedelter die Region, umso höher ist die Abhängigkeit vom Auto. Je höher die Siedlungsdichte, umso mehr Menschen legen Alltagswege zu Fuß, mit dem Rad oder im öffentlichen Verkehr zurück. Zusatzvorteil einer Ortsplanung, die das Wohnen im Ortszentrum forciert: Die Nahversorgung und die regionale Wirtschaft werden gestärkt, älteren Menschen haben die Chance, selbständig Einkäufe erledigen zu können und haben mehr soziale Kontakte.

Definition "regionale Zentren" laut ÖROK (Österreichische Raumordnungskonferenz): Bezirkshauptstädte sowie bedeutender Einpendelort oder wichtiger Schulstandort oder Spital


Regionale Zentren mit bestem Öffentlichen Verkehrsangebot
(regionale Zentren mit weniger als 20.000 Einwohner - außerhalb Ballungsraum Wien)


1. Wörgl (T): 164 Züge/Werktag (248 Busabfahrten an zentraler Bushaltestelle), + Stadtverkehr
2. Bruck an der Mur (ST): 192 Züge (214 Busabfahrten), + Stadtverkehr
3. Bludenz (V): 203 Züge (177 Busabfahrten), + Stadtverkehr
4. Rankweil (V): 118 Züge (258 Busabfahrten), + Gemeindebus
5. Hall in Tirol (T): 134 Züge (232 Busabfahrten), + Stadtverkehr
6. Vöcklabruck (OÖ): 94 Züge (224 Busabfahrten), + Stadtverkehr
7. Tulln (NÖ): 177 Züge (121 Busabfahrten), + Stadtverkehr
Quelle: VCÖ 2016

Die Top 3 im Ballungsraum Wien
(nur Orte mit weniger als20.000 Einwohner)
1. Schwechat (NÖ): 89 Züge (212 Busabfahrten), + Stadtverkehr
2. Korneuburg (NÖ): 130 Züge (160 Busabfahrten), + Stadtverkehr
3. Vösendorf (NÖ): 204 Züge (62 Busabfahrten), + Gemeindebus
Quelle: VCÖ 2016

Besonders schwach an öffentlichen Verkehr angebundene regionale Zentren
1. Birkfeld (ST): Kein Zug / 24 Busabfahrten
2. Matrei (T): Kein Zug / 26 Busabfahrten
3. Güssing (B): Kein Zug / 27 Busabfahrten - plus Mikro-ÖV
4. Bad Gleichenberg (ST): 8 Züge /18 Busabfahrten - plus Mikro-ÖV
5. Abtenau (S): Kein Zug / 33 Busabfahrten
6. Pinkafeld (B): Kein Zug / 38 Busabfahrten
7. Eisenerz (ST): Kein Zug / 39 Busabfahrten - plus Stadtverkehr
Quelle: VCÖ 2016


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /