„Ablasshandel“ mit CO2-Zertifikaten?

Bedrohungsszenario für Österreich: Bis 2013 müssen voraussichtlich um mindestens 1 Mrd. Euro CO2-Zertifikate gekauft werden – klare Energie-Vision und verbessertes Ökostromgesetz notwendig

Wien- Das Kyoto-Protokoll ist ein internationales Übereinkommen der Vereinten Nationen, das den Industriestaaten verbindliche Ziele für die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen vorschreibt. Diese Gase gelten als Auslöser der globalen Erwärmung, wobei die Hauptursache in der Verwendung der fossilen Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle liegt. Um den prognostizierten gefährlichen Klimawandel zu verhindern, wurden für die Teilnehmerstaaten völkerrechtlich verbindliche Reduktionsziele vereinbart – für Österreich etwa das Ziel von minus 13 % bis 2010 (Zielerreichungsperiode 2008 – 2012) (Basis 1990). Da es sich um eine rechtliche Übereinkunft handelt, sind bei Nichterreichen der vereinbarten Ziele Strafen vorgesehen. D.h., die nicht erreichten Reduktionen in der nächsten Verpflichtungsperiode müssen mit einem Aufschlag von 30 % (zusätzlich zum dann geltenden Ziel) nachgeholt werden. Kann dies im Inland nicht erreicht werden, so müssen CO2- Emissionsrechte im Ausland eingekauft werden, was einem ‘Freikaufen’ entspricht.

Für Österreich bedeutet dies, dass im Durchschnitt über die Jahre 2008 – 2012 nur 68,7 Mio. Tonnen Treibhausgase, gemessen in CO2-Äquivalenten (CO2e), emittiert werden dürfen. Wird dieses Ziel im Inland nicht erreicht, so sind aus dem Ausland Emissionsrechte zuzukaufen. Die Emissionsdaten von 2007 zeigen jedoch, dass Österreich in diesem Jahr bereits 88 Mio. Tonnen emittiert hat, somit 11 % über dem Referenzjahr von 1990 mit 79 Mio. Tonnen. Das entspricht einem tatsächlichen Reduktionsbedarf von 22 %. Ausgehend von einem Emissionsüberschuss von 19,3 Mio. Tonnen 2007, könnte in der Kyoto- Zielperiode 2008 – 2012 das jährliche CO2-Defizit 20 bis 30 Mio. Tonnen erreichen.

DI Dr. Christian Plas, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der denkstatt GmbH, erläutert: ‘Bis zum 31.12.2013 muss Österreich nachweisen, dass es über ausreichend CO2 Zertifikate verfügt, sonst kommt es zu einem Vertragsverletzungsverfahren. Derzeit liegt das Preisband für Zertifikate bei rund 10 bis 15 Euro pro Tonne CO2. Wenn also laut Hochrechnungen in der gesamten Erfüllungsperiode ca. 100 Mio. Tonnen CO2 von Österreich zu viel emittiert werden, ergibt dies einen erforderlichen Zertifikatszukauf im Wert von mindestens 1 Mrd. Euro - möglicherweise bis zu 1,5 Mrd. Euro.’

Die „Sündenfälle“ der österreichischen Klima- und Energiepolitik

Das aktuelle Ökostromgesetz setzt keinen ausreichenden Anreiz, um den Anteil der Erneuerbaren Energien EU-konform auf 34 % am Energieverbrauch auszubauen. Derzeit halten wir bei rund 23 – 28 %.

Die österreichischen Strategieüberlegungen zu Klima und Energie kommen kaum über den Status der Auflistung von Potenzialen und wünschenswerten Maßnahmen hinaus.

Strategische Maßzahlen erschöpfen sich meist in kurzfristiger Effizienz wie etwa der derzeitige Erzeugungspreis und kurzfristige CO2-Einsparung pro Euro.

Das Potenzial an möglichen Maßnahmen wird nicht oder zu wenig zielgerichtet genutzt (z.B. die Kfz-Verschrottungsprämie ohne ökologisches Effizienzkriterium).

Die beschlossenen Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen des Konjunkturpakets unterstützen kaum die österreichische Wertschöpfung, da sie im Bereich der Großprojekte angesiedelt sind. Laut WIFO generiert 1 Mrd. Euro Investition in den Tiefbau rund 7.800 Arbeitsplätze, durch thermische Sanierung werden aber 13.600 Arbeitsplätze geschaffen.

Wertvolle Steuerungsmaßnahmen werden nicht eingesetzt, der Anteil an Energie- und Ökosteuern am Gesamtaufkommen liegt deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.

Deutsches Erneuerbare-Energien-Gesetz als Vorbild

Im Gegensatz zum österreichischen Ökostromgesetz bietet etwa das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Investitionssicherheit aufgrund einer klaren Tarifstruktur, die für 20 Jahre im EEG geregelt ist und bei der Finanzierung nicht gedeckelt ist. Dadurch kommt es zu keiner Konkurrenz zwischen den verschiedenen Technologien. Weiters werden zeitlich degressive Tarife, aber ausreichend hohe Tarife angeboten. Für die deutschen Netzbetreiber gibt es einen Kontrahierungszwang zur Abnahme des Ökostroms, der – aufgrund eines ‘Umlagesystems’ – von allen Stromkunden mit Ausnahmen für die stromintensive Industrie einfach und EU-konform refinanziert wird.

Dazu Mag. Peter Engert, Geschäftsführer von Raiffeisen-Leasing: ‘In den letzten Jahren hat sich die Raiffeisen-Leasing verstärkt den Erneuerbaren Energien zugewandt und zählt in diesem Segment zu den größten Investoren in Österreich. Die Palette reicht von Projekten im Bereich der Windkraft über Biotreibstoffe-, Biomasse- sowie Photovoltaikanlagen bis hin zur Wasserkraft. Aufgrund des bisherigen sowie des aktuellen Ökostromgesetzes finanzieren wir am Heimmarkt Österreich jedoch seit geraumer Zeit keine neuen Ökoenergieanlagen mehr, sondern konzentrieren uns ausschließlich auf das Auslandsgeschäft. Dies ist für die inländische Wertschöpfung ein großer Nachteil.’

Forderungen an die Politik:

Zunächst wäre eine klare und kommunizierbare Energie-Vision erforderlich!

Das österreichische Ökostromgesetz benötigt Planbarkeit, ausreichende Einspeisetarife und Investitionssicherheit wie in Deutschland. Und es muss das sogenannte ‘Windhundprinzip’ beendet werden, bei dem die Förderungen so vergeben werden, dass der Schnellste bei der Einreichung gewinnt bzw. entscheidend ist. Das kann im Sinne des Klimaschutzes und auch der österreichischen Wirtschaft nicht funktionieren. Das Ökostromgesetz muss, um die Investitionen wieder voranzutreiben, Planungssicherheit bieten.

"Nicht kleckern, sondern klotzen" sollte die Devise lauten. War doch etwa die bereits ausgeschöpfte Förderung für thermische Sanierungen von 100 Mio. Euro. nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Für eine nachhaltige Energieeinsparung wäre eine 3%ige Sanierungsquote und somit die zehnfache Summe erforderlich gewesen.

Für den ‘Nicht-ETS-Bereich’ (ETS = Emission Trading System) sollte eine aufkommensneutrale CO2-Steuer, wie auch in anderen EU-Ländern (Schweden, Finnland, Dänemark, Slowenien, Frankreich) eingeführt werden. Um jedoch Atomstrom zu vermeiden, wird ein Ökostromgesetz mit verbindlichen, engagierten Ausbauzielen benötigt.

Eine ‘Domestic Joint Implementation’ (auch ‘Domestic Offset Projects – DOP’: Möglichkeit zum Erhalt von Reduktionszertifikaten) hilft der heimischen Wirtschaft. Die Wertschöpfung bleibt im Inland, und somit das Steueraufkommen, Arbeitsplätze werden gesichert, die Außenhandelsbilanz wird aufgrund geringerer fossiler Energieimporte entlastet, durch heimische Energiequellen gäbe es eine höhere Versorgungssicherheit und die Belastung von Wohnungsmietern bzw. -Eigentümern durch die Energiekosten würde reduziert werden. Eine Technologieführerschaft durch Heimmärkte für erneuerbare Energien und Energieeffizienz könnte verfolgt werden.
Zeit zum Handeln!

Engert: ‘Offensichtlich muss in Österreich genug Geld vorhanden sein, wenn es billigend in Kauf genommen wird, dass in den nächsten Jahren um mindestens 1 Mrd. Euro CO2- Zertifikate zugekauft werden, statt dieses Geld jetzt sinnvoll und nachhaltig durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien in die Volkswirtschaft zu investieren. Ziel sollte es sein, dass Österreich langfristig energieautark wird – wie es auch von Umweltminister Berlakovich angestrebt wird. Dies würde zur Arbeitsplatzsicherung beitragen.’

Plas ergänzt: ‘Schließlich bringen 2 Mrd. Euro Investitionen im Sektor der Eneuerbaren Energien rund 4 Mrd. Euro Bruttoproduktionswert, was 7.000 Vollzeit-Äquivalenten entspricht. Der Trend zeigt, dass sich der Bereich der Umwelttechnik seit 1993 verdoppelt hat, was 22.000 VollzeitÄquivalenten entspricht.’

Quelle: Raiffeisen Leasing & Denkstatt


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /