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Tschechien: Mladeks Wahl - Atomkraft oder Bruch der Kohleabbaulimits

"Es könnte passieren, dass zwischen 2025 und 2035 die Leistung des bestehenden AKWs Dukovany nicht mehr zur Verfügung steht, neue Blöcke aber noch nicht in Betrieb sein werden,", sagt Minister Jan Mladek.

In diesem Fall würden wir den Strom aus der Kohle produzieren müssen, die in Nordböhmen unter den Gemeinden Horni Jiretín und Cernice liegt, in Gemeinden also, die bisher noch von den geltenden Abbaulimits gesetzlich geschützt werden.

Industrie- und Wirtschaftsminister Mladek zeigt sich von der Tatsache beunruhigt, dass das Staatsamt für Kernsicherheit (SÚJB) die Laufzeit der Atomblöcke im südmährischen Dukovany den gegebenen Standards folgend nur um 10 Jahre verlängert, und nicht gleich um 20, wie Jan Mladek das möchte.

Die Vorsitzende des Amtes SUJB, Dana Drabova, beeilte sich aber umgehend mit der Versicherung, dass, falls es den politischen Willen dazu geben wird, Dukovany aus rein technischer Sicht auch noch bis zum Jahre 2040 würde laufen können. Also - kein Problem.
Diese banale Episode verrät jedoch die Logik, von der sich der Minister und die gesamte Regierung leiten lassen: entweder Atom oder Kohle. Das ist dieselbe Logik, wie sie auch am Beginn der 90er Jahre hinter der Entscheidung gestanden war, Temelín doch fertigzustellen.

Das neue Atomkraftwerk würde das Abstellen der Kohlekraftwerke in Nordböhmen und damit die Zerstörung der dortigen Landschaft ermöglichen, sagte man damals. Das Ergebnis war, dass die Reaktoren in Temelín laufen (aufgrund eines Störfalls gerade ja nicht, Anm.d.Ü.), die Kohlekraftwerke aber nicht außer Betrieb genommen wurden und darüberhinaus das kleine Tschechien zu den größten Stromexporteuren ganz Europas gehört.



Das mag günstig sein für CEZ, aber den Steuerzahler kostet es laut Angabe aus dem Umweltministerium etwa 2 Milliarden Kronen jährlich. Diese Angabe stammt zwar aus dem Jahre 2010, wir können sie aber als aktuell annehmen, weil sich der Umfang der Stromausfuhren und weitere Parameter seit damals kaum geändert haben.
Jetzt schreiben wir 2015 und die Politiker versuchen neuerlich, uns das gleiche Dilemma einzureden: entweder errichten wir neue Atomreaktoren und verlängern die Laufzeit der bestehenden AKWs, oder wir werden die Braunkohlereviere ausweiten müssen.
Wieder werden wir mit der Vorstellung geschreckt, dass der Stromverbrauch steigt und wir dann bald keinen Strom mehr zum Leuchten haben würden und die Industrie in die Knie gehe. Das ist die Grundidee des unlängst beschlossenen aktualisierten staatlichen Energiekonzeptes.

Die Unsinnigkeit derartiger Überlegungen zeigt sich dabei heute noch klarer als Anfang der 90er Jahre. Die Trends der letzten Jahre bei uns und in anderen Ländern zeigen, dass das ökonomische Wachstum und der Stromverbrauch in keinster Weise zusammenhängen müssen.

Europa schwimmt im Überschuss der erzeugten Elektrizität und der Stromverbrauch liegt etwa auf dem Niveau des Jahres 1990. In Deutschland werden Kohle- und Atomkraftwerke eins nach dem anderen stillgelegt. Die Produktion durch erneuerbare Energiequellen und deren Effizienz übertrifft auch die gewagtesten Szenarien.

Und das Heizen mit Kohle, für das Mládek ein sofortiges Brechen der Kohleabbaulimits in der Grube Bílina fordert, ist im entwickelten Europa ein Anachronismus.

Auch bei uns wurde längst ausgerechnet, dass sich durch das thermische Isolieren von Gebäuden und mittels weiterer Maßnahmen die Heizkosten auf die Hälfte reduzieren ließen. Wobei zusätzlich noch die heimische Industrie gefördert würde und dreimal mehr Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, als durch einen Ausbau in Temelín.

Im Industrie- und Handelsministerium scheint allerdings die Zeit stehen geblieben zu sein.


Autor: Jakub Siska

Übersetzung: Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit.eu

Dieser Beitrag wurde am 4.7.2015 im tschechischen Original in der Rubrik "Názory a argumenty" im Tschechischen Rundfunk unter
http://www.rozhlas.cz/plus/nazory/_zprava/1509023 veröffentlicht.

GastautorIn: Jakub Siska für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /