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EU-Kommission hat Natura 2000-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet!

Österreich muss mehr als 200 potenzielle Natura 2000-Gebiete nachmelden - Für potenzielle Europaschutzgebiete besteht ab sofort Eingriffs- und Bauverbot - UWD-Jahrestagung am 21. Juni in Molln: Natura 2000 im Fokus

Wien - «Die Europäische Kommission teilte mit dem Schreiben vom 30. Mai 2013 mit, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen seines unvollständigen Natura 2000-Netzwerks eingeleitet wurde. Die für den Naturschutz zuständigen Bundesländer haben nun zwei Monate Zeit, auf das Aufforderungsschreiben zu reagieren», erklärt Gerhard Heilingbrunner, ehrenamtlicher Präsident des Umweltdachverbandes.

Mindeststandards des europäischen Naturschutzes nicht eingehalten
Das Mahnschreiben der EU-Kommission stellt dem österrreichischen Naturschutz ein vernichtendes Zeugnis aus. So heißt es darin wörtlich: «In der Vergangenheit hat die Kommission Österreich regelmäßig darauf hingewiesen, dass es ihrer Auffassung nach die Anforderungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Habitatrichtlinie zur Vorlage einer erschöpfenden Liste noch nicht erfüllt hat.» Die Kommission moniert weiter: «Insgesamt betrifft die durch die verfügbaren Informationen belegte Unvollständigkeit des Natura 2000-Netzes mindestens 12 Lebensraumtypen und 29 Arten in der alpinen biogeografischen Region Österreichs sowie 14 Lebensraumtypen und 43 Arten in der kontinentalen biogeografischen Region. Die Belege zeigen daher, dass Österreich nicht alle Gebiete, die die Bedingungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang III der Habitatrichtlinie erfüllen, mitgeteilt hat.»

Naturkleinode wie Isel, Schwarze Sulm, Sattnitz, Warscheneck und Piz Val Gronda schützen

Rückte der Umweltdachverband im Juni 2012 mit seiner Schattenliste noch lediglich 55 neue Gebiete in den Fokus, die bereits als die bestgeeigneten Natura 2000-Gebiete eingestuft wurden, forderte die Kommission im Rahmen des Pilotverfahrens im Dezember 2012 bereits die Meldung von 150 Gebieten; die nachfolgenden Recherchen der Kommission führten nun schlussendlich zu rund 200 Gebieten, die aufgrund der betroffenen Lebensraumtypen und Arten als Entscheidungsgrundlage für die weitere Schutzgebietsausweisung dienen sollte. «Je länger recherchiert wird, umso mehr treten offenbar die Defizite im Umgang mit europäischen Naturschutzstandards zu Tage. Es liegt nun an den Bundesländern, in den nächsten Wochen ernsthafte Gespräche mit den Dienststellen der Kommission und den NGOs zu führen. Jedenfalls ist zu erwarten, dass Österreich an die 200 potenzielle Natura 2000-Schutzgebiete zu melden haben wird, aus denen schlussendlich 50 bis 100 neue Natura 2000-Gebiete hervorgehen werden - darunter Naturkleinode wie die Isel und ihre Zubringerflüsse in Osttirol, die Schwarze Sulm (aufgrund des Steinkrebs-Vorkommens), die Sattnitz in Kärnten oder das Warscheneck in Oberösterreich. Für diese Gebiete gilt nun, dass jede Art der Zerstörung zu stoppen ist. Für Gebiete wie den Piz Val Gronda, an denen unlängst zu bauen begonnen wurde, ist ein verordneter Rückbau der entsprechenden Anlagenteile zu erwarten», so Heilingbrunner.

Sofortiges Eingriffs- und Bauverbot in mehr als 200 potenziellen Europaschutzgebieten

Solange nicht geklärt wird, ob diese und wenn ja, welche dieser potenziellen Natura 2000-Gebiete auch als bestgeeignete Europaschutzgebiete einzustufen sind, sind jegliche Eingriffe, wie etwa Naturschutz-, Wasserrechts- oder Baubescheide rechtswidrig und verstoßen gegen die geltende Judikatur des Europäischen Gerichtshofes. Der EuGH hat nämlich festgestellt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen, damit die ökologischen Merkmale dieser zu nominierenden Gebiete erhalten bleiben. Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine Eingriffe zulassen, die die ökologischen Merkmale der potenziellen Natura 2000-Gebiete ernsthaft beeinträchtigen könnten, und müssen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um solche Eingriffe zu verhindern.

Naturschutz muss österreichweit koordiniert werden


«Ursache für die unhaltbaren Zustände rund um Natura 2000 ist das oft kritisierte Faktum, dass es in Österreichs Naturschutzpolitik keine Koordination und bundesweite Vorgehensweise gibt. Wir appellieren an die Landeshauptleute und an die Bundesregierung, rasch zu handeln und eine bundesweite Naturschutzkoordination im Rahmen eines Bundesrahmennaturschutzgesetzes zu schaffen. Alle neun Naturschutzlandesräte werden gebeten, sich der Diskussion um Natura 2000 in aller Ernsthaftigkeit zu stellen und die entsprechenden bestgeeigneten Gebiete auszuweisen. Wer jetzt nicht rechtzeitig handelt, wirft außerdem Steuergeld beim Fenster hinaus», so Heilingbrunner.

Einladung zum Dialog: UWD-Jahrestagung «Zukunft Natura 2000 - Raus aus dem Schatten» am 21. Juni in Molln (Nationalpark Oö. Kalkalpen)
Topaktuell zum Thema veranstaltet der Umweltdachverband am 21. Juni im Nationalparkzentrum Kalkalpen in Molln seine Jahrestagung, bei der die Herausforderungen und Chancen im Zuge der österreichischen Natura 2000-Erweiterungspflichten mit wichtigen AkteurInnen des Naturschutzes in Österreich sowie der Europäischen Kommission öffentlich diskutiert werden.



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Weitere Infos: Umweltdachverband

Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /