© Oekonews- Gernot Neuwirth
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Impressionen vom Tierschützer-Prozess

Dies sind einige Eindrücke eines Beobachters, der dem Tierschutz zwar stets wohlwollend, aber bis 21. Mai 2008 aus Zeitmangel weitgehend inaktiv gegenüberstand

Und der bis zu diesem Zeitpunkt dachte, in Österreich herrsche einigermaßen Recht und Ordnung. Und der nicht im Traum auf die Idee gekommen wäre, dass es einflussreichen Gruppen möglich sei, lästige, allzu erfolgreiche Kritiker einfach hinter Kerkermauern verschwinden zu lassen. Und zwar ohne Beweise, durch Missbrauch eines Paragraphen, der gegen Menschenhändler, Drogendealer, Waffenschmuggler gerichtet ist. Seine Impressionen sind subjektiv. Trotzdem ist er nach drei Prozesstagen überzeugt: ‘So objektiv wie dieses Gericht bin ich wahrscheinlich noch lange.’ Beim Urteilsspruch im Sommer wird man sehen.

Schande

Es ist eine Schande, aber obwohl der Berichterstatter heuer 70 wird, hat er bis vor einer Woche noch keinen Gerichtssaal von innen gesehen. Und bis vor ein paar Monaten noch nie einen Polizeibericht gelesen. Aber er meint: Wenn alle Polizeiberichte so aussehen wie der, auf dem die Anklage fußt, und alle Prozesse so laufen wie der Tierschützerprozess bisher, na dann gute Nacht, Recht und Ordnung in unserem Land.

Tag 1: Erste Eindrücke I - Staatsanwalt

Der Staatsanwalt, der die Tierschützer seit Jahren bespitzeln lässt und dafür etliche Millionen an Steuergeld flüssig gemacht hat, sieht nicht aus wie das unsympathische Monstrum, das er in den Augen mancher zu sein scheint. Im Gegenteil: Rein äußerlich erinnert er den Berichterstatter frappant an seinen biederen Schulwart aus den Vierzigerjahren, und den hatten alle Kinder gern. Bei Verlesung der Anklageschrift allerdings zeigt er doch ein anderes Gesicht und macht mehr oder weniger geschickt Stimmung gegen die Angeklagten.
So verliest er eine endslange Liste von in den letzten Jahrzehnten tatsächlich vorgefallenen und möglicherweise von Tierschutz-Extremisten begangenen Straftaten und flicht dazwischen so oft er kann (schätzungsweise maximal 5 – 10mal) das Wörtchen ‘nachweislich’ ein. Die Schandtaten ohne dieses Wörtchen – die überwältigende Mehrheit - konnten bis heute trotz jahrelanger sündteurer Bespitzelung keinem der Angeklagten nachgewiesen werden. Diese Durchmischung erweckt beim naiven Zuhörer jedoch den Eindruck, alle diese Delikte seien den Beschuldigten zuzuordnen. Und immer noch taucht in der Anklage der Brand in einer Jagdhütte auf, obwohl der laut VgT schon 2008 als Überhitzung des Ofens identifiziert wurde und die Jäger schon lange eine Versicherungsmeldung gemacht haben, und obwohl außerdem das Datum hinten und vorne nicht passt.
Auch eigenwillige Interpretationen der Wirklichkeit subtilerer Art scheint er zum Schaden der Beschuldigten vorzunehmen: Ein von einem pensionierten Mittelschullehrer für ein Heidengeld aus Steuermitteln erstelltes und von zwei Universitätsprofessoren widerlegtes sprachwissenschaftliches Gutachten, das die Urheberschaft eines inkriminierenden e-mails dem Hauptangeklagten DDr. Martin Balluch zuschreibt, wird im Mund des Staatsanwaltes zu ‘diversen’ Gutachten. Das Wort ‘divers’ spricht er aber so verhalten, fast schüchtern aus, dass dem Berichterstatter Zweifel kommen, ob er richtig gehört hat. Also am nächsten Tag Anruf am Wiener Neustädter Gericht – ob man das Protokoll einsehen kann. Ein zuständiger Hofrat zeigt sich unwissend: Weder kann er sagen, ob da überhaupt ein Protokoll erstellt wird, noch ob es öffentlich eingesehen werden kann. Aber er wird sich erkundigen und rückrufen. Nach einer halben Stunde (genug Zeit, um vielleicht über den lästigen Anrufer etwas herausfinden zu lassen?) kommt der höflich-freundliche Rückruf: Selbstverständlich dürfen Außenstehende NICHT Einblick nehmen. Nur Beteiligte. Divers oder nicht divers? Das bleibt die Frage.

Tag 1: Erste Eindrücke II - Richterin

Die Richterin stellt eingangs fest, das Gericht diene nicht als Forum für politische Statements oder polarisierende Aussagen. Irgendwie seltsam, finden viele, da doch der ganze Prozess ein politisches Statement und sehr polarisierend sei.
Ist die Richterin objektiv und fair? Wenn ja, wird sie’s bleiben können angesichts des Druckes seitens der in den Augen vieler Beobachter männer- und jägerdominierten Kollegenschaft speziell in diesem Wiener Neustädter Gericht? Und angesichts des Druckes seitens der einflussreichen Lobbies, die die Justiz zu ihrer Aktion gedrängt haben dürften? Oder hat sie stets das Schicksal jener Richterin vor Augen, die vor Jahren gewagt hat, einen Tierschützer mangels an Beweisen freizusprechen? Die wird nun seit ein paar Monaten von der wie aus einem gemeinsamen Roman von Kafka und Orlando-Herzmanovsky anmutenden ‘SOKO Pelztier’ verhört, abgehört und hausdurchsucht. Weil sie ja offensichtlich auch zu der fiktiven kriminellen Vereinigung gehören muss. Nordkorea lässt grüßen.
Und denkt die Wiener Neustädter Richterin wohl auch manchmal an den Richter, der der Behörde schon im vergangenen Jahr den Auftrag gab, den beschuldigten Tierschützern und deren Verteidigern endlich die rechtswidrig vorenthaltene komplette Akteneinsicht zu ermöglichen, der diesen Auftrag im Jänner 2010 wiederholen wollte, und knapp vor dem Termin von dem Fall abgezogen wurde? Müsste sie sich nach einem Freispruch vielleicht um einen neuen Job umsehen? Fragen, die in den Gesprächen der Prozessbeobachter immer wieder auftauchen. Und die vielleicht schon am zweiten Prozesstag zu beantworten sind.

Tag 1: Erste Eindrücke III – Publikum

Der Gerichtssaal ist zum Bersten voll, ORF, Medien, viele junge Menschen. Auf der Straße ein Stand des VgT, des Vereins gegen Tierfabriken. Wohl der erfolgreichste Tierschutzverein Österreichs. 5 der 13 Angeklagten sind VgT- Mitarbeiter/innen. Alle konkreten Punkte gegen diese 5 hat die Behörde bereits zurückziehen müssen, sie werden nur mehr der ideellen Zugehörigkeit zu einer erfundenen kriminellen Organisation beschuldigt. Wieder lässt Nordkorea grüßen, aber auch das österreichische Mittelalter: Professor Siller aus Innsbruck hat erschreckende Parallelen zu den mittelalterlichen Hexenprozessen festgestellt.

Neben dem VgT-Stand eine Gruppe von Menschen mit Trommeln und einem leistungsstarken Lautsprecherwagen. Ihnen geht es um die totale Abschaffung des berüchtigten § 278. Dessen ursprüngliche Zielgruppe, also Verbrecher, die ‘das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegende strafbare Handlungen’ setzen ‘im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln’, diese Zielgruppe also blieb bisher unbehelligt. Stattdessen wurde der Paragraf in haarsträubender Weise gegen Tierschützer gerichtet. Aber das Beispiel macht Schule - seit neuestem haben amoklaufende Behörden auch eine Scheidungsväter-Selbsthilfegruppe im Visier. Hier allerdings versuchen andere Behörden zu bremsen – zu deutlich sichtbar würde die Absurdität, und das wiederum würde die ohnehin jämmerliche Position der Tierschutz-Verfolger noch weiter schwächen. Sogar die FPÖ, die anfangs die Verhaftung der Tierschützer bejubelt hatte, kritisiert nun die missbräuchliche Anwendung des § 278 auf die Väter und damit notgedrungen auch auf die Tierschützer.

Ob sich alle Beobachter mit der Forderung der Trommler und Disc-Jockeys vor dem Gerichtsgebäude identifizieren, ist fraglich. Schließlich soll die Behörde gegen echte Mafiosi (278a) und Terroristen (278b) wirkungsvolle Instrumente einsetzen können und da dürfte § 278 nicht ersatzlos verschwinden. Aber er muss so novelliert werden, dass er nicht wie jetzt missbraucht werden kann.

Die Trommeln und Hochleistungslautsprecher direkt unter dem Verhandlungssaal stören sehr. Richterin, Angeklagte, Staatsanwalt, Verteidiger, Publikum, alle werden immer verspannter. Der Berichterstatter geht hinunter zu den Lärmmachern und versucht ihnen klarzumachen, dass ihr Treiben kontraproduktiv sei. Sie lachen ihm ins Gesicht und sagen höflich nicht das, was sie wohl denken: ‘Alter Trottel, was weißt denn du!’ Also geht der Lärm, gehen die dröhnenden Bässe weiter. Nur einmal ein entspannender Lichtblick: Gerade als der Staatsanwalt die niemandem nachweisbaren Schandtaten aufzählt, legen die lauten Disc-Jockeys Edith Piaf auf. Und sie singt ‘Rien de Rien – non, je ne regrette rien’ (ich bereue nichts). Heiterkeit beim Publikum, selbst der Richterin und dem Staatsanwalt kommt erstmals ein Lächeln aus. Und am nächsten Tag ist der Krawall deutlich geringer. Vielleicht haben ein paar jüngere Leute erfolgreicher interveniert.

Morgen geht es weiter- mit dem Bericht von Tag 2!

GastautorIn: Univ.-Lektor Mag. Dr. Gernot Neuwirth für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /