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Mit Gift und Genen

Ein oekonews-Buchtipp

Ab 1989 sterben in den USA 100 Menschen an einer mysteriösen Krankheit, 5.000 werden behindert oder gelähmt. Alle Opfer haben das Anti-Depressivum ‘L-Tryptophan’ eingenommen, produziert von der einzigen Firma, die es gentechnisch erzeugt. Das normal produzierte L-Tryptophan aller anderen Erzeuger hat solche Nebenwirkungen nicht. In geheimer Sitzung der US-Lebens- und Arzneimittelbehörde nennt der zuständige Spitzenbeamte die gentechnische Herstellung als möglichen Grund für die Katastrophe.

Kurz darauf behauptet er jedoch, über etwaige Gefahren gentechnischer Produktionsmethoden sei ihm nichts bekannt. Damit ermöglicht er seiner Behörde die Erfüllung des Wunsches der Regierung Bush senior, der Biotechnologie um jeden Preis den Weg zu ebnen und das politisch – nicht wissenschaftlich – motivierte Dogma der ‘substanziellen Äquivalenz’ zu erfinden: Gentechnisch manipulierte seien natürlichen Organismen derart ähnlich, dass sich spezielle Prüfungen wie etwa Langzeitstudien erübrigen.

Ein Film (ARTE-Doku), von Marie-Monique Robin parallel zu ihrem Buch gedreht, zeigt u.a. Bush senior - damals Präsident Reagans Vize - zu Besuch bei einer anderen Firma, in der bald nicht nur linke Kapitalismuskritiker die Verkörperung des Bösen in der Wirtschaft sehen: Die Gentechniker des Chemieriesen Monsanto aus Missouri setzen Bush scherzhaft-drohend unter Druck: er müsse dafür sorgen, dass die Zulassung ihrer Produkte stark vereinfacht werde, sonst …

Bush verspricht zu intervenieren. Damit beginnt die haarsträubende Geschichte von Monsantos massiven Bestrebungen, sich mit manipulierten Forschungsarbeiten, Terror gegen Bauern, Journalisten, anständige Beamte und Wissenschaftler und in engster ‘Zusammenarbeit’ mit höchsten Politikern und Spitzenbeamten die weltweite Beherrschung des Saatgutmarktes zu sichern und die natürlichen durch genetisch manipulierte Pflanzen zu verdrängen.

In Nordamerika geht die Strategie auf: In Kanada kann man Raps und Soja nicht mehr biologisch züchten, weil die transgenen Sorten durch Windverwehung alle Felder kontaminiert haben. Die geschädigten Bauern kriegen dann sogar noch eine Klage, weil sie ja keine Monsanto-Lizenz haben. Ebenso verfolgen Monsantos ‘Gen-Sheriffs’ Bauern, die die älteste und verantwortungsvollste landwirtschaftliche Strategie verfolgen, nämlich einen Teil der Ernte fürs nächste Jahr als Saatgut aufzuheben. Die werden geklagt und von willfährigen Gerichten verurteilt, denn sie mussten sich ja ursprünglich vertraglich verpflichten, jedes Jahr neu von Monsanto zu kaufen. Das Patent auf ein ‘Terminator’-Gen, das das Saatgut automatisch vernichtet, hat Monsanto gekauft, aber bisher aus Publicity-Gründen gezögert, es einzubauen. Ebenso hat Monsanto viele Samenproduzenten aufgekauft und beherrscht weltweit über 90% des Marktes mit Gensaat.

Einzelne Teile des Puzzlespiels ‘Monsanto’ sind Beobachtern schon länger bekannt. Robin bringt eine erste, hervorragend recherchierte Zusammenschau. Ein realer Krimi, aufregender als jeder erfundene. Und Pflichtlektüre für verantwortungsbewusste Zeitgenossen.

Robin hat auch in Indien und Lateinamerika recherchiert, wo Monsantos Eroberungsfeldzug schon Tausenden das Leben gekostet hat.

Den indischen Baumwollbauern hat Monsanto eine ‘magische Saat’ verkauft – viermal so teuer wie die konventionelle, dafür resistent gegen einige Schädlinge. Leider aber nicht geeignet für die regionalen Gegebenheiten, und so geht dem jungen Bauern, dessen Begräbnis Robin auch im Film zeigt, die Ernte seit der Erstaussaat jedesmal im Regen ein. Innerhalb eines Jahres ist er bei den Monsanto-Händlern so verschuldet, dass er seine Familie nicht mehr ernähren kann und es bleibt ihm nur mehr der der Griff zum (Monsanto-)Pestizid-Kanister. Er stirbt unter schrecklichen Qualen. In diesem Jahr (2006, ein Jahr nach der Einführung von Monsantos Bt-Baumwolle) beendet in diesem Bundesstaat alle acht Stunden ein Kleinbauer auf die gleiche Weise sein Leben. Nun hat es dort Selbstmorde auch schon früher gegeben. Seit der Einführung der Monsanto-Baumwolle sind es aber fünfmal so viele. Auf seiner Homepage beschreibt Monsanto sein segensreiches Wirken jedoch so: ”(..It) results in more responsible use of natural resources, better ecosystem health, increased soil fertility, increased farm income, and more opportunities for farmers and their communities.”

In Lateinamerika schließlich folgt der Siegeszug Monsantos den dortigen Gepflogenheiten: In Länder wie Paraguay oder Brasilien, die transgenes Saatgut eigentlich verbieten wollten, wird es in unbeschrifteten Säcken so lange eingeschmuggelt, bis alles kontaminiert ist und die Regierungen nachgeben müssen.

Und die großen Gentechnik-Bauern kaufen die Felder rund um die letzten noch verbliebenen naturnah wirtschaftenden Kleinbauern auf, versprühen dort reichlich Monsantos Pflanzenschutzgift ‘Roundup’, wogegen Monsantos genmanipulierte Sojapflanzen immun sind, nicht aber die Menschen, und haben auch Kinder auf dem Gewissen, die auf dem Schulweg – möglicherweise unabsichtlich - gleich mitbesprüht werden. Kritiker bedrohen sie mit dem Tod und manche Eltern getöteter Kinder wagen nicht, Anzeige zu erstatten. Kleinbauern, die sich nicht vertreiben lassen wollen, werden von Privatmilizen überfallen und manchmal ermordet, ihre Häuser angezündet.

Es scheint, dass Monsanto nicht mehr und nicht weniger im Sinn hat, als sich das Monopol über die menschlichen Grundbedürfnisse unter den Nagel zu reißen - über das, was in der Volkswirtschaftslehre einst ‘freie Güter’ hieß. Hat sich die Firma doch auch sehr angestrengt, die Wasserversorgung Mexikos und Indiens in die Hand zu bekommen. Dies wurde jedoch bis auf weiteres durch erbitterten Abwehrkampf verhindert.

Kommentar

In den letzten Jahren wächst der Widerstand gegen Gen-Saat vor allem in asiatischen und europäischen Ländern, nicht zuletzt in Österreich.

Wir haben noch eine Chance - auch wenn die EU-Kommission ihre Macht bis zum Äußersten ausspielt, um ihren Untertanen genmanipulierte Saaten aufzuzwingen. Und warum ist sie eigentlich derart verbissen dafür? Manche Kritiker erinnern an eine vergessene Episode der EU-Geschichte, als das EU-Parlament 1999 die gesamte Kommission wegen Korruption zum Rücktritt zwingen musste. Aber selbst ohne solchen Verdacht ist die Motivation der Kommission stark: Tut doch auch die Welthandelsorganisation WTO alles, um ihren Mitgliedern – im Sinne des hemmungslosen Freihandels – Waren (meist aus den USA) aufzuzwingen, auch wenn die Empfänger diese absolut nicht wollen Zum Beispiel zahlt Europa jedes Jahr viele Millionen an Strafzöllen an die USA, weil wir ihr ‘Hormonfleisch’ nicht kaufen. Was die EU gegen Österreich tut, tut also die WTO unter dem Einfluss von Monsanto und den USA gegen Europa und setzt damit die EU-Kommission unter Druck.

April 2009: Das Wunder, dass die fast unüberwindliche 72-Prozentschwelle im EU-Ministerrat zugunsten Österreichs (und Ungarns) durchbrochen wurde und die beiden Länder ihr Anbauverbot für Monsanto-Mais (den einzigen in der EU bisher zugelassenen Gen-Mais) somit beibehalten dürfen, und dass dann noch Deutschland dem Beispiel folgte, wird vielleicht nicht das einzige Wunder bleiben. Denn da auch in den USA zunehmend Skepsis um sich greift und mehrere US-Lebensmittelkonzerne von Genprodukten wegwollen, wird die US-Regierung vielleicht bald die Nibelungentreue überdenken, die sie ausgerechnet einem der fragwürdigsten Konzerne hält. Noch unterstützt sie ihn bei der Welthandelsorganisation WTO, damit diese Druck auf Europa ausübt und die Europäer zur Akzeptanz von Genprodukten zwingt. Aber – vielleicht nicht mehr lange?

Andererseits - Juni 2009: Eine große Konferenz über gentechnisch manipuliertes Saatgut veranstaltet die päpstliche Akademie und lädt dazu ausschließlich Vertreter der Gentechnikindustrie (Monsanto!) und sonstige Befürworter ein. Nach Protesten von Umweltgruppen wird die Teilnehmerliste etwas verändert. Ergebnisse stehen noch aus, es wird vermutet, dass sie stark im Sinne der Industrie ausfallen werden. In einem vorläufigen Kommentar vom 20. Mai 2009 schreibt die Homepage von Radio Vatikan, die Einberufung der Konferenz heiße noch lange nicht, dass der Vatikan deren Anschauungen teilt. Der Artikel zitiert aber die alten Märchen der Gentech-Industrie über die potentiellen Wohltaten ihrer Produkte für die Dritte Welt, ohne Fakten wie etwa die Massenselbstmorde indischer Bauern nach dem Versagen der Monsanto-Baumwolle zu erwähnen. Als einziger Skeptiker wird ein afrikanischer Bischof zitiert (http://www.oecumene.radiovaticana.org/TED/Articolo.asp?c=289097). Erinnerungen werden wach an Bundeskanzler Kreisky, der sich von einem Gremium beraten ließ, das ausschließlich aus Angehörigen der Atomlobby bestand.

Und im Oktober 2009 warnt Global 2000, dass die EU-Kommission nicht und nicht aufgibt: Unter dem Druck von USA-WTO will sie die Nulltoleranz gegenüber Importen aufheben und erwägt daher, ‘Schwellenwerte’ sogar für nicht zugelassenen Genpflanzen zu genehmigen. Das würde heißen, dass Schiffe mit den verbotenen Produkten nicht mehr in die USA zurückgeschickt werden könnten. Die europäische Landwirtschaft, insbesondere die österreichische, die sich um Gentechnikfreiheit bemüht (und dafür auch laufend den kostenintensiven Nachweis erbringen muss), sähe sich dann der Konkurrenz der ausländischen Agroindustrie ausgesetzt, die ihrerseits kein Prüfungsverfahren bezahlen muss und zumindest den Futtermittel-Markt mit ihrer nicht gekennzeichneten Ware überschwemmen will.

Anmerkung:

Um die allmächtige EU-Kommission zu überstimmen, braucht ein Land im Umwelt-Ministerrat von den 27 Ministern mindestens 20 Stimmen. Vereinfacht ausgedrückt (in der Realität sind die Minister-Stimmen nach Einwohnerzahl verschieden gewichtet): Hätten ‘nur’ 19 für Österreich gestimmt und die restlichen 8 sich der Stimme enthalten, dann hätte die Kommission schon gewonnen und eigenmächtig entscheiden können. Es stimmten aber 22 für uns, darunter auch viele, die den Anbau selbst noch gestatten. Einige Tage später folgte - nächstes Wunder –Deutschland dem Beispiel Österreichs und verbot seinerseits den Anbau. Monsanto stellte daraufhin einen Eilantrag auf Widerruf des Anbauverbotes, um die heurige Aussaat doch noch zu ermöglichen, blitzte aber im Mai vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig ab.

Die hatten uns lieb: Gegen die Kommission und für die Anbauverbote in Österreich (und Ungarn) haben gestimmt: Österreich, Belgien, Bulgarien, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien (22 Länder)
Die hingegen hatten uns nicht lieb: Gegen uns, für die Kommission und die Aufhebung des Anbauverbots haben gestimmt: Estland, Finnland, Großbritannien, Niederlande, Schweden (fünf Länder)

Mit Gift und Genen - Wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert

Marie-Monique Robin,
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009, 463 Seiten

GastautorIn: Univ.-Lektor Mag. Dr. Gernot Neuwirth für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /