Die Bildung macht den Job – Job- und Bildungsmesse Erneuerbare Energien 2007

In den Arkaden des Gelsenkirchener Wissenschaftspark präsentierten 55 Aussteller aktuelle Bildungsmöglichkeiten und 411 Jobs rund um den Arbeitssektor Erneuerbaren Energien

Seine dritte Auflage erlebte am 05. und 06. Juli ein Event, dass die Energien der Zukunft und deren Beschäftigungspotenziale nicht später als im Heute veranschaulichen möchte. Denn längst angekommen in der Gegenwart sind bereits Wind- oder Solarenergie als Kohle- oder Atomstrom-Alternativen in einer zunehmend besorgteren Welt. Willkommen geheißen wurden damit auch deren Produzenten und Zulieferer auf den globalen Wirtschaftsmärkten. Wer hierzulande die Wertentwicklung von Unternehmen wie SolarWorld, Conergy (Systemanbieter Erneuerbare Energien) oder Nordex (Windanlagen) verfolgt, sieht die heimlichen neuen Regenten der Indizes. Wachstumsraten im dreistelligen Bereich drücken eine deutliche Nachfrage aus. Auch der Biogas- sowie der Biomasseverwertung wird nach Expertenmeinungen eine glänzende Aussicht prophezeit. Gleiches gilt für die Nutzung von Erdwärme, die sich langfristig aufgrund ihres schier unmessbaren Reservoirs und ihrer vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten durchsetzen soll.

Eine Branche, viele Möglichkeiten

Um die gepriesenen Naturgaben erfolgreich zu nutzen bedarf es jedoch vor allem qualifizierten Personals, und zwar sowohl im technisch-naturwissenschaftlichen als auch im administrativ-kaufmännischen Bereich. Ferner wird kein Großkonzern langfristig die Investitionsmöglichkeiten in boomende Wirtschaftszweige verkennen und zukünftig vermehrt auf Beratungsexperten mit entsprechender Branchenerfahrung setzen. Finanzdienstleister wie beispielsweise Versiko haben dies frühzeitig erkannt und partizipieren am Aufstieg der neuen Erfolgsaktien. Auch im allgemeinen Bildungswesen, in der Pressearbeit oder der internen Mitarbeiterschulung von Unternehmen werden Vakanzen entstehen. Um es auf den Punkt zu bringen: An den regenerativen Energien kommt der Arbeitsmarkt nicht einmal kurzfristig vorbei. Will er auch nicht. Deshalb sucht er. Unter anderem auf der Job- und Bildungsmesse

Unbefriedigendes Ausbildungswesen

Zum Auftakt stimmte Staatsminister Dr. Jens Baganz (CDU) euphorische Töne an. Ein ‘Mega-Thema’ würden die Erneuerbaren Energien national und international, die allein in Nordrhein-Westfalen innerhalb der nächsten dreizehn Jahre 40.000 neue Arbeitsplätze mit attraktiven Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen sollen. Dass die Politik diese verheißungsvolle Erwartung nicht aus den Augen verliert, mag sich die Industrie erhoffen. Deren Vertreter Andreas Hofmann, Personaldirektor bei Conergy und Stephan Oldenburg, Filialleiter von Versiko Bonn, bemängeln den akuten Mangel an Fachkräften, der aus unbefriedigenden Ausbildungsverhältnissen an den Hochschulen resultiere. Damit hegen sie die Erwartung auf übergreifende Qualifikationen, die beispielsweise nicht beim Mechaniker enden, sondern im Mechatroniker (in einer Fachkombination aus Mechanik und Elektronik) oder im Solarteur (ein Solar-Installateur) übergehen. Auch die demographische Entwicklung bereite Anlass zur Sorge, sagte Stephan Oldenburg. Die rückläufigen Studienbeginnerzahlen ließen auch in Zukunft auf dem Beschäftigungsmarkt eher einen Mangel an hochqualifizierten Mitarbeitern erwarten.

„Greifen Sie zu!“

Die Messe soll bei diesen Problemen Abhilfe leisten. Sowohl hinsichtlich der Inspiration und Aufklärung zukünftiger Schulabgänger als auch in der konkreten Vermittlung von Absolventen, Berufserfahrenen und Quereinsteigern. Dass sich ein Kommen für alle Beteiligten lohnt, bekräftigte Andreas Hofmann. Bei der letzten Veranstaltung lernten allein bei seinem Unternehmen fünf Besucher ihren neuen Arbeitgeber kennen. Dabei seien für die Besetzung der aktuell 200 offenen Unternehmensstellen weniger bestimmte Hochschulabschlüsse wichtig, sondern interdisziplinäre Fähigkeiten, wie Kommunikationsstärke, Teamwork oder die Flexibilität, im Ausland arbeiten zu wollen. Eben ‘da hingehen, wo der Kunde ist’, fasste der Personalverantwortliche die Ideologie eines Großkonzerns zusammen.
Den Gekommenen empfahl der Messe-Initiator Theo Bühler bei der offiziellen Eröffnung schließlich: ‘Es gibt viele gute Angebote. Nehmen Sie sie wahr, greifen Sie zu!’

Die richtige „Begrüßung“

Quasi zur Begrüßung erwarteten den Messebesucher unmittelbar hinter dem Eingang 411 Stellenausschreibungen an den Jobwänden. Ein kurzer Streifzug durch die Inserate verdeutlichte das Spektrum der Branche. Gesucht wurden u.a.:
Monteure, Berater, Fortbildungskoordinatoren, Bildungsplaner, Projektleiter, Entwicklungsingenieure, Praktikanten, Chemielaboranten, Techniker, Vertriebler, Fremdsprachenkorrespondenten, Personalreferenten, Mitarbeiter im Transportwesen, Spezialberater, Architekten, Konstrukteure, Sachbearbeiter, Maschinenbauer, Technische Redakteure, Einkäufer, Kaufmännische Geschäftsführer und IT-Spezialisten.

Einladendes Ambiente

Der Wissenschaftspark Gelsenkirchen fungierte nach 2005 bereits zum zweiten Mal als Gastgeber der Veranstaltung. Das angenehme, dezente Ambiente der lichtfreundlichen Arkaden, die dem steten Fluss ihrer Besucher ruhende Teichanlagen hinter einer Panoramafront entgegensetzen, hob sich einmal mehr einladend vom gedrungenen und kunstlichtberieselten Kaufhausinterieur vergleichbarer Events ab. Eben wegen ihrer sinnvollen ‘Größenordnung’ wurde die Überschaubarkeit der Veranstaltung gewahrt und der oftmals unvermeidlichen Messehektik ein Überhandgreifen verwehrt.

Angebot angenommen

An der mangelnden Nachfrage sollte eine gewisse Entspanntheit jedoch nicht liegen. Das Messeangebot wurde auch in diesem Jahr von den Besuchern angenommen und sorgte für regen Austausch an nahezu allen Ständen sowie gut gefüllte Säle zu den Branchenworkshops und den Unternehmenspräsentationen. Wenngleich die Jobanbieter das erste Interesse der Gekommenen bildete, wurde daneben der Informationsgehalt der zahlreich vertretenen Bildungs- und Weiterbildungsinstitute von den jungen Besuchern geschätzt. Über die letzten Jahre spezifischer geworden sind beispielsweise Master- und Bachelorstudiengänge, die Erneuerbare Energien als wegbereitenden Arbeitsmarkt erkannt und die Mahnungen der Industrie nach umfassenderer Ausbildung vermehrt vernommen haben. Dass nach wie vor Schulgruppen den Besuch der Messe auf dem Stundenplan platzieren, spricht für das Konzept der Veranstalter, den Energien der Zukunft die Fachkräfte von morgen zuzuführen.

Orientieren heißt Ankommen

Auf beruflichem Orientierungskurs unterwegs waren in Gelsenkirchen Ann-Kathrin Krüger, David Kulke, Eva Nienhaus und Clara Steinbach. Die Abiturienten weilten mit 41 weiteren Schülern aus Schlesien, Nord-Pas des Calais und Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks (IBB) organisierten Treffens vor Ort. ‘Wir wollen uns hier über Ausbildungsmöglichkeiten und Chancen in neuen Jobs informieren’, erzählte Ann-Kathrin. ‘Es ist sehr interessant zu sehen, wie speziell sich der Berufsmarkt der Erneuerbaren Energien entwickelt hat und welche Bildungsmöglichkeiten schon bestehen’, so die 18-jährige. Ob für sie eine Tätigkeit in den neuen Berufsfeldern in Frage käme, bezweifelte die Bochumerin zu diesem Zeitpunkt noch. Einen Job im kaufmännischen Bereich der Branche kann sich dagegen David grundsätzlich vorstellen, auch wenn bei ihm noch keine konkreten Berufspläne bestehen. Imposant fand der junge Mann das Angebot auf der Messe jedenfalls.Alle vier hoben die Freundlichkeit und Offenheit der kontaktierten Aussteller hervor und sinnierten über den anstehenden Besuch des Workshops Windenergie.
Ebenfalls noch unentschlossen kam Bettina Gostomski aus Gelsenkirchen in Begleitung ihrer Mutter zur Veranstaltung. Die 19-jährige nutzte ihren Heimvorteil, um sich mit Infos zu versorgen und generelle Eindrücke über die Branche zu sammeln. Schon gezielter reiste Daniel Müller aus Siegen an. ‘Mich interessieren vor allem die Bereiche Wind- und Solarenergie’, berichtete der Student. Mit einigen Freunden war er ins Ruhrgebiet gereist und hatte gegen Mittag bereits mehrere Kontakte zu Arbeitgebern aufzuweisen. Den Tipp zur Messe bekam er übrigens von seinem Professor.

Positives und Negatives

Zufriedenheit signalisierten ebenfalls die Arbeitgeber. Einige nutzten die Veranstaltung schon das dritte Mal zur Präsentation. Katharina Ewers (23) vom Windanlagenhersteller Vestas war nicht nur von der Internationalität der Veranstaltung beeindruckt. ‘Wir haben schon eine Menge Bewerbungsunterlagen angenommen, und es gab durchaus einige Besucher, die in ein engeres Auswahlfeld kommen werden’, bilanzierte die Mitarbeiterin der Personalabteilung. Die überwiegend positiven Eindrücke teilte Sitha Stübe von SolarWorld. ‘Leider fielen aber auch einige Bewerber aufgrund der mangelhaften Vorbereitung negativ auf’, so die Personalmanagerin. Nach ihrer Einschätzung entwickele sich die Messe jedoch professionell und bleibe vielversprechend.

Services

Über eine ‘riesige Resonanz von Besuchern aus dem gesamten Bundesgebiet’ freuten sich die Mitarbeiterinnen der Arbeitsagentur Gelsenkirchen, Ina Marquard und Miriam Nitschkowski. Interessenten nutzten den Service eines Bewerbungschecks ausgiebig bis in den späten Nachmittag hinein. Auffällig dabei: Die vielen verbesserungswürdigen Bewerbungsunterlagen vor allem von Universitätsabsolventen, so die Expertinnen.
Ebenfalls im Focus der Besucher: Die Infothek des Wissenschaftsladen Bonn, die über aktuelle Studien- und Ausbildungsangebote Auskunft erteilte. Genutzt wurde dieser Service quer durch alle Besucherschichten. ‘Neben den Studenten sprachen uns sowohl Väter mit Töchtern als auch Berufserfahrene an’, resümierte Björn Helbig vom Wissenschaftsladen.
Komplettieren konnte das Messepublikum den Tag mit einem Besuch der verschiedenen Workshops oder Unternehmenspräsentationen, der im erstmals erhobenen Eintrittspreis von 5,- Euro enthalten war. Neben spezifischen Informationen und Arbeitgeberperspektiven hatten die Teilnehmer hier außerdem die Möglichkeit zu Wortmeldungen.
Alt aussehen mussten Jobsuchende jenseits der Uni auf der Messe trotz der vielen jungen Gesichter nicht. Sowohl Personal mit langjähriger Arbeitserfahrung als auch Quereinsteiger standen laut Eigenaussage bei vielen Unternehmen hoch im Kurs. So mischten sich jung, alt und älter, Frau und Mann mit und ohne Hoch- oder Fachhochschulabschluss auf dem Messeparkett zu einem repräsentativen Abbild der Ausbildungs- und Erwerbsgesellschaft.

Jobs für alle?

Durch die unermüdliche Suggestion von Industrie, Politik und Medien erklärt sich der Jobmarkt Regenerative Energien zuweilen auffallend konträr zu seinen Bedürfnissen. Am Gegenbild, einer Arbeitsbranche mit Anspruch auf einen barrierelosen Chancenmarkt für beinahe jedermann – so denn der Wille zum Einsatz stimmt –, wird beständig Farbe aufgetragen. Training-On-The-Job und Weiterbildungsmaßnahmen sollen spezifisches Wissensdefizit ausmerzen, das aufgrund der unzureichenden Aufklärungs- bzw. Ausbildungssituation an Schulen, Hochschulen und in den Betrieben noch nicht in den Job mitgebracht wird. Umso mehr werden die berühmten Charakterqualitäten Engagement, Teamgeist, Selbstständigkeit, Belastbarkeit und Kommunikationsstärke bemüht, wenn es um die Adressaten auf dem Arbeitsmarkt geht. Doch diese allgemeinen Beteuerungen senden ein trügerisches Hoffnungssignal für Erwerbslose aus, die übertriebenen Freiberuflichkeitsanpreisungen – beispielsweise in der Beratungsbranche – oder schlecht vergüteten Endlospraktika mit hohlen Einstellungsaussichten erliegen. Denn zu verschenken haben auch die ethisch gepriesenen alternativen Energien mit Sicherheit nichts. Hinter den unüberhörbaren Ausrufen ‘Boom!’ und ‘Wachstum!’, an denen der zielstrebige und leistungswillige Mitarbeiter teilhaben soll, werden oftmals die Hauptwörter ‘Identifikation’ und ‘Einsicht’ noch kleingeschrieben. Fehleinschätzung, Verschleiß und Demotivierung werden für manchen Quereinsteiger die ernüchternden Folgen sein. Weniger gestreute Euphorie, dafür brachenorientierte Ausbildungsmöglichkeiten und klare inhaltliche Anforderungen an die Bewerber sollten zukünftig mehr für alle Beteiligten sein.

Fazit

Die Job- und Bildungsmesse Erneuerbare Energien hat sich auf dem bundesdeutschen Veranstaltungssektor etabliert. Die Kombination von Basisinformationen und konkreten Angeboten führte in den letzten vier Jahren Schüler, Studenten, Arbeitsuchende, Bildungseinrichtungen und Unternehmen zusammen. Anstatt überbetonter Selbstzurschaustellung arrivierter Konzerne überwog auch bei der dritten Aufführung ein schlichteres Dasein mit dem überzeugenden Eindruck der Präsenz des Wesentlichen. Der Job- und Bildungsmesse bleibt zu wünschen, dass der Gehalt der Veranstaltung auch bei einsetzendem wirtschaftlichem Gewinn erhalten bleiben möge.

Thomas Dahl ist freier Freier Journalist und Autor aus Köln - mehr unter: wortall

GastautorIn: Thomas Dahl für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /