Du bist das Klima...

Eine Ansichtssache von Marianne Weno

Energiesparen ist wieder im Gespräch. Der Bundesumweltminister bemerkte kürzlich, wenn wir auf alle Stand-by-Schaltungen verzichten würden, könnten wir zwei Atomkraftwerke abschalten. Ja, wenn...

Die meisten von uns verzichten eben nicht, auch nicht auf die überflüssigsten Dinge. Nicht auf die spritsaufenden Geländewagen, nicht auf die alljährliche Flugreise um die halbe Welt, nicht darauf, im Winter auf beheizten Caféterrassen zu sitzen. Sie verdrängen, was sie über den Klimawandel wissen, obwohl die Auswirkungen immer näher kommen. Gründe dafür sind auch falsche Signale aus der Politik.
Energiewende – vorgedacht und vergessen

Vor einem Vierteljahrhundert erschien das Buch ‘Energiewende’ aus dem Freiburger Ökoinstitut, in dem die Autoren Szenarien für bessere Energienutzung und alternative Energieversorgung entwarfen. Damals, 1980, ging es hauptsächlich darum, die Abhängigkeiten von Öl und Atom zu beenden. Zum ersten Mal tauchte das Wort vom Energiesparen als ergiebigster Energiequelle auf. 1995 veröffentlichten Ernst Ulrich von Weizsäcker und zwei amerikanische Mitautoren ‘Faktor vier’, das noch detaillierter beschrieb, wie allein durch mehr Energieeffizienz ‘doppelter Wohlstand bei halbiertem Naturverbrauch’ möglich wäre.

Das alles erschien ebenso schlüssig wie utopisch. Würde, was praktisch möglich war, sich politisch durchsetzen lassen? Während bei den erneuerbaren Energien sehr langsam einiges in Bewegung gekommen ist, blieb die ‘Energieeffizienz’ größtenteils in den Ansätzen stecken. Zwar hat die Industrie aus Kostengründen viel getan, um ihren Energieverbrauch zu reduzieren, aber wie zu erwarten war, sind die grundlegenden Strukturveränderungen im Lande am Widerstand der Energiewirtschaft gescheitert. Kleinere dezentrale Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Koppelung passten ebenso wenig ins Konzept wie das Energiesparen allgemein. Auch Rot-grün war hier ziemlich machtlos.

Die Logik des Verdrängens

Energiesparen ist nicht nur Technik, sondern auch Psychologie. Ohne die Bereitschaft der Bürger, nach ihren Kräften etwas für das Klima zu tun, werden wir unsere Einsparziele nicht erreichen. So lange es nicht als peinlich gilt, mit Vierradantrieb zum Briefkasten zu fahren und Energieverschwendung allgemein nicht geächtet wird, werden sich auch die Kommunen nicht von unsinnigen Projekten abbringen lassen. Was antwortet heute jemand, den man fragt, ob er nicht einen Teil seiner weihnachtlichen Lichterketten abmontieren will? ‘Dann seht euch doch mal in der Stadt um’. Auf die Frage, ob er nicht die Heizung um ein Grad drosseln könnte, wird er vielleicht an den Tropenpark in der Cargolifter-Halle erinnern, die gegen jede Wärmeschutzverordnung im Sommer und Winter auf Tropentemperatur aufgeheizt wird. Wären wir wirklich unglücklicher ohne Eishäuser und Kunstschneepisten? Blieben Lebensträume unerfüllt, wenn wir nicht mal schnell und superbillig nach London fliegen könnten?

Ab und zu lesen wir in der Zeitung, wie lange es dauern wird, bis der Golfstrom versiegt, oder was es bedeutet, wenn die Gletscher verschwinden. Aber niemand fordert uns auf, Konsequenzen zu ziehen. Wir sehen Wirbelstürme und Überschwemmungen im Fernsehen, aber akzeptieren wir einen Zusammenhang mit unserem Verhalten? Nein, im Zweifel haben wir dafür andere Sündenböcke.

Aufklärung ist nicht erwünscht und findet auch kaum statt. Wir sollen konsumieren und uns nicht zu viele Gedanken machen. Bis heute lassen sich Politiker bei Automessen gern in den größten Schlitten fotografieren. Die Medien folgen bereitwillig dieser Linie. So sind kritische Umweltsendungen im Fernsehen, wie seinerzeit ‘Globus’, längst eingestellt. Nirgends gibt es Appelle, die schlimmste Verschwendung einzustellen. Die Politik redet vom Energiesparen so unverbindlich wie von ‘Nachhaltigkeit’. Wie wäre es mal mit einer Kampagne: ‘DU BIST DAS KLIMA’?

Autorin: Marianne Weno für Newsletter der Stiftung Naturschutz Berlin


Florentin Krause, Hartmut Bossel, Karl-Friedrich Müller-Reißmann: ‘Energie-Wende, Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran’. Ein Alternativ-Bericht des Öko-Instituts Freiburg. S. Fischer, 1980.

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Amory B. Lovins und L.Hunter Lovins: ‘Faktor vier’ Droemer Knaur, 1995


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /