Bitterer Zucker aus Brasilien

Markus Schöberl, Zuckerrübenexperte im Rübenbauernbund und zur Zeit in Brasilien unterwegs, hat an NR Hermann Schultes einen Bericht geschickt, der es verdient, öffentlich bekannt zu werden

Hintergrund :

Ziel der EU-Agrarreform ist die Reduktion der Zuckerproduktion von derzeit ca 120 % des europäischen Eigenbedarfs auf ca 60 % des Eigenbedarfs und Umstellung der Versorgung auf Importe aus Brasilien, das unter gegebenen Bedingungen eine weitere Verdoppelung der Rohrzuckerproduktion vornehmen wird.

Eindrücke aus Brasilien

Mail von: Markus Schöberl
Gesendet: Samstag, 02. Juli 2005 01:07
An: Schultes Hermann, Ing.

Betreff: Eindruecke aus Brasilien

Hallo Hermann,

bin gerade mit der FAIRTRADE-Reisegruppe (Journalisten + Fairtrade Mitarbeiter)in Brasilien unterwegs. Am Beginn der Reise waren wir im Grossraum Recife (Pernambuco), eine der grossen Zuckerrohrzonen.

Es ist wirklich erschütternd, was wir hier zu sehen bekommen haben. In der Region herrscht nur soziales Elend, das durch die Zuckerbarone entstanden ist.

Wohin du auch schaust, du siehst nur Zuckerrohr. Früher war hier Regenwald, der dann abgebrannt wurde und nun von wenigen Grossgrundbesitzern beherrscht wird.

Die Landbevölkerung wurde brutal vertrieben oder umgebracht, um die Zuckerrohrzone zu erweitern. Diese Bevölkerung dient heute den Zuckerbaronen zu Hungerlöhnen.

Die Vertriebenen haben ihr Hab und Gut verloren, die Häuser wurden einfach mit Schubraupen dem Erdboden gleich gemacht.

Nun leben, besser gesagt vegetieren, diese Leute am Strassenrand (oeffentliches Gut) in so genannten Camps. Das sind primitvste Hütten aus Holzstangen, die mit Plastikplanen bespannt wurden. Sanitäre Anlagen gibt es hier keine. Wasser natürlich auch nicht. Dafür aber Hunger, Unterernährung vor allem der Kinder, Krankheit und Durchfall. Ärztliche Hilfe können sie sich natürlich nicht leisten. Da brauchst wirklich gute Nerven, um das zu verdauen.

Diese Menschen sind ausschliesslich auf Almosen angewiesen, die sind aber auch sehr spärlich und eher von Hilfeorganisatinen wie z.B. die CPT. Die Regierung gibt den Landlosen gelegentlich Nahrungsmittel, aber das ist so selten und wenig, dass es halt nur zum Sterben zu viel ist.

Bei der Rohrernte können dann die ausgehungerten Landlosen bei den Zuckerbaronen zu Hungerlöhnen arbeiten, aber natürlich ohne ofizieller Anstellung und Sozialversicherung oder ähnliches. Jetzt ist mir auch klar, dass Zucker aus Brasilien praktisch in der Produktion nichts kostet und deshalb so billig auf den Weltmarkt geschleudert werden kann.

Wenn wir uns in Europa auch einfach das Land des Nachbarn unter den Nagel reissen können, Arbeiter mit 2-3 Euro abspeisen, auf die Umwelt pfeifen dürfen, dann werden wir auch zu diesen Preisen produzieren können, das ist wirklich keine Kunst!

Ich wuerde gerne einmal unsere Vertreter der EK (nennen wir sie halt einmal so) Urlaub in diesen Camps vermitteln, damit sie hautnah spüren, was WENIGER ALS NICHTS ist und was sie da mit ihrer Zuckerpolitik unterstützen.

Denn eines ist klar: Brasilien freut sich schon auf die Dreiecksgeschaefte via LDC s, dass hört man hier überall, wenn man das Thema Zucker anspricht!

Anstatt den Armen hier zu helfen, wird halt einfach weggeschaut. Auch eine Art von Politik! Die Europäische Kommission nennt das dann Entwicklungshilfe - sehr interessant!

Wenn ich wieder zurück bin zeige ich dir die Fotos dazu.

LG

Markus Schoeberl


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /