© Gentechnikfrei.at
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Neue Studie belegt: Anbau von Gentech-Soja hat schwerwiegende Auswirkungen auf Gesundheit, Bodenqualität und Artenvielfalt

Gefährlichkeit des Spritzmittels Roundup nachgewiesen: Roundup-Wirkstoff Glyphosat steht in Verbindung mit Missbildungen und Gesundheitsschäden

Die unter der Leitung des argentinischen Wissenschaftlers Univ.Prof. Andrés Carrasco, Leiter des Labors für Molekulare Embryologie an der Medizinischen Universität Buenos Aires, erstellte Studie ‘GM Soy – Sustainable? Responsible?’ sorgt für Alarm: Carrasco weist in seiner Studie die gefährlichen Auswirkungen des Spritzmittels Roundup nach, das auf den mit der Gentech-Soja ‚Roundup Ready’ der US-Firma Monsanto bepflanzten Äckern in großen Mengen angewendet wird. Bereits bei Konzentrationen, die weit unter den beim Versprühen in der Landwirtschaft üblichen Mengen liegen, hat Carrasco Missbildungen bei Embryos von Fröschen und Hühnern festgestellt. Ein Zusammenhang mit der wachs­enden Zahl von Gesundheitsschäden in Argentiniens wichtigsten Soja-Anbau­gebieten sei naheliegend. Carrasco fordert daher eine Neueinstufung der Toxizität von Glyphosat. Auf Einladung der ARGE Gentech­nik-frei präsen­tierte Univ.Prof. Carrasco am Donnerstag Nachmittag seine Erkenntnisse erstmals in Wien bei einem Soja-Fachsymposium.

Beunruhigende Ergebnisse

Unter der Leitung von Univ.Prof. Andrés Carrasco hat ein Team von Wissenschaftlern aus Großbritannien, Brasilien, den USA und Argentinien den Nachweis er­bracht: Glyphosat, der Hauptwirkstoff des weltweit meistverbreiteten chemischen Pestizids Roundup, ruft bei Embryos von Fröschen und Hühnern Missbildungen hervor. Diese wurden bereits bei Konzentrationen festgestellt, die weit unter den beim Versprühen in der Landwirtschaft üblichen Werten und auch deutlich unter den in der EU zugelassenen Höchstwerten liegen.

Anstoß zur umfassenden Untersuchung der Auswirk­ungen von Glyphosat auf die embryonale Entwicklung durch Carrascos Forscherteam hatten Berichte über die hohe Zahl von Geburtsfehlern in landwirtschaftlichen Gebieten in Argentinien gegeben, in denen gentechnisch veränderte Soja des US-Konzerns Monsanto – die sogenannte Roundup-Ready- (RR-)Soja – angebaut wird. Bei diesen Gebieten handelt sich um große Monokulturen, die regelmäßig aus der Luft mit dem Herbizid Roundup besprüht werden. Mit Hilfe der Gentechnik wurde die RR-Soja so verändert, dass sie Roundup widersteht. Die Landwirte können deshalb das Herbizid reichlich versprühen, während die Ernte heranwächst.

‘Die von uns im Labor festgestellten Ergebnisse passen exakt zu den Fehlent­wick­lung­en, die bei Menschen beobachtet werden, die während der Schwangerschaft Glyphosat ausgesetzt waren’, erklärt Andrés Carrasco die Erkenntnisse seiner Studie.

In der EU wurde der zulässige Höchstwert für Glyphosat-Rückstände bei Soja im Jahr 1997, als in Europa mit dem kommerziellen Anbau von Roundup-Ready-Soja begonnen wurde, um das 200-Fache erhöht – von 0,1 mg/kg auf 20 mg/kg. Andrés

Carracso stellte jedoch in seiner Studie Missbildungen bereits bei Embryos fest, denen 2,03 mg/kg Glyphosat injiziert worden war. Sojabohnen können im Normal­fall Glyphosat-Rückstände von bis zu 17 mg/kg enthalten...

Zusammenhang mit schweren Gesundheitsproblemen?


Erste Berichte über Missbildungen bei Menschen gab es in Argentinien Anfang 2002 – rund zwei Jahre nach Beginn des intensiven Einsatzes von Roundup. Die Versuchstiere, die Carrasco und sein Forscherteam in ihrer Studie untersucht haben, weisen ähnliche Entwicklungs­echanismen wie Menschen auf. ‘Die Ergebnisse geben daher ausreichend Anlass zur Sorge über die klinischen Ergebnisse bei Nachkommen von Menschen, die dem Einsatz von Roundup auf Feldern ausgesetzt sind’, warnt Carrasco vor den Folgen des Herbizideinsatzes. Und: ‘Die Toxizität von Glyphosat wird eindeutig als zu niedrig eingestuft. In einigen Fällen kann es wie ein starkes Gift wirken.’

In seiner Studie kritisieren Carrasco und sein Team Argentiniens übermäßige Ab­häng­ig­keit von Glyphosat, die durch die massive Ausbreitung der Roundup-Ready Gentech-Soja verursacht wurde: ‘Argentinien ist in einer einzigartigen Situation: Seit dem Beginn des Anbaus von RR-Soja im Jahr 1996 wird diese mittlerweile auf rund 19 Mio. Hektar angebaut – das ist mehr als die Hälfte des argentinischen Ackerlandes. Das bedeutet: Jährlich werden rund 200 Millionen Liter Glyphosat-Herbizide zur Produktion von 50 Millionen Tonnen Sojabohnen eingesetzt. Dies ist eindeutig zu viel.’

Indizien über die gefährlichen Auswirkungen von Glyphosat mehren sich: So ergab eine von der Regierung der argentinischen Provinz Chaco in Auftrag gegebene Auswertung der Gesundheitsstatistiken in der Stadt La Leonesa – einer Soja- und Reisregion mit intensivem Glyphosat-Einsatz – im April 2010, dass sich die Krebsrate bei Kindern von 2000 bis 2009 verdreifacht hat. Die Rate der Geburtsfehler im gesamten Bundesstaat Chaco stieg nahezu um das Vierfache an.

Schwerwiegende agrarische und sozioökonomische Probleme


Darüber hinaus werden in Argentinien auch noch weitere agrarische und ökologische Probleme auf die weit verbreiteten Soja-Monokulturen mit intensivem Glyphosat-Einsatz zurückgeführt: So stellt die rasante Zunahme von Glyphosat-resistenten Unkräu­ern (Super-Unkräuter) eine zunehmende Bedrohung dar; da Unkräuter mit der Zeit Resistenz gegen Glyphosat entwickeln, sind ständig wachsende Mengen des Herbizids erfor­derlich. Verlust der Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffe, zunehmende Erosion, Entwaldung, Abhängigkeit von synthetischen Düngern und ein Verlust der Artenvielfalt und Biodiversität werden als Folgen des RR-Soja Anbaus gesehen.

Auch sozioökonomisch haben die Soja-Monokulturen in Argentinien viel verändert: Unbestritten ist, dass der Soja-Boom dem Land in einer tiefen Rezession wirtschaft­liches Wachstum gebracht hat. Der wirtschaftliche Erfolg ist allerdings ein anfälliger, da er fast vollständig von Exportmöglichkeiten abhängt. Abwanderung der landwirt­schaftlichen Bevölkerung in die Städte, Konzentration der landwirtschaftlichen Produktion in den Händen einiger weniger Betriebe und Abhängigkeit vom Saatgutliefer­an­ten Monsanto sind nur einige der gegenwärtigen Probleme in Argentinien. Auch für die Lebensmittelsicherheit des Landes ist der Soja-Boom keine Hilfe: Rund 4,6 Mio. Hektar bisher für Milchwirt­schaft, Obst- und Gemüseanbau sowie Vieh- und Getreidewirtschaft genutzte Anbaufläche wurden in den letzten fünf Jahren für den Soja-Anbau ‘umgewidmet’.

Das ‘Super-Herbizid’ Glyphosat


Glyphosat wurde vom US-Konzern Monsanto bereits in den 70er-Jahren als sogenanntes Breitband-Unkrautvernichtungsmittel zum Patent angemeldet – lange noch, bevor GVO auf den Markt kamen. Es wird normalerweise versprüht und über die Blätter aufgenommen, oder es wird als Herbizid in der Forstwirtschaft verwendet. Das Herbizid wurde patentiert und wird seither von Monsanto unter dem Handelsnamen Roundup vertrieben. Roundup enthält weitere, nicht deklarierte Inhalts­stoffe, die Monsanto als ‘Branchengeheimnis’ hütet.

2005 wurden auf 87 Prozent aller Sojabohnen-Anbauflächen in den USA Glyphosat-resistente, gentechnisch veränderte Sojabohnen-Sorten angebaut. Die Felder wurden regelmäßig mit Roundup besprüht.

Das Saatgut von Monsantos Roundup-Ready-GVO-Sojabohnen und von anderen Feldfrüchten ist gentechnisch so manipuliert, dass es gegen das Herbizid Roundup ‘resistent’ ist, während alle anderen Pflanzen von Roundup zerstört werden. Also sind Landwirte, die Roundup-Ready-Saatgut verwenden, dazu gezwungen, auch das Herbizid Roundup zu kaufen – eine wechselseitige Abhängigkeit von Saatgut und Unkrautvernichtungsmittel.

Trotz den von Univ.Prof. Andrés Carrasco und anderen Forschern festgestellten gesundheitlichen Auswirkungen betrachtet die US-Umweltbehörde Environment Protection Agency (EPA) das Herbizid Roundup jedoch weiterhin als von ‘relativ geringer Toxizität und frei von karzinogener oder teratogener [d.h. Missbildungen hervorrufender] Wirkung’. Die US-Regierung verlässt sich beim Erlass von Sicherheitsbestimmungen allerdings ausschließlich auf die Testergebnisse, die von Monsanto und der Agrobusiness-Industrie selbst herausgegeben werden. Unabhängige Gesundheits- oder Sicherheitstests sind nicht erforderlich.

ARGE Gentechnik-frei: ‘Verzicht auf GVO-Soja als Zeichen der Vernunft’


Angesichts der ernüchternden Fakten und Erkenntnisse über die vielfältigen bedroh­lichen Auswirkungen, die Monokultur und GVO-Anbau offenkundig den Landwirten und der Bevölkerung Argentiniens bescheren, rief Markus Schörpf, Obmann der ARGE Gen­technik-frei, die heimische Land- und Lebensmittelwirtschaft zum vollständigen Verzicht auf GVO-Soja auf. ‘Milchwirtschaft und Frischeier-Produktion haben es in Österreich schon eindrücklich bewiesen: Der Verzicht auf GVO-Soja ist möglich; Gentechnik-freie Lebensmittel werden nicht nur vom Konsumenten aktiv nachgefragt, sie stellen auch einen Qualitätsvorsprung österreichischer Produkte auf dem europäischen Markt dar.’

‘Wie das Beispiel Argentinien zeigt, gehen GVO-Saatgut, Monokultur und Abhängigkeit vom Agrobusiness Hand in Hand – in den allermeisten Fällen zum Nachteil der Landwirte und der Bevölkerung. Der Verzicht auf GVO-Soja wäre flächendeckend für Österreichs Landwirtschaft möglich – Soja aus Österreich, andere heimische Eiweißträger sowie garantiert Gentechnik-freie Soja, die zumeist aus Brasilien stammt, sind sinnvolle und ökologisch unbedenkliche Alternativen’, erklärte Markus Schörpf.

www.gentechnikfrei.at

GastautorIn: Florian Faber für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /