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Enttäuschung bei NGOs: 18 Monate Zulassungsverlängerung von Glyphosat in der EU

Die EU-Kommission missachtet das Vorsorgeprinzip - Die Verantwortung liegt nun bei Chemikalienbehörde ECHA

Brüssel & Wien - Nicht ganz unerwartet, aber dennoch enttäuschend ist für die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 die gestern getroffene Entscheidung der EU-Kommission, die Zulassung von Glyphosat um weitere 18 Monate zu verlängern, obwohl die Internationale Agentur für Krebsforschung IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO das Unkrautvernichtungsmittel 2015 als ’wahrscheinlich für den Menschen krebserregend’ eingestuft hat.

‘In einer Zeit wachsender EU-Skepsis hatte die Europäische Kommission die Chance, ein starkes Signal an die Bevölkerung Europas zu senden, nämlich dass die Gesundheit der Menschen und der Schutz der Umwelt in der Europäischen Union Vorrang haben. Diese Chance hat die Kommission leider nicht genützt’, bedauert Helmut Burtscher, Umweltchemiker von GLOBAL 2000.

Dabei ist der unaufgelöste Widerspruch zwischen der Krebs-Einstufung durch die IARC und der Bewertung durch europäische Zulassungsbehörden ein Anwendungsfall für das in den EU-Verträgen verankerte Vorsorgeprinzip. Das Vorsorgeprinzip ermöglicht es, in Fällen fehlender Gewissheit bezüglich Art, Ausmaß oder Eintrittswahrscheinlichkeit von möglichen Schadensfällen vorbeugend zu handeln, um diese Schäden von vornherein zu vermeiden.

Kommission schiebt die Verantwortung zu Chemikalienagentur ECHA

Viermal in Serie ist die Kommission mit ihrem Versuch gescheitert, die Mitgliedsstaaten für eine gemeinsame Entscheidung in dieser heiklen Zulassungsfrage zu gewinnen. Nun spielt sie den Ball - möglicherweise auch aus Angst vor gerichtlichen Klagen durch die Industrie - an die Europäische Chemikalienagentur ECHA weiter. Diese muss mit ihrer im kommenden Jahr anstehenden Klassifizierung der Kanzerogenität von Glyphosat de fakto über das weitere Schicksal des Pestizids entscheiden.

Da die Klassifizierung durch die ECHA auf vergleichbaren – teilweise sogar wortidenten - Bewertungskriterien basiert wie die Krebseinstufung der IARC und die ECHA auch auf die gleichen Daten zurückgreifen kann, wäre eigentlich eine EU-Klassifizierung als Karzinogen der Kategorie 1B zu erwarten. Das würde aber bedeuten, dass Glyphosat in Europa seine Zulassung verlieren würde.

Allerdings stünde eine solche Klassifizierung durch die ECHA in krassem Widerspruch zur Einschätzung der Schwesternbehörde EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit), die Glyphosat bekanntlich als wahrscheinlich nicht krebserregend beurteilt.

GLOBAL 2000 hofft und vertraut, dass die ECHA so wie auch zuvor die IARC die Krebsgefahr von Glyphosat rein nach wissenschaftlichen Kriterien auf Basis der regulatorischen und der öffentlich publizierten Krebsstudien bewertet.

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist enttäuscht über die Entscheidung und meint: "Jetzt liegt es an Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter, Verantwortung für die Gesundheit der Menschen in Österreich zu übernehmen. Greenpeace fordert für Österreich ein sofortiges Verbot aller Anwendungen, wo Menschen mit dem Wirkstoff direkt in Kontakt kommen können. Darunter fällt etwa der Gebrauch im eigenen Garten oder in öffentlichen Parkanlagen." Darüber hinaus fordert die Umweltschutzorganisation einen generellen Ausstiegsplan für Glyphosat in Österreich bis Ende 2017.

‘Es ist ein großer Erfolg, dass die ursprünglich geplante Neuzulassung um 15 Jahre verhindert werden konnte. Die EU-Kommission setzt sich jetzt aber über die fehlende Zustimmung der beteiligten Länder hinweg. Die Verlängerung der bestehenden Zulassung um bis zu 18 Monate bedeutet, dass sich vorerst nichts ändert’, sagt Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher bei Greenpeace in Österreich. ‘Trotz der Bedenken für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt wird der Wirkstoff nun in ganz Europa weiterhin in großen Mengen eingesetzt werden. Das ist mit dem Vorsorgeprinzip unvereinbar.’ Österreich braucht den beim Menschen wahrscheinlich krebserregenden Wirkstoff gar nicht. Ungiftige Alternativen stehen bereit - von der mechanischen Unkrautbekämpfung bis zu modernen Heißdampfverfahren.

"Es braucht ein sofortiges Verbot der Anwendung des Totalherbizids überall dort, wo Menschen direkt damit in Kontakt kommen können. Außerdem ist es dringend notwendig, dass Minister Rupprechter für Österreich einen Glyphosat-Ausstiegsplan bis Ende 2017 veranlasst’, fordert Theissing-Matei.




"Folgt sie der Empfehlung ihrer Zulassungsbehörde, dann hält sie ein Pestizid am Markt, welches laut WHO 'wahrscheinlich beim Menschen krebserregend' ist. Lässt sie hingegen die Zulassung auslaufen, könnten Milliardenklagen von Monsanto & Co über sie hereinbrechen.’, sagt Helmut Burtscher, Umweltchemiker bei GLOBAL 2000: "Die Juncker-Kommission hat sich offensichtlich für das Risiko von zusätzlichen durch Glyphosat verursachten Krebserkrankungen entschieden.’


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /