© Würthner / Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbands
© Würthner / Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbands

Umweltdachverband: Massive Kritik am Entwurf des Bundesgesetzes über die Schaffung einer transeuropäischen Infrastruktur

Mangelnde Einbeziehung der Öffentlichkeit entgegen Aarhus-Konvention - Angriff auf Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz (UVP-G) steht bevor - Keine Verfassungsreform durch die Hintertür

Wien - Der Umweltdachverband übt massive Kritik am geplanten Bundesgesetz über die Schaffung einer transeuropäischen Energieinfrastruktur. Mit dem vom Wirtschaftsministerium (BMWFW) vorgelegten Gesetzesentwurf soll die Verordnung (EU) Nr. 347/2013 umgesetzt werden. "Das europaweite Ziel einer sicheren Energieversorgung muss im Einklang mit allen öffentlichen Interessen erreichbar gemacht werden. Es kann keinen Automatismus geben, der das öffentliche Interesse an Energieversorgung und -sicherheit automatisch höher bewertet als andere öffentliche Interessen - etwa die EU-Wasserrahmenrichtlinie oder die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Diese Klarstellung würden wir uns vom Wirtschaftsminister erwarten", erklärt Franz Maier, ehrenamtlicher Präsident des Umweltdachverbandes. "Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf wird der Bevölkerung suggeriert, nur durchs 'Drüberfahren' wären vermeintlich wichtige energiewirtschaftliche Projekte realisierbar."

Grundsatzentscheidungen zum Energiesystem ohne gesellschaftlichen Konsens getroffen

Dem geplanten Bundesgesetz unterliegen jene Vorhaben in Österreich, die von der EU-Kommission auf die Liste der Vorhaben "von gemeinsamem energiewirtschaftlichem Interesse in der Europäischen Union" gesetzt wurden. Die nationale Liste dieser Projects of Common Interest (PCI) wurde 2013 an die Kommission gemeldet. Diese Liste wird seitens des Umweltdachverbandes massiv kritisiert, da sie einerseits große Projekte, wie z. B. das Kraftwerk Kaunertal anführt, ohne dabei den Realisierungschancen Rechnung zu tragen, und andererseits ohne Einbeziehung der Öffentlichkeit erstellt wurde, was der Aarhus-Konvention widerspricht. "Diese Manier wird nun offenbar fortgesetzt: Es ist äußerst befremdlich, dass keine einzige Umweltorganisation - wie auch sonst keine dem zivilgesellschaftlichen Sektor zuzurechnende Organisation - eingeladen war, an der Begutachtung des Gesetzesentwurfs mitzuwirken", konstatiert Maier. "Abgesehen davon war die Begutachtungsfrist mit vier Wochen unsachlicherweise viel zu kurz. Darüber hinaus ist es inakzeptabel, die Grundsatzfrage, ob das Energiesystem in Zukunft weiterhin zentral gesteuert und dominiert wird oder durch stärkere Dezentralisierung unabhängiger werden soll, ohne gesellschaftlichen Konsens zu entscheiden", so Maier weiter.

Absicht zur Änderung des UVP-Gesetzes offenkundig - Verfassungsreform durch die Hintertür?

"In diesem Entwurf wird ferner die Absicht zur Änderung des UVP-Gesetzes offensichtlich. Denn ohne eine Änderung stünde das geplante Gesetz im Gegensatz zu geltendem Recht", sagt Maier. Das vielfach vorgebrachte Argument, die UVP-Verfahrensdauern in Österreich wären zu lange, kann durch einen raschen Blick in die öffentlich zugängliche UVP-Datenbank des Umweltbundesamtes entkräftet werden: Vom Beginn der öffentlichen Auflage (Vollständigkeit der Unterlagen) bis zum Genehmigungsbescheid beläuft sich die durchschnittliche Dauer für UVP-Verfahren auf 14,5 Monate, für vereinfachte Verfahren auf 9,6 Monate (Stand 2013). "Vielmehr ist klar, dass die Konsenswerber oft nicht in der Lage sind, die zur Beurteilung nötigen Unterlagen zeitnah beizubringen. Das kann allerdings nicht als Problem des UVP-Gesetzes oder der Behörden uminterpretiert werden", so Maier. Um das Kompetenzproblem zwischen Bund und Ländern zu lösen, wäre eine Verfassungsreform notwendig und sinnvoll. Der Umweltdachverband lehnt aber eine Verfassungsreform durch die Hintertür im Rahmen einer Anlassgesetzgebung im Wege des Infrastrukturgesetzes entschieden ab.

Mit Energieunion droht weitere Beschneidung der Öffentlichkeitsbeteiligung

In Summe ist der vorliegende Gesetzentwurf ein Schuss ins Knie: "Er ist nicht treffsicher und verursacht - etwa mit der Zementierung der zentralen Energieversorgerstrukturen oder dem Angriff auf das UVP-Gesetz - Kollateralschäden, die inakzeptabel sind. Dieser Vorschlag des BMWFW stellt somit einen Vorgeschmack auf die Zukunft der gesamteuropäischen Energiepolitik dar, sieht doch der aktuell vorliegende Entwurf der Kommission zur Energieunion weitere Beschneidungen der Öffentlichkeitsbeteiligung vor. So soll etwa die Entscheidung über die Aufnahme neuer Infrastrukturprojekte in die PCI-Liste 2015 neuerlich allein in die Hände der Europäischen Kommission fallen", so Maier.



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Weitere Infos: Umweltdachverband

Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /