© pixelio.de
© pixelio.de

Vollgas mit Schiefergas?

Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit der Förderung von Schiefergasvorkommen ist bereits Jahrzehnte alt.

Durch rasant gestiegene Rohstoffpreise werden solche Ideen nun aus der fossilen Mottenkiste geholt und wieder verstärkt aufgegriffen, weil sich Staaten, aber auch Unternehmen in Österreich, durch die Erschließung dieser Energieform Einnahmen für die leeren Staatskassen bzw markante Unternehmens­gewinne versprechen. Die zahlreichen mit der Nutzung von Schiefergas verbundenen Nachteile werden dabei ignoriert. ‘Das Klima kann ja wer anderer retten’ lautet offenbar die Maxime, die letztlich freilich allen auf den Kopf fallen wird.

Fossiles Schiefergas als Hoffnungsträger?

Die theoretische Möglichkeit, Schiefergas zu fördern und mit großem Aufwand nutzbar zu machen, ist bereits seit Jahrzehnten bekannt. So wie der Abbau von Ölsanden war dieser Raubbau an der Natur aber bislang kein Thema, weil konventionelles Erdgas bzw Erdöl deutlich billiger zu bekommen war und angesichts (scheinbar) ausreichender Ressourcen auch keine Notwendigkeit dafür gesehen wurde. Nun, die Dinge haben sich geändert, der Mensch offenbar nicht. Es ist mittlerweile allseits bekannt, dass weder Erdöl noch Erdgas in unbeschränktem Ausmaß vorhanden ist. Ganz im Gegenteil streiten sich die Geister, ob etwa der sog ‘Peak Oil’, also der weltweite Förderhöhepunkt von Erdöl, nicht sogar schon eingetreten ist und es daher mit den Förderquoten weltweit in sehr absehbarerer Zeit nur noch bergab gehen wird. Gleiches gilt früher oder später ohne jeden Zweifel auch für fossiles Erdgas. Angesichts dieser weltweiten Ressourcenver­knappung und des dadurch ausgelösten massiven Anstiegs der Rohstoffpreise werden Ideen aus der fossilen Vergangenheit ausgegraben, die nun wirtschaftlich werden sollen. Dies freilich nur aus einem sehr eingeschränkten betriebswirtschaftlichen Blickwinkel, der eine Reihe damit verbundener Kosten und negativer Konsequenzen in verantwortungsloser Weise ausblendet.

Eine dieser sog ‘fossilen Alternativen’ (die in Wirklichkeit keine sind) ist der Abbau von Schiefergas. Dabei handelt es sich um eine besondere Form von in sehr großer Tiefe vorkommendem Erdgas, das in Tonsteinen entstanden ist und dort gespeichert wird. Der Abbau gestaltet sich freilich deutlich schwieriger als die Förderung von konventionellem Erdgas, da sich Schiefergas in kleinen Mengen in parallel angeordneten dünnen Schieferplatten absetzt und danach im Schiefergestein eingeschlossen wird. Dieser Rohstoff kann nur mittels einer aufwendigen Technik gefördert werden. Konkret geschieht dies mit steuerbaren Bohrern, die sich sowohl vertikal als auch horizontal in die Erde graben können. Hat der Bohrer eine Gesteinsschicht gefunden, in die Erdgas eingeschlossen ist, kann er diese durch eine innovative Technik bis zu mehrere Kilometer horizontal durchbohren. Um das Gas anschließend an die Oberfläche zu bringen, wird das Schiefergestein mit einer Mischung aus Wasser, Chemikalien und Quarzkügelchen gesprengt. Diese Sprengungen bezeichnet man als ‘Hydraulic Fracturing" oder auch "Hydro-Fracing". Bei diesem Verfahren der ‘hydraulischen Rissbildung’ werden in die Bohrung neben großen Mengen Wasser und Sand (Größenordnung 10 Mio. Liter pro Bohrung!) auch zahlreiche Chemikalien eingepresst (ua hochgiftige Biozide). Die dabei eingesetzten Chemikalien (sogenannte ‘Frac-Hilfsstoffe’) enthalten darüber hinaus krebs­erregende Verbindungen wie etwa Benzol.
Zu den möglichen Unfällen bei der Schiefergasförderung zählen die Grund- und Oberflächenwasserkontamination, ausgelöst durch toxisches Abwasser, das bei der Förderung entsteht. Das bei der aus großer Tiefe gehobene sog Porenhaftwasser, das über geologische Zeiten hinweg keinen Kontakt mit der Atmosphäre hatte, ist zudem hochmineralisiert und teilweise sogar radioaktiv.1 Von der Förderstätte ‘Barnett Shale’ (USA) wird innerhalb von kurzer Zeit die Ansammlung von hochtoxischem und radioaktivem Sondermüll im Umfang von 13 m3 berichtet, der sachgerecht (und teuer!) zu entsorgen ist.

Zuletzt haben Probebohrungen im niederöster­reichischen Weinviertel, in der Nähe von Poysdorf, für Aufregung gesorgt. Beteuerungen der Betreiber­gesellschaft, man werde nur dann eine industrielle Förderung von Schiefergas in Österreich aufbauen, wenn dies auf einer ‘clean shale gas’-Ebene möglich sei, sind nicht nachvollziehbar und verstellen den Blick auf die hier angeführten erheblichen Gefahren des Schiefergasabbaus. Es gibt zudem kein ‘sauberes Erdgas’, weil die Nutzung fossiler Energieträger immer die Atmosphäre belastet und zur weiteren Erderwärmung beiträgt. Dabei ist noch nicht einmal der Umstand berücksichtigt, dass jährlich Unmengen an Erdgas (unverbrannt) als noch weit klimaschädlicheres Methangas durch undichte Pipelines, veraltete Förderanlagen, etc freigesetzt wird. Wenn man daher bei dieser Frage alle Aspekte miteinbezieht und die Überlegungen nicht bei der Gastherme im Vorzimmer beendet, ist die Antwort klar: Erdgas ist kein sauberer Energieträger.
Warum, fragt man sich, sollte dieses Ergebnis anders oder gar besser aussehen, wenn man nun anfängt, neben konventionellem Erdgas schwer und nur mit großem technischen Einsatz förderbares Schiefergas zu nutzen? Die C02 Bilanz sieht um keinen Deut besser aus. Es tritt nur eine Vielzahl an potentiellen Gefahren hinzu, die in keinerlei Relation zum erhofften Nutzen stehen und angesichts einer sinnvollen solaren Alternative in keiner Weise vertretbar sind.

Verabschiedung vom Ziel der C02 Reduktion?

Der Abbau von Schiefergas ist somit teuer, technisch sehr aufwendig und mit unübersehbaren Gefahren für die regionale Biosphäre verbunden. Neben allen diesen massiven Bedenken, die schon für sich klar gegen die Förderung von Schiefergas sprechen, wird in der durchaus emotional geführten Diskussion mitunter der mit der Verwertung von Schiefergas verbundene zusätzliche C02 Ausstoß übersehen. Denn Schiefergas ist und bleibt ein fossiler Energieträger, der – genauso wie Erdöl oder Erdgas, wenn es einmal verwertet, sprich verbrannt wird –, die C02 Bilanz erheblich verschlechtert. Denn das bei der Nutzung des vor Millionen Jahren entstandenen Schiefergas freigesetzte C02 wird genauso wenig wie bei der Nutzung von konventionellem Erdgas in einen geschlossenen C02 Kreislauf einbezogen, wie das etwa bei der Verwertung von Biomasse der Fall ist, bei der ein schnell nachwachsender Rohstoff das beim Verbrennungs­vorgang freigesetzte C02 wieder bindet und so eine zusätzliche Belastung der Atmosphäre vermeidet.

Mit zusätzlichen Investitionen in die Ausbeutung von Schiefergasvorkommen verabschiedet sich Österreich ein weiteres Mal von seinen C02 Zielen, was in Anbetracht der ohnedies schon mehr als bescheidenen C02-Bilanz schlicht unvertretbar ist. Denn Österreich hat die im Rahmen des Kyoto Abkommens übernommene Verpflichtung, seinen C02 Ausstoß um acht Prozent und damit unter das Niveau von 1990 zu senken, klar verfehlt. Im Gegenteil, lag der C02 Ausstoß im Jahr 2009 sogar um 2,4 Prozent darüber, was unserem Land die Verpflichtung bescherte, C02 Zertifikate um (bisher) 530 Mio EUR (!) zu erwerben; Schätzungen zufolge werden weitere 600 Mio EUR für den Erwerb zusätzlicher Zertifikate fällig.
Neben den Kyoto-Vorgaben sind für Österreich darüber hinaus auch die verbindlichen europäischen Klimaziele zu beachten, die wir kaum erreichen werden, wenn wir auf die klimaschädliche und mit zahlreichen Gefahren verbundene Ausbeutung von fossilem Schiefergas setzen.2 Es sollte endlich die Erkenntnis in das Blickfeld der Politik aber auch der verantwortlichen Unternehmen rücken, dass der hemmungslose Ausstoß von C02 – ganz abgesehen von den dramatischen Folgen für die Umwelt – schlicht und einfach Geld kostet. Und zwar deutlich mehr, als der forcierte Ausbau aller Formen solarer und regenerativer Energie, die neben der Vermeidung giftiger Verbrennungsprozesse auch den Vorteil umfassender regionaler Wertschöpfung für sich haben, wohingegen ein regionalpolitischer Vorteil für die Menschen in der näheren Umgebung von Schiefergas Abbaustätten nicht ersichtlich ist.

Ganz im Gegenteil: Das Weinviertel war lange Zeit Grenzregion am Rande Europas. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich das grundlegend geändert: Durch den unermüdlichen Einsatz der Weinviertler Bevölkerung assoziiert man diese idyllische Region heute mit einer sanften Hügellandschaft, dem berühmt gewordenen pfeffrigen grünen Veltliner, zauberhaften Kellergassen und letztlich einer vom Weinbau geprägten Kulturlandschaft, die ihresgleichen sucht. Die Befürworter eines Schiefergasabbaus im Weinviertel sollten sich überlegen, wie dieses liebevoll aufgebaute Image mit Berichten über radioaktiven Klärschlamm vereinbar ist und welchen empfindlichen Schaden diese Aufbauarbeit durch einen derart verantwortungslosen Raubbau an der Natur nimmt.

Kosten/Nutzen von Schiefergas

Die für die industrielle Erschließung und Nutzung von Schiefergas in Österreich erforderlichen Investitionen werden von den beteiligten Energieunternehmen mit EUR 130 Mio beziffert. Dies, obwohl nur eine 20% Wahrscheinlichkeit besteht, das möglicherweise gefundene Schiefergas auch tatsächlich fördern zu können! (§ 23 Abs. 2 Ökostromgesetz 2012 deckelt im Vergleich dazu den jährlichen Maximalbetrag des Fördervolumens aller erneuerbarer Energien mit EUR 50 Mio). Da der Einsatz von Schiefergas die C02 Bilanz weiter belastet, drohen zudem weitere Strafzahlungen in Millionenhöhe, die auf den Preis jedes Kubikmeters Schiefergas aufzuschlagen sind. Wenn man dann noch die Kosten der Umwelt­zerstörung aufgrund eines aggressiven Abbauverfahrens mit einbezieht, die (möglicherweise massiven) Kosten der Entsorgung und fachgerechten Behandlung toxischen und teils radioaktiven Schlamms berücksichtigt, an den erheblichen Imageschaden an der ‘Marke’ Weinviertel denkt und schließlich die gänzlich ausbleibende regionale Wertschöpfung einbezieht, ist jeder Kubikmeter Schiefer­gas überaus teuer und jedenfalls deutlich teurer als die durch den Einsatz erneuerbarer Energien anfallenden Kosten. Denn der Einsatz regenerativer Energien belastet die Umwelt nicht, C02 wird entweder gar nicht erst freigesetzt (Wasserkraft, Sonnen- und Windkraftwerke, etc) oder nur in dem Maß produziert, wie es sofort wieder gebunden werden kann (Biomasse). Gerade bei den erneuerbaren Energien wird gerne der Rechenstift angesetzt und mit Argusaugen beobachtet, ob etwa die in der jährlichen Ökostromverordnung festgelegten Förder­tarife nicht zu hoch sind, um nur ja eine ‘Überforderung’ zu vermeiden. Fakt ist aber, dass die Kosten der Nutzung von fossilem Schiefergas deutlich über den Kosten aller vergleichbarer erneuerbarer Energieträger liegt, wenn man die Rechnung ehrlich anstellt und sich nicht auf rein betriebswirtschaftliche Aspekte beschränkt.

Energiefragen auf rein wirtschaftliche Überlegungen zu reduzieren ist angesichts der alarmierenden Entwicklung des Weltklimas ohnedies verantwortungslos. Aber auch abgesehen davon sollte man die Frage stellen, warum eigentlich die EUR 130 Mio, die österr Energieunter­nehmen in die Erforschung und die Förderung von Schiefergas investieren wollen, nicht in den massiven Ausbau der Kleinwasserkraft, der Solarenergie, der Windkraft, der Geothermie oder der Biomasseverwertung gesteckt wird. Ausgehend von den fixen Vergütungssätzen des Ökostromgesetzes (bzw der auf dessen Basis erlassenen Ökostromverordnung) wäre dabei neben einer Förderung der regionalen Wirtschaft auch eine massive Reduktion des landesweiten C02 Ausstoßes die Folge, was wiederum massive Strafzahlungen wegen der Nichterreichung vereinbarter Klimaziele vermeiden würde. Und ein erheblicher Beitrag zur Rettung des Weltklimas würde damit so nebenbei auch noch geleistet. Selbst wenn man also tatsächlich behaupten will, die Förderung von Schiefergas wäre ungefährlich und technisch einfach zu bewerkstelligen, was ohnedies nicht stimmt, so müsste man schon aus rein wirtschaftlichen Gründen strikt gegen diese Energieform sein, weil sie unter dem Strich deutlich mehr kostet als sie bringt.

Es gibt daher keine wie immer geartete volkswirt­schaftliche, umwelttechnische oder energiepolitische Begründung, die für die Förderung von Schiefergas spricht.

Im Gegenteil, überwiegen klar die Nachteile, weil jeder Cent, der in den Abbau von Schiefergas gesteckt wird, das Klima weiter belastet, die Zerstörung der regionalen Umwelt nach sich zieht und demgegenüber nichts zur (gerade in struktur­schwachen Regionen) so wichtigen regionalen Wert­schöpfung beiträgt. Angesichts einer realistischen solaren Alternative bedeutet jedes Investment in den Abbau von Schiefergas einen Schritt in die energiepolitische Vergangenheit.






1 Vgl Ökoenergie 85/2011, 7.

2 Vgl etwa Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, die ein Teil des Legislativpakets ‘Energie und Klimaänderung’, das einen Rechtsrahmen für die Gemeinschaftsziele bei der Verringerung der Treibhausgasemissionen festlegt. Zu diesem Paket gehört auch das sog ‘20-20-20 Gesamtziel’ der Gemeinschaft, das neben einer EU-weiten Anhebung des Anteils erneuerbarer Energien auf 20% bis zum Jahr 2020 auch 20 % weniger Treibhausgasemissionen als 2005 und 20 % mehr Energieeffizienz vorsieht.


oekonews-Autor Dr.Gert Wallisch ist Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskanzlei Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien

GastautorIn: Dr. Gert Wallisch für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /