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Agenda 2021 - Für ein „Erneuerbares Europa“

Wiener Appell anlässlich des 25. Jubiläums der Gründung von EUROSOLAR AUSTRIA

Peter Droege
President’s Policy Release and Austrian Vienna Resolution 2014. Eurosolar e.V.


Die sozialpolitische, wirtschaftliche, oekologische und militärische Stabilität der Europäischen Union ist insgesamt grundlegend höchst gefährdet wegen der bedingungslosen Abhängigkeit der einzelnen Länder dieser Europäischen Union von der noch immer vorherrschenden Nutzung der teuren, giftigen, gefährlichen und krisenanfälligen - weil eben leider nicht erneuerbaren Energiequellen - und den daraus zwangsläufig krisenanfälligen Verteilungsnetzwerken.

Daher ist nun die Erstellung regionaler Strategien zwecks Aufbau erneuerbarer Energieversorungssysteme in der jeweiligen Region ein erster grundlegender Schritt zur Beseitigung dieser Risikofaktoren. Anlässlich des 25. Jubiläums der Gründung von EUROSOLAR AUSTRA in Wien bekräftigen die Unterzeichneten ihre Unterstützung der folgenden Punkte, als ‘Aufruf für ein Erneuerbares Europa’.


1 Ein friedliches und vereintes Europa: wirtschaftlich stark, stabil und produktiv, eine offene Allianz, integriert jedoch vielfältig: das ist die beste Vision der Europäischen Union. Aber
dies bleibt ein unerfüllbarer Traum, solange sich Europa auf gefährliche und veraltete Energieressourcen und die Spekulation in subventionierten Märkte für Erdgas, Kohle, Öl und Uran stützt. Diese Systeme sind von Natur aus instabil und ungeeignet als Grundlage für eine wohlhabende und sichere Zukunft.

Friede, Stabilität, Wohlstand und gesunde sozioökonomische Perspektiven verlangen sowohl strategisch ausgerichtete wie freundschaftlich zusammenwirkende Stärke, die auf der Sicherheit erneuerbarer Ressourcen gründet. Nur ein gesamteuropäischer, umfassend und schnell bereitgestellter Rahmen für die vollständige Einführung erneuerbarer Energien kann dies garantieren.


2 Ein Erneuerbares Europa ist das Mandat unserer Zeit - für Gemeinden, Bundesländer und die nationale wie internationale Politik. Die Union ist der politischen und finanziellen Destabilisierung ausgesetzt - und mag ihrer riskanten und wenig durchdachten Energiepolitik wegen gar auseinander-, bzw. zusammenbrechen. Die aktuellen internationalen Finanz- und Sicherheitskrisen haben gemeinsame Wurzeln in der fossil-nuklearen Energiekrise. Und trotz mannigfaltig auf 'Nachhaltigkeit' ausgerichteter Politik und in ihren Lippenbekenntnissen schier uferlosen Programmen und Projekten zum Thema "nachhaltige Entwicklung" ist Europa paradoxerweise immer noch in den steuerlich begünstigten und technologisch veralteten Energiesystemen der Vergangenheit verstrickt.
Die Union scheint in ihrer fehlerhaften Energiepolitik gefangen; dennoch: sie muss sich davon befreien. Sie muss ihre inkonsequenten und schwachen Klimaschutzmassnahmen in eine Entfesselung der Erneuerbaren überführen, indem sie sich von ihrer Blindheit gegenüber dem drohenden Kollaps der konventionellen Netto-Ölproduktion abkehrt, und dem sinnlosen Spiel mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage - CCS) und anderen irrigen, riskanten und teuren Versuchen der Vermeidung des Unvermeidlichen ein Ende bereitet:
nämlich durch die komplette Entfossilisierung und Denuklearisierung des Kontinents.
Hierzu bedarf es eines europäischen Marktrahmens für national flexible und nach oben nicht begrenzte, lokale und regionalen Unterstützung der 'Prosumption' durch Einspeisetarife, Effizienzstärkung, dem Ausbau erneuerbarer Wärme und Mobilität, durch Speichersysteme
und intelligente Netze:
gleichzeitig mit der konsequenten Abschaffung der fossilen und atomaren Energie-
subventionen, von Forschung bis Verbrauch.


3 Aus dem Stollen in die Sonne! Um sich für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen, muss Europa seine eigenen Wurzeln überwinden. Seine historisch-wirtschaftlichen und politischen Allianzen müssen gebrochen werden. Die Allianz der heute 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) entstand aus dem ursprünglichen Dreieck der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG). Sechs Mitgliedstaaten kamen zusammen im Jahr 1951, um den Vertrag von Paris zu unterzeichnen und die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) zu etablieren. Die Verträge von Rom lancierten EURATOM und die EWG im Jahr 1957. EURATOM blieb eine gesonderte Vereinigung bis zum heutigen Tag, während die EWG und EGKS in die EG und die breitere EU verwandelt wurden, in verschiedenen, zwischen 1967 und 2002 abgeschlossenen Verträgen. Die Kohle lodert seither weiter; bei 400 ppm CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist es jedoch bereits "Zehn Minuten nach Mitternacht", wenn es um das Aufgeben der fossilen Energien zugunsten eines 100% erneuerbaren Europas geht. Zeit, aufzuwachen, und aufzuwachsen.


4 Zeit für die Entnuklearisierung Europas: Die EU benötigt Gesetzesinitiativen, Finanzierung und Aktionsprogramme für das Stoppen laufender Neubaubemühungen und das Stilllegen aller Kernreaktoren in den 14 nuklearen Mitgliedsstaaten (Russland ist also hier nicht mit aufgeführt, muss aber auch Ziel unserer Bemühungen sein). Hilfsprogramme sind insbesonders für finanziell schwächere Mitgliedsstaaten notwendig, um Ländern wie der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik, Ungarn, Rumänien, Slowenien und der Ukraine beizustehen. Die 132 Reaktoren der EU, die Millionen bedrohen, produzieren ja nur 30% des europäischen Stroms:
eine Menge, die in 10 bis 15 Jahren durch erneuerbare Energien bereitgestellt werden kann.


5 Die europäische Richtlinie für 20% erneuerbare Energien bis 2020 (2009) war von Anfang an unzureichend, aber sogar dieses zierliche Ziel wird schwer zu erreichen sein: so halbherzig sind die EU-Maßnahmen. In den wenigen verbleibenden Jahren müssen Aktionen und Finanzierungen verstärkt und beschleunigt tatsächlich erbracht werden, und die Ziele müssen viel stärker in der wirtschaftlichen, regionalen und lokalen Politik der EU integriert werden. Diese Ziele müssen nun als die tatsächlich zu erreichende Mindestschwelle gelten – und dürfen nicht nur als schönstes Hoffnungsziel für weitere erneuerbare Energieförderungen dienen. So brauchen Aussenseiterkonzepte wie die "Allianz für 100% bis 2050" die Einbeziehung in eine greifbare Roadmap und kurzfristige Konzepte für die breite Umsetzung. Bedingung für die Zulassung neuer Unionsmitglieder müssen voll ausgearbeitete und zur Verabschiedung prozessierte Denuklearisierungs- und Defossilierungsprogramme in den Beitrittsländern sein.


6 Regionale Versorgungssysteme: die moderne Energieversorgung geschieht von unten nach oben, bedarf jedoch freier Marktbedingungen und nationaler Rahmen: das Erneuerbare Europa geschieht vielerorts und bereits, von Grund auf. Die Vorstellung einer zentral gesteuerten, massiven Infrastrukturvernetzung des gesamten Kontinents stammt aus vergangenen Jahrhunderten und muss der Gegenwart weichen, nämlich der Präferenzierung - der Schwerpunkt aller Regelungen und Aktivitäten gilt der Selbstversorgung und der Entfesselung eines erneuerbaren Energiereichtums auf lokaler und regionaler Ebene. Solch ein Energiegebäude hat solide Stärke von der Basis und dient der Demokratie und Freiheit des Marktes.


7 Erneuerbarer EURO: die EU muss als Ziel haben, den Euro zur erneuerbaren Währung zu machen. Indem wir als starke und globale Wirtschaftsmacht einen monetären Vermögenswert frei von fossilen Brennstoffen und Atomkraft verfolgen, unterstützen wir die weltweite Energiewende von Afrika bis Antarktika. Der NEUE EURO, solar denominiert, ist eine stabile Versicherung gegen die Launen einer zunehmend fragilen Weltwirtschaft.


8 Agenda 2021: Netzwerke für ein regenerierendes Europa: um diese Ziele im existenziellen Interesse von Gesellschaft und Wirtschaft zu verfolgen, sind alle erneuerbar fokusierten Organisationen von EUROSOLAR über Eufores bis Greenpeace, REN 21, 350.org und ICLEI sowie alle anderen lokalen Energie- und umweltpolitischen Bewegungen stärker zu vernetzen, die insbesondere auch privatwirtschaftliche und lokale und regionale Regierungsorganisationen umfassen müssen - in freier Zusammenarbeit mit anderen globalen Allianzen und Akteuren.
Wir appellieren an alle, die das 100%ig erneuerbare Ziel nicht erst für das Jahr 2050 verfolgen, sondern vielerorts viel früher, und gleichzeitig breit und massiv die Entwicklung biologischer Kohlenstoffsenken in Böden, Wassersystemen, Wäldern und Materialien ausbauen, um die atmosphärischen CO2-Konzentrationen zu senken.

Dies erklären wir zur Agenda 2021: ein Erneuerbares Europa, klimastabil, wirtschaftlich stabil, sozial stabil, regenerativ, und politisch orientiert auf 100%ige erneuerbare Energieversorgung, schnell und vielerorts. Bis zum Jahr 2021 muss diese Einigung nicht nur erreicht, sondern auch in Umsetzung begriffen sein. Vor 25 Jahren fiel die Mauer in Berlin, nun ist es an der Zeit, dass die Mauern gegen eine lebenswerte Zukunft überwunden werden.


Wien, 10. November 2014
Prof. Peter Droege, Präsident von EUROSOLAR

EUROSOLAR e.V.
Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien
Kaiser-Friedrich-Straße 11
D-53113 Bonn
www.eurosolar.de


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /