Kostenwahrheit für Erneuerbare Energie

Ein Interview mit der Wiener Umweltanwältin Dr. Andrea Schnattinger

Vor kurzem hat die Wiener Umweltanwaltschaft in einer Aussendung für Kostenwahrheit für die Erneuerbaren Energieträger plädiert- das haben wir zum Anlaß genommen, um die Umweltanwaltschaft Wien um ein Interview zu bitten.

oekonews: Sie plädieren für die Kostenwahrheit bei fossilen Energien. Welche Schritte schlagen Sie vor, damit hier auch tatsächlich etwas passiert?

Dr. Schnattinger: Zunächst einmal müsste die krasse Marktverzerrung durch Nichtbeachtung der Vollkosten der einzelnen Energieträger allgemein anerkannt und bestätigt werden. Dadurch kämen die Erneuerbaren aus dem ‘teuren’ Eck. Denn in Wirklichkeit sind Erdöl, Erdgas, Kohle und die Atomkraft wesentlich teurer als Sonnenenergie, Wasserkraft, Windkraft und Biomasse.

Als zweiten Schritt sehen wir die Aufteilung der gesamten Kosten des von den Menschen verursachten zusätzlichen Treibhauseffekts auf die Verursacher. Dieser menschgemachte Treibhauseffekt ist an sich ein Problem der falschen Ressourcenverwendung bzw. -zuteilung. Die Vollkosten der Energie müssen in die Rechnung hinein, damit effiziente und umweltfreundliche Energielösungen realisiert werden. Dann werden die Fossilen und die Atomenergie, deren Kosten jetzt zum Großteil die Allgemeinheit trägt, teurer sein als die Erneuerbaren. Bis dahin werden die Erneuerbaren allerdings Unterstützung brauchen. Ziel muss es sein, sie marktfähig zu machen!

oekonews: Eine Großstadt wie Wien eignet sich sicher besonders für Solarstromanlagen. Was sollte getan werden, damit mehr Anlagen errichtet werden? Wie sollen Rahmenbedingungen dafür idealerweise sein?

Dr. Schnattinger: Die Gewinnung von Wärme und elektrischem Strom direkt aus dem Sonnenlicht ist unserer Ansicht nach eine wichtige Energieperspektive für Städte wie Wien. Angesichts der bestehenden krassen Marktverzerrungen zugunsten der fossilen Energien aus Erdöl, Erdgas und Kohle erscheinen die erneuerbaren Energien derzeit relativ teuer. Daher sollte Wien einerseits darauf drängen, dass im Energiebereich endlich Kostenwahrheit verwirklicht wird, andererseits unter den jetzt gegebenen Umständen die Solarenergiegewinnung in Bereichen und Anwendungen unterstützen, in denen ein Mehrfachnutzen entsteht. Beispielsweise können Solarstrommodule auch als Beschattungsvorrichtung für Gebäude dienen. Dann verhindern sie einerseits die sommerliche Überhitzung der dahinter liegenden Räume und gewinnen andererseits jahrzehntelang elektrischen Strom vor Ort.

oekonews: Was kann die Stadt Wien tun, damit der fossile Energie-Anteil sinkt?

Dr. Schnattinger: Die Stadt Wien hat seit langem ein gut ausgebautes Fernwärmenetz, wodurch schon heute viele fossile Einzelheizungen vermieden werden.

Darüber hinaus sinnvoll wäre unserer Meinung nach die baldige Einführung des Passivhaus-Standards. Weiters die strategische Festlegung auf den kontinuierlichen und raschen Umstieg auf erneuerbare Energien. Wichtig erscheint uns auch die Wahrnehmung der eigenen Vorbildwirkung und die Realisierung von Plusenergiebauten, die mehr Energie ernten als sie verbrauchen. Auch die dezentrale Stromspeicherung von vor Ort gewonnenem Ökostrom soll forciert werden.

oekonews: Finden Sie die E-Control unabhängig?

Dr. Schnattinger: Wir finden, dass die E-Control in ihren Äußerungen tendenziell gegen die Ökoenergien auftritt. Ob das auf Abhängigkeiten beruht, wollen wir nicht beurteilen.

oekonews: Auch der Verkehr hat wesentlichen Anteil am Klimawandel. Was meinen Sie, könnte man speziell in Wien tun?

Dr. Schnattinger: Der Verkehr ist tatsächlich ein Knackpunkt beim Klimaschutz. Daher: Die Fortbewegungsarten des Umweltverbundes (ÖV, Fahrrad, Zu-Fuß gehen) bevorzugen und ausbauen: Viel mehr Platz für die Öffis, das Fahrrad uns die FußgängerInnen. Weiters die flächendeckende Bewirtschaftung des Straßenraums für Parkzwecke einführen. Im Bereich Güterverkehr sollten innovative Citylogistik-Konzepte forciert werden. Elektroautos (samt dazu notweniger Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien) forcieren.

oekonews: City-Maut in Wien- Sehen Sie diese Möglichkeit als sinnvoll? Ab wann wäre eine solche Maßnahme umsetzbar?

Dr. Schnattinger: Wir finden, dass der Straßenverkehr heute seine Vollkosten nicht trägt. Das führt zu Ineffizienz und zu hohen Belastungen der Menschen (Staus, Luftverschmutzung, Lärm, zugeparkte Straßen, Verlust begrünter Innenhofflächen durch Schaffung von neuen Parkplätzen, ...). Die City-Maut ist eine von mehreren Möglichkeiten, den Anteil des Kfz-Verkehrs in der Stadt zu senken. In Wien sind andere Möglichkeiten aber noch nicht ausgeschöpft. Das Londoner Beispiel finden wir jedenfalls beeindruckend.

oekonews: Die Frage Lobau-Autobahn entwickelt sich zu einem "heißen Thema"- wie sieht der Standpunkt der Umweltanwaltschaft dazu aus?

Dr. Schnattinger: Der Begriff Lobau-Autobahn impliziert, dass dort mit der Lobau etwas geschieht. Unsere Aufgabe ist es darauf zu achten, dass der Lobau nichts passiert, das heißt, dass sie als Nationalpark, natürlicher Lebensraum und Erholungsgebiet keine Verschlechterung erfährt. Es kommen daher nur Straßenlösungen in Frage, die das garantieren. Leider ist die Ausgangslage im 22. Bezirk so, dass – auch wenn keine einzige Straße gebaut wird – der Verkehr auf den bestehenden Straßen (Ortskerne) immens ansteigt. Das heißt, dass es auch andere Probleme mit dem Straßenverkehr gibt ,die nur durch entsprechenden Ausbau des öffentlichen Verkehrs in den Griff zu bekommen sind. Zur Zeit sind der Ausbau der U-Bahn bis ins Flugfeld Aspern sowie zusätzliche Straßenbahnlinien geplant. Wichtig ist, dass diese Ausbauten vor Errichtung zusätzlicher Straßen abgeschlossen sind, damit die Stadtstruktur und ihre Nutzer nicht auf das Auto angewiesen und fixiert sind.

oekonews: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /