© Lebensministerium/APA-Fotoservice/Robert Strasser
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Berlakovich: Versorgung Österreichs zu 100% aus erneuerbaren Energien ist möglich

Umfassende Studie zur Energieautarkie präsentiert - Für morgen statt von gestern- Erneuerbare Energie Verbände, Umweltorganisationen und Opposition fordern rasches Handeln

Viele Fakten sprechen klar für einen Umstieg, von fossiler auf erneuerbare Energie. Der Energiebedarf steigt weltweit massiv an, der Energiehunger wird weltweit immer größer und es droht ein Energiekonflikt, in dem die unter die Räder kommen, die abhängig von anderen sind. Außerdem werden massive Preissteigerungen bei Öl erwartet. Das WIFO rechnet mit einer Steigerung von 6,1 Prozent jährlich, das deutsches Institut für Wirtschaftsforschung sagt einen Preis von 200 Dollar voraus, selbst die OPEC sieht den Ölpreis in Richtung 200 Dollar pro Barrel steigen: für eine dreiköpfige Familie in einem Haus mit Ölheizung und Auto wären dies jährliche Mehrkosten von mehr als 3000 Euro. "Meine Antwort darauf ist die Energieautarkie für Österreich. Wir legen heute erstmals eine umfassende Studie vor, die belegt: Energieautarkie für Österreich bis 2050 ist machbar. Das heißt: Eine Versorgung Österreichs zu 100 Prozent aus eigenen erneuerbaren Energieträgern ist möglich", so Umweltminister Niki Berlakovich anlässlich der Präsentation einer Studie zum Thema "Energieautarkie".

"Das bedeutet: Energie 100 Prozent aus Österreich. Österreich erzeugt im besten Fall mindestens soviel Energie wie es selbst verbraucht, und das aus heimischen Ressourcen. Nur das macht uns unabhängig von der Willkür Öl-, Gas- und Atommächte, nur das sichert uns und unseren Kindern in Zukunft die Energieversorgung, nur das schützt nachhaltig unser Klima," ist Berlakovich überzeugt. "Was wir brauchen, liegt auf der Hand. Meine drei Schwerpunkte sind: Energieeffizienz, erneuerbare Energie und green jobs. "Der Weg in Richtung Energieautarkie geht leider nicht von heute auf morgen, es bedarf großer Anstrengungen und eines langfristigen Umbaus unseres Energie- und Wirtschaftssystems. Aber bis 2050 könnte Österreich ausreichend Energie aus Wasser, Sonne, Wind und Biomasse erzeugen."

Die Zukunft ist erneuerbar

Berlakovich weiter: "Wer früher dran ist, hat die Nase vorn! Und das wünsche ich mir für Österreich. Ich will, dass unser Energiesystem eines für morgen ist und nicht eines von gestern. Öl, Gas und Atom sind von gestern. Wir dürfen nicht fahrlässig sein sondern müssen die Zukunft gestalten. Denn wer die Zukunft nicht in die Hand nimmt, wird von der Zukunft überrollt."

Es gibt bereits Beispiele, die beweisen, dass es möglich ist: autarke Kommunen, autarke Familien, autarke Betriebe. So ist Güssing bereits energieautark, IBM entwickelt moderne Systeme für green-IT, in Wien können TouristInnen schon im energieautarken Hotel wohnen, in Vorarlberg gibt es ein intelligentes Bussystem, eine Familie aus Niederösterreich lebt energieautark und hat sich dafür bereits den Klimaschutzpreis verdient.

Nächste Schritte sind gesetzt

Der Autarkiefahrplan ist bereits gestartet. In einem ersten Schritt sollen Expertinnen aus dem In- und Ausland eingebunden werden: in einem Ökoteam der besten Köpfe. Dann sollen die Stakeholder eingebunden werden und schließlich eine breite Diskussion mit der Bevölkerung geführt werden, erklärt der Minister. "Gehen wir es an: Für morgen statt von gestern." sagt Berlakovich.

Umweltorganisationen und Verbände sehen sich bestärkt und fordern konkrete Taten

Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 sieht sich in ihrer Forderung nach ambitionierten Klimaschutz- und Energie-Ziele bestärkt. "Jetzt muss die Diskussion um ambitionierte Klima- und Energieziele neu ausgerichtet werden: Wo Österreich im Jahr 2050 stehen wird, liegt an den Entscheidungen von heute", so Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von GLOBAL 2000. "Damit Energieautarkie in Österreich realisiert wird und nicht nur Gegenstand wissenschaftlicher Studien bleibt, müssen Blockaden in Industrie und Wirtschaft aufgebrochen werden", meint Wahlmüller. "Dazu muss sich die Politik von den Einflüsterern aus der Industrie befreien und wichtige politische Projekte endlich angehen".

Österreich muss dazu aber auf europäischer Ebene höhere Klima- und Energieziele unterstützen, es sind mindestens 40 Prozent Reduktion der Treibhausgase bis 2020 notwendig (gegenüber 1990). Der Ausbau erneuerbarer Energieträger muss engagierter angegangen werden. Geplant ist derzeit, den Anteil auf 34 Prozent bis 2020 zu erhöhen, ausgehend von 30 Prozent im Jahr 2010, das bedeutet einen Ausbau von nur 4 Prozent in 10 Jahren. Es muss ein Ökostromgesetz beschlossen werden, das den Ausbau erneuerbarer Energieträger zügig vorantreibt. Die thermische Sanierung ist zu forcieren, es fehlt auch nach wie vor ein nachhaltiges Mobilitätskonzept, das Mindestbedienqualitäten für den öffentlichen Verkehr bundesweit festlegt. Eine Bremse braucht der fossiler Kraftwerksausbau und ein verbindliches Klimaschutzgesetz fehlt, meint Global 2000.

"Die Blockierer haben in Österreichs Klima- und Energiepolitik leider immer noch das Sagen. Wenn sich das ändern soll muss Österreich als ersten Schritt eine Erhöhung der EU-Klima- und Energieziele auf 40 % Treibhausgasreduktion unterstützen", so Wahlmüller.

Greenpeace ruft den Umweltminister dazu auf, sich auf die Umsetzung der Maßnahmen zur Erreichung dieser Energieautarkie zu konzentrieren. Der Vorschlag, erneut eine Arbeitsgruppe einzurichten, stößt auf Skepsis. "Es gab bereits die Klimastrategie, dann kam die Energiestrategie und jetzt kommt ein Autarkiefahrplan. Jeder, der sich in Österreich mit Energiepolitik beschäftigt, darf ununterbrochen in Arbeitsgruppen Platz nehmen", kritisiert Greenpeace-Energiesprecher Jurrien Westerhof. "Das Ergebnis ist mmer das gleiche: Es braucht eine Ökologisierung des Steuersystems, eine echte Sanierungsoffensive und ein ordentliches Ökostromgesetz. Wann wird das alles endlich umgesetzt?", so Westerhof.
"Als erster Schritt müssen die völlig unzureichenden hundert Millionen Euro Förderung für thermische Sanierung auf eine Milliarde Euro aufgestockt werden . Denn die Einrichtung neuer Arbeitskreise reicht irgendwann nicht mehr, um politische Tatenlosigkeit zu kaschieren", sagt Westerhof.

Die Erneuerbare Energiebranche steht bereit - Maßnahmen sind gefragt

Mag. Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft, ist erfreut: "Wir wollen Umweltminister Niki Berlakovich gern bestärken, bereits jetzt den Weg in Richtung Energieautarkie Schritt für Schritt zu gestalten. Die präsentierte Studie bestätigt die vergangenen Mai von den Erneuerbare-Energien-Verbänden präsentierten Szenarien zu einem verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Windkraft verfügt über ein bedeutendes Potenzial in Österreich, die Unternehmen der Branche tragen gerne ihren Anteil zur Erreichung des Autarkieziels bei."

Bei stabilen rechtlichen Rahmenbedingungen kann die Windkraft in Österreich bis 2020 auf rund 3.500 MW ausgebaut - also verdreieinhalbfacht - werden. Somit könnten 2020 7,3 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Windkraft gewonnen werden. Durch größere und effizientere Anlagen muss dazu die Anlagenzahl aber nicht einmal verdoppelt werden. Die Investition für rund 2500 MW Leistung belaufen sich auf rund 5 Mrd. Euro, 13.500 Arbeitsplätze würden bei der Errichtung geschaffen werden sowie weitere 3.500 Jahresarbeitsplätze für Wartung und Betrieb über die Lebensdauer der Anlagen. "Dafür ist Klarheit bei den Einspeisetarifen für 2011 sowie einer Novellierung des Ökostromgesetzes noch in der ersten Hälfte dieses Jahresnotwendig!" meint Moidl.


Mehr als weitere 600.000 Haushalte könnten mit Strom aus Kleinwasserkraft versorgt werden, wenn die verfügbaren Potentiale mobilisiert werden, ist von der KleinwasserkraftÖsterreich zu hören- man sei für die entsprechenden Investitionen jederzeit startbereit, wenn die Voraussetzungen dafür endlich geschaffen werden. Dazu gehört unter anderem ein langfristiges und stabiles Ökostromgesetz. "Damit der von Minister Berlakovich dargestellte "Umbau des Systems zu erreichen ist, sind .entsprechende Maßnahmen sofort zu setzen, ", sagt Christoph Wagner, Präsident von KleinwasserkraftÖsterreich.

"Der Umbau des Systems ist auch notwendig, um unsere Wirtschaft langfristig auf stabile Beine zu stellen und um der Bevölkerung auch langfristig den Zugang zu Energie zu sichern. Der rasche Umbau des Systems ist eine Frage der Verantwortung!", so Wagner.

"Energieautarkie - also weg von fossilen Brennstoffen - ist der richtige Weg", unterstreicht Roger Hackstock, Geschäftsführer des Verbandes Austria Solar, die Aussagen des Ministers. Von "Österreich hat die Nase vorne" ist derzeit nicht die Rede, Österreich erreichte auch 2009 sein Kyoto-Ziel nicht. " Es hat bereits sehr viele Ankündigungen zum generellen Umstieg auf erneuerbare Energie gegeben, konkrete Taten sind aber ausgeblieben. Statt einem großen Wurf macht man mal hier was, mal da was. Das reicht aber nicht!" Um drohende Strafzahlungen von rund 600 Millionen Euro wegen der Verfehlung des Kyoto-Ziels abzuwenden müssen sichtbare Schritte in Richtung Energieautarkie gesetzt werden.
Hackstock meint weiter: "Der Ölpreis, der derzeit bei fast 100 Dollar pro Barrel liegt und laut Experten noch weiter steigen wird ist ein kleiner Vorgeschmack auf die künftige Situation. Daher ist es wichtig, möglichst rasch Maßnahmen zu setzen um Österreich energieautark zu machen!" Die Solarwärmebranche steht zur aktiven Mitarbeit bereit.

Entscheidend ist, dass wir heute beginnen

"Das Ziel und die Analyse ist begrüßenswert. Entscheidend ist aber, dass sofort mit der Umsetzung begonnen wird", meint die Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner, anlässlich der vorgelegten Studie. Interessanter als der genaue Zeitpunkt des kompletten Ausstiegs aus Öl und Gas, ist der Zeitpunkt und die Intensität des Einstiegs in den Ausstieg. Und darüber schweigt sich der Minister leider aus", so Brunner.

Die epochalen Probleme der Klimaveränderung, des wachsenden Energiehungers und der zunehmenden Rohstoffknappheit müssen gleichzeitig gelöst werden. Bislang wurden Programme aufgelegt, die Ziele benennen, aber keine nur halbwegs adäquaten Instrumente durchgesetzt, mit denen diese Ziele auch erreicht werden. Was ist zum Beispiel mit der Energiestrategie Österreich? Wir haben harte Ziele bis zum Jahr 2020. Dennoch ist die Umsetzung bislang mangelhaft. Unser Kyoto-Ziel 2012 verpassen wir in jedem Fall. Dringend notwendige Maßnahmen im Klimaschutz werden einfach nicht gesetzt. Ob es um die Förderung und den konsequenten Ausbau von Erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz geht, ob es den Weg weg vom Öl betrifft oder den Umbau unserer Mobilität - nichts passiert", kritisiert Brunner.

Das Erreichen unserer Klimaziele für alle Etappen - 2012, 2020 und 2050 - muss nun die Richtschnur der Regierungsarbeit werden. Dafür bedarf es eines umfassenden Maßnahmenpakets - von Anti-Atom-Politik, der Verkehrswende, der Förderung der Erneuerbaren Energien, des Stromsparens und einer schnelleren Gebäudesanierung.

Erster Test für die Glaubwürdigkeit von Berlakovichs Ankündigungen ist für Brunner die Novellierung des Ökostromgesetzes: "Kommt nun die Totalreform des Ökostromgesetzes, die endlich den Erneuerbaren-Boom auch in Österreich auslöst? Energieautarkie im Jahr 2050 gibt es nur, wenn heute das Zeitalter der Erneuerbaren eingeleitet wird. Berlakovich muss den Menschen diesen Umstieg jetzt ermöglichen. Wenn er aber Erneuerbare ausbremst werden, damit große Konzerne im In- und Ausland mit Uran, Kohle und Öl weiter Profite machen können, werden wir auch morgen weiter von Energieimporten abhängig sein und technologisch abgehängt werden."

"Dass Österreich energieautark werden kann, ist keine revolutionäre Neuigkeit. Das BZÖ hat schon 2009 ein fertiges Energieautarkie-Konzept vorgelegt", betont der Energiesprecher des BZÖ, Lugar, der ebenfalls konkrete Umsetzung fordert.

FPÖ-Energie- und Umweltsprecher NAbg. Norbert Hofer zeigt sich aufgrund des Bekenntnisses von Umweltminister Berlakovich in Richtung 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen bis 2050 erfreut und meint, auch die FPÖ habe in ihrem Buch "Energie und Lebensmittel - Konzerndiktatur oder Selbstbestimmung" bereits jene Schritte im Detail aufgezeigt, die notwendig sind, um Österreich bis zum Jahr 2050 von Energieimporten unabhängig zu machen.

Hofer weiter : "Allerdings ist Berlakovich als Umweltminister gar nicht ressortverantwortlich. Für Energiepolitik zeichnet ausschließlich Minister Mitterlehner verantwortlich. Dies führt auch zur grotesken Situation, dass der Umweltminister in Sachen Ökostromgesetz keinerlei Kompetenzen besitzt. Ich schlage daher wie viele Experten vor, die Kompetenzen für Energie und Umwelt in der Bundesregierung zusammenzuführen. Das sind zwei Seiten der selben Medaille."

Hofer weiter: "Ziele sind wichtig. Wir werden Energieautonomie nur dann erreichen, wenn die notwendigen Weichenstelllungen jetzt gesetzt werden. Wir haben das in unserem Buch im Detail klargelegt. Die gleichen klaren Worte fordere ich von der Bundesregierung ein."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /