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EAA-Energie Talk: "Steigende Gefahr von Blackouts?"

Das österreichische Elektrizitätssystem gehört zu den zuverlässigsten weltweit. Trotzdem steigen die Risiken für die Energieversorgung.

Die verstärkte Integration der erneuerbaren Energieträger ins Netz erhöht die Volatilität. Höhere Gewalt und Hackerangriffe bedrohen die Energieinfrastruktur. Ein diesbezügliches Risikobewusstsein ist in der Gesellschaft nur in Ansätzen vorhanden.

Die Österreicher und Österreicherinnen waren im Jahr 2013 durchschnittlich 48 Minuten ohne Strom. Die Verfügbarkeit von Strom liegt bei 99,99 Prozent. Auch wenn das hohe Niveau der Versorgungssicherheit heute als gegeben erachtet wird, steigen die Risiken für die Energieversorgung. Intelligente Mess- und Zählsysteme, sogenannte Smart Grids für Verbrauchs- und Produktionssteuerung, machen die Energieinfrastruktur anfälliger für höhere Gewalt und Hackerangriffe. "Wie wahrscheinlich sind schwerwiegende Stromausfälle in Österreich und sind wir wirklich darauf vorbereitet?" Diese Frage stand Mittwochabend beim Energie Talk der EAA-ENERGIEALLIANZ Austria im Vienna Twin Tower im Mittelpunkt einer hochkarätigen Diskussion.

Angesichts der wachsenden Komplexität und der extremen Vernetzung von Systemen und der damit einhergehenden Verwundbarkeit haben Marc Elsberg, österreichischer Autor des Bestsellers "Blackout" , Gerald Karner, Militärstratege, Brigadier a.D. und Geschäftsführer der Aventus GmbH, Univ.-Prof. Dr. Dipl. Ing. Reinhard Haas vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe an der Technischen Universität Wien sowie Oliver Eckel, Geschäftsführer des IT-Sicherheitsdienstleisters Cognosec GmbH kontroversiell diskutiert.

Eigentliche Gefahr liegt innerhalb des Systems

Autor Marc Elsberg: "Wir haben durch die steigende Komplexität und Vernetzung des gesellschaftlichen Gesamtsystems einen "Moloch˜ geschaffen. Durch diesen sind die wesentlichen Infrastrukturen wie Energie, Mobilität, Banken, die Lebensmittelindustrie oder die Wasserversorgung sehr verletzlich geworden. Schon ein kleiner Fehler oder Angriff kann heute quer durch das gesamte System schlagen." Seiner Meinung nach sind in diesem Kontext die erneuerbaren Energieträger nicht "grundsätzlich problematisch". Es wurde nur darauf vergessen, Sicherheitsstrukturen im Gesamtsystem einzubauen. "Das bedeutet, dass die sichere Infrastruktur nicht mit dem rasanten Ausbau der Erneuerbaren mitgewachsen ist", sagte Elsberg: "Grundsätzlich mangelt es häufig an ‚Sicherheit per Design‘ in unseren komplexen Systemen."

Angst vor Blackouts ist übertrieben

Der Energieökonom Reinhard Haas schätzte die Situation anders ein: "Aus energiewirtschaftlicher Sicht wird die Gefahr von großflächigen Stromausfällen in Zukunft nicht ansteigen." Haas sieht zwar "unkalkulierbare Risiken aufgrund höherer Gewalt. Das war aber schon vor 50 Jahren so und daran wird sich künftig auch nichts ändern." Aber es werde keine dramatischen Vorkommnisse geben, daher wolle er keine Horrorszenarien zeichnen. Vielmehr solle Österreich das Risiko mindern: "Durch das Beseitigen von Netzengpässen und den Ausbau der 380-KV-Leitung oder indem wir sicherstellen, dass Kraftwerke kaltstartfähig sind." Laut Haas seien außerdem ausfallgefährdete Kraftwerke in Europa zu identifizieren und Strategien zu erarbeiten, wie diesen Gefahren zu begegnen sei.

Die Integration der erneuerbaren Energieträger verursacht nach Ansicht von Haas keine Erhöhung der Risiken von Stromausfällen. Sowohl die erhöhte Volatilität im Netz als auch Sondereffekte im Energiefluss, sogenannte "loop-flows", sind von der APG und den europäischen Netzbetreibern in den Griff zu bekommen.

Abhängigkeit von modernster Technik birgt Gefahren

Der IT-Sicherheitsspezialist Oliver Eckel erklärte, wie einfach es heute sei, Manipulationen im Bereich der Informationstechnologie durchzuführen: "Weltweit werden tausende Angriffe täglich auf Energieversorger und deren Infrastruktur registriert. Es gibt eine stetig wachsende Anzahl von Personen, die über das technische Know- how verfügen, Hackerangriffe durchzuführen. Das ist eine gefährliche Entwicklung." Eckels Erfahrung nach werde Sicherheit allzu oft vernachlässigt. Die Folge: Energieversorgungsunternehmen würden Opfer gezielter Attacken wie zum Beispiel im Jahr 2013, als ein Großteil der europäischen Energieversorger Ziel eines Cyberangriffes durch "Energetic Bear" wurde.

Energieversorgung - Ziel für Terroristen?

Der Militärstratege Gerald Karner schloss sich Eckels Szenarien an: "Der physische Schutz von Anlagen durch das Militär ist heute im Krisenfall zweitrangig. Denn heute erfolgen Angriffe meist auf elektronischem Weg - also mittels elektronischer Kriegsführung." Laut Karner könnte das Bundesheer derzeit dafür keinen ausreichenden Schutz gewährleisten, da die Streitkräfte zu geringe Kapazitäten für den Schutz der IT-Infrastruktur hätten. Insgesamt kritisierte er, dass das Heer einfach zu geringe Investitionen in Vorkehrungen tätige, um zumindest die kritische Infrastruktur ausreichend zu schützen. "Wenn es um konkrete Schutz- beziehungsweise Gegenmaßnahmen geht, sind im Ernstfall die Unternehmen daher auch selbst gefragt", sagte Karner. Die Armee könne bestenfalls versuchen staatsnahe Unternehmen zu schützen, um zumindest die Nachrichten- und Energieversorgung aufrecht zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen. Österreich wäre seiner Meinung nach nicht das erste Angriffsziel, als EU-Mitglied aber in jedem Fall ein potenzielles Ziel, meinte Karner.

Ökonomische Bewertung der Versorgungssicherheit in Österreich

Aufgrund der nahezu vollständigen Durchdringung der Lebens- und Arbeitswelt mit elektrisch betriebenen Geräten und Anlagen würden die Folgen eines 24-stündigen großflächigen Stromausfalls in Österreich nach Berechnungen des Energieinstituts der Universität Linz einen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden in der Höhe von 1,1 Milliarden Euro nach sich ziehen. Betroffen wären alle kritischen Infrastrukturen, sodass die sozioökonomische Bedeutung für Österreich daher als besonders hoch einzustufen ist. Abschließend waren sich alle Diskutanten in ihrer Beurteilung einig, dass trotz dieses Gefahren- und Katastrophenpotenzials ein diesbezügliches gesellschaftliches Risikobewusstsein in Österreich nur in Ansätzen vorhanden sei.

Quelle: EAA-ENERGIEALLIANZ Austria GmbH


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /