TTIP-Debatte im Parlament: Demokratiegefährdung oder Wachstumschance?
Wie - Landen Chlorhühner und Hormonfleisch wirklich auf den Tellern der ÖsterreicherInnen, wenn es zum Abschluss von TTIP kommt oder handelt es sich dabei nur um reine Panikmache? Ein wenig Klarheit in diese Frage und viele andere, die mit den geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP) sowie auch mit jenem mit Kanada (CETA) in Zusammenhang stehen, wollte man gestern im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen bringen. Im Rahmen eines Hearings hatten nicht nur die Erstunterzeichner von zwei Bürgerinitiativen, von den einzelnen Fraktionen nominierte ExpertInnen und MinisteriumsvertreterInnen die Gelegenheit, ihre Standpunkte vorzubringen, sondern auch ein Mitglied des Kabinetts der für diese Bereiche zuständigen Kommissarin Cecilia Malmström informierte über den aktuellen Stand der Verhandlungen in Bezug TTIP und CETA.
TTIP und CETA sind ein Angriff auf Demokratie, VerbraucherInnrechte, Umweltschutz und Sozialstaat
Alexandra Strickner, die Obfrau von Attac Österreich, unterzog TTIP einer sehr kritischen Bewertung, wobei sie vor allem auf drei Punkte einging. Erstens werde dieses größte Freihandelsabkommen der Geschichte keine nennenswerten gesamtwirtschaftlichen Effekte haben; Studien gehen von lediglich 0,05 % zusätzlichem Wachstum pro Jahr aus. Zweitens könne auch das Argument, TTIP sei vor allem für die kleinen und mittleren Betriebe wichtig, leicht dadurch entkräftet werden, dass nur 1 % der KMU in Österreich, aber auch in Europa, exportieren. Welche Risiken die übrigen 99 % der Betriebe dafür ausgesetzt sind, hat noch niemand analysiert, gibt sie zu bedenken. Drittens handle es sich um ein Deregulierungs- und Entdemokratisierungsabkommen, da Unternehmen und Konzernen die Möglichkeit eingeräumt werden soll, gegen Staaten zu klagen. Strickner lehnte diese privaten Schiedsgerichte vehement ab und hielt auch den diesbezüglichen Reformvorschlag der Kommission für nicht ausreichend. Sie forderte schließlich eine breite öffentliche Diskussion über all diese Fragen, die Abhaltung einer parlamentarischen Enquete, eine Offenlegung der Verhandlungsdokumente sowie eine ernsthafte Auseinandersetzung über das CETA-Abkommen, das als Blaupause für TTIP gewertet werden könne.
Auch der Erstunterzeichner der Bürgerinitiative betreffend das CETA-Abkommen, Werner Nosko, beklagte massiv, dass die Verhandlungen über so wichtige Verträge, die in alle Lebensbereiche eingreifen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Wie schon erwähnt gehöre die Vereinbarung über die Aufnahme eines Investor-gegen-Staat-Klagerechts (ISDS), das Konzernen wie Monsanto, die bereits jetzt einen großen Einfluss haben, noch mehr Möglichkeiten einräumt, zu den umstrittensten Inhalten. Dann werde Europa und vor allem Österreich seine hohen Standards und Vorschriften bezüglich der Lebensmittel und dem Einsatz der Gentechnik nicht mehr aufrecht erhalten können, befürchtete er. Ebenso werde sich die Situation im Umweltbereich verschlechtern, wenn gefährliche Pestizide zugelassen werden, argumentierte Nosko. In den USA seien zum Bespiel schon ganze Landstriche für den Anbau von Nahrungspflanzen verloren gegangen, weil der massive Einsatz von Glyphosat dazu geführt habe, dass dort nur mehr Unkraut wächst. Wenn Sie TTIP verhindern wollen, müssen Sie vorher CETA stoppen, lautete sein abschließender Appell.
EU-Kommission: Chlorhühner und Hormonfleisch sind weiterhin in der EU verboten
Christian Burgsmüller, der dem Kabinett von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström angehört, berichtete über den aktuellen Stand der Verhandlungen. Grundsätzlich stellte er seinen Ausführungen die Einschätzung voraus, dass sowohl TTIP als auch CETA das Wachstum in Europa ankurbeln und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen werden. Gerade für ein exportorientiertes Land wie Österreich sei dies sicher von großer Bedeutung. Um aber in den USA reüssieren zu können, brauche es einen leichteren Marktzugang, einfachere Genehmigungs- und Testverfahren, den Wegfall von Zöllen und einen besseren Zugang zu Dienstleistungen; all dies soll in dem Abkommen festgeschrieben werden. Die Kommission sei sich aber nicht nur der Chancen, sondern auch der Risiken voll bewusst, betonte Burgsmüller, und werde in sehr harten Verhandlungen die Interessen der EuropäerInnen vertreten. Es sei richtig, dass die Informationspolitik der letzten Kommission nicht optimal war, räumte er ein, die neue Strategie sehe aber anders aus. Handelskommissarin Malmström habe bereits einige Reformvorschläge vorgelegt, die insbesondere die ISDS-Regelung betreffen (z.B. Bestellung der Schiedsrichter durch die Staaten und Einführung einer Berufungsinstanz). Sie könne sich übrigens auch nicht vorstellen, dass es sich bei TTIP um keine gemischte Materie handelt.
Da rund um TTIP sehr viele Mythen und Geschichten kursieren, die wenig mit der Realität zu tun haben, wies der EU-Vertreter ausdrücklich darauf hin, dass Chlorhühner und hormonbehandeltes Fleisch auch weiterhin in der Union verboten sein werden. Die Entscheidung über landwirtschaftliche Kontingente werde aber erst in der letzten Phase der Verhandlungen fallen, informierte Burgsmüller. Unrichtig sei auch, dass es zu einer Aufweichung der Standards kommen wird. Nur dort, wo gemeinsame Standards sinnvoll erscheinen - er nannte das Beispiel der Crash-Tests für Autos - können Anpassungen vorgenommen werden. Was den zeitlichen Horizont betrifft, so halte man einen Abschluss des TTIP-Vertrags noch unter der Obama-Regierung für möglich. Seit gestern gebe es ja auch eine neue Dynamik in den USA, berichtete Burgsmüller, da der Präsident nun mit einem klaren Verhandlungsmandat ausgestattet wurde.
Die Argumente der Fraktionsexperten: Von Bauernsterben bis Exportchancen für KMU
Der Europa-Abgeordnete der SPÖ, Josef Weidenholzer, schloss sich der optimistischen Einschätzung seines Vorredners nicht an und vertrat die Ansicht, dass TTIP u.a. aufgrund des US-Wahlkampfes im nächsten Jahr wohl nicht so bald abgeschlossen wird. Auf jeden Fall sei es wichtig, dass es sich bei dem Vertrag um eine so genannte gemischte Materie handle, wodurch die Zustimmung der nationalen Parlamente gewährleistet sei. Die Geheimniskrämerei der Kommission in Bezug auf die Verhandlungspapiere war sicher falsch, weil dadurch genau das Gegenteil erreicht wurde. Weidenholzer führte noch demokratiepolitische Bedenken ins Treffen und hielt es für wichtig, dass insbesondere die kleinen und mittleren Betriebe profitieren müssen. Er plädierte überdies dafür, die Gespräche in Richtung des Abschlusses eines multilateralen Vertrags zu führen.
Maximilian Hennig, im Büro des Landwirtschaftsministers für die Bereiche EU und Internationales zuständig, war überzeugt davon, dass die Ängste und Sorgen der Bevölkerung sehr ernst genommen werden müssen und dass es sicher kein Abkommen um jeden Preis geben könne. Sehr genau achten werde man darauf, dass die Zulassungsvorschriften und Standards im Lebensmittelbereich erhalten bleiben und sensible Bereiche im Agrarsektor besonders geschützt werden. Dennoch denke er, dass sich durch das Abkommen gute Exportchancen für die qualitativ hochstehenden heimischen Waren (z.B. Milchprodukte und Käse) sowie für Umwelttechnologieunternehmen ergeben.
Der Wiener Landtagsabgeordnete Alfred Wansch sah das Grundproblem darin, dass niemand genau wisse, wie der Text des TTIP-Abkommens ausschaue. Keinesfalls wolle er, dass private Schiedsgerichte eingeführt werden, weil dies einer grundlegenden Änderung des europäischen Rechts- und Wirtschaftssystems gleichkommen würde. Eine Privatisierung der Gerichtsbarkeit müsse mit aller Kraft verhindert werden. Wansch trat daher für einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen ein.
Irmi Salzer von der Österreichischen Bergbauernvereinigung zeigte sich empört darüber, dass es keine Folgekostenabschätzung für die heimischen Landwirte gibt, obwohl sie von den Verträgen massiv betroffen wären. Alleine schon die unterschiedlichen Betriebsstrukturen in den USA und in Europa zeigen, dass ein Wettbewerb auf Augenhöhe gar nicht möglich sei. Da vor allem die Agrar- und Lebensmittelindustrie massiv für TTIP mobilisiere, befürchtete Salzer, dass etwaige Handelshemmnisse auch im Binnenmarkt abgebaut werden sollen. Sie war sich sicher, dass nationale Verbote unter großen Druck geraten und schließlich fallen gelassen werden. Die sogenannte Harmonisierung von Standards halte sie nur für einen Freihandelsjargon, weil damit eigentlich eine Absenkung von Standards gemeint sei.
Auch Heidemarie Porstner (TTIP-Sprecherin für Global 2000) zeigte sich sehr besorgt darüber, dass im Zuge des geplanten Abbaus der nicht-tarifären Handelshemmnisse die bisher üblichen strengen und aufwendigen Zulassungsverfahren z.B. für Chemikalien, Pestizide, Gentechnik-Produkte beschleunigt und erleichtert werden. Im Zuge der regulatorischen Kooperation sollen auch Gesetze, Verordnungen, Richtlinien etc. dahingehend geprüft werden, ob sie Handelsbarrieren darstellen. Niemand wisse jedoch, welche Schritte dann gesetzt werden, gab sie zu bedenken. Die VertreterInnen der Industrie setzen sich schon jetzt massiv dafür ein, dass der Weg für gentechnisch veränderte Organismen frei gemacht werde und dass die Kennzeichnungspflicht fallen gelassen wird. Man dürfe daher nicht darauf warten, bis der endgültige Text vorliegt; schon im Laufe des Verhandlungsprozesses müssen kritische Fragen gestellt werden, drängte sie.
Europa-Abgeordnete Angelika Mlinar (NEOS) hob die potentiellen Chancen hervor, die sich durch das TTIP-Abkommen für die europäische Wirtschaft und die Landwirtschaft ergeben können. Im Gegensatz zu anderen Referenten vertrat sie die Meinung, dass gerade die kleinen und mittleren Unternehmen von einem leichteren Marktzugang in die USA profitieren können. Was den Investorenschutz betrifft, so unterstütze sie die Reformvorschläge von Kommissarin Malmström. Neben einer transparenten Bestellung der Richter, einem Interventionsrecht für Dritte, dem Verbot von Parallelklagen, einem bilateralen Berufungsmechanismus sollte auch das Zusammenwirken mit den nationalen Gerichten verbessert werden. Besonders wichtig wäre es, wenn man es schaffen würde, ein ständiges Investitionsgericht einzurichten, unterstrich Mlinar.
Sozialministerium plädiert für Alternativlösungen zum Investitionsschutz
Franz Svehla (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) unterstrich die Bedeutung des öffentlichen Diskurses über TTIP und CETA und machte auf die Veränderungen aufmerksam, die zivile Initiativen in der Kommunikationspolitik, aber auch in der inhaltlichen Positionierung der EU-Kommission, bewirkt haben. Arbeits-, sozial-, umwelt- und konsumentenschutzrechtliche Normen seien in den Abkommen zu verankern. Das Recht der EU-Staaten, diese Bereiche politisch zu regeln, soll gewahrt werden. So konnte Lohn- und Sozialdumping bei CETA ausgeschlossen werden, sagte Svehla. CETA werde sich auf den Arbeitsmarkt in Österreich nur wenig auswirken. Die Auswirkungen von TTIP werden auf 23.500 Jobs in zehn Jahren beziffert. Wichtig sei die Verpflichtung zur Ratifikation der Abkommen. Hinsichtlich des von den USA geforderten Investitionsschutzes zeigte sich der Experte ablehnend, verwies auf die diesbezügliche Entschließung des Nationalrats vom September 2014 und zeigte sich erstaunt darüber, wie wenig in dieser Frage über Alternativen, etwa eine Versicherungslösung, diskutiert werde. In der Debatte wies Svehla auf die Chance hin, Probleme mit der Ratifikation internationaler Schutzstandards für ArbeitnehmerInnen in den USA im Zuge der TTIP-Verhandlungen zu lösen.
Wirtschaftsressort bietet Unterstützung und Zugang zu allen Dokumenten an
Gabriela Habermayr (Wirtschaftsministerium) informierte über die vorbereitenden Arbeiten des EU-Rates vor dem Start der TTIP-Verhandlungen sowie über die interministerielle Koordinierung im Wirtschaftsressort für alle anderen Ministerien und die Sozialpartner. Der diesbezügliche Arbeitskreis und das Parlament haben Zugang zu allen, auch zu vertraulichen Dokumenten, sagte Habermayr. Das Wirtschaftsressort habe zahlreiche Stellungnahmen abgegeben und parlamentarische Fragen beantwortet sowie auf seiner Homepage über das Thema informiert. Inhaltlich unterstrich Habermayr die Bedeutung des Handelspartners USA für Österreich und beschrieb die österreichische Verhandlungsposition unter anderem mit dem Ziel, das Recht auf Regulierung abzusichern, Verbesserungen bei Dienstleistungen zu erreichen und für sensible landwirtschaftliche Produkte eine Kontingentlösung zu erreichen. Wichtig seien der Grundsatz der Nachhaltigkeit, Vorteile für KMU und der Charakter beider Abkommen als gemischte Abkommen, die vom österreichischen Parlament ratifiziert werden müssen.
Die Positionen der Parlamentsfraktionen
Die Stellungnahmen der FraktionssprecherInnen ließen generell Konsens darüber erkennen, die Sorgen der Menschen wegen TTIP und CETA ernst zu nehmen und den öffentlichen Informationsstand über dieses Thema zu verbessern. Einleitend fragte Petra Bayr (S), ob der Charakter von TTIP als gemischtes Abkommen tatsächlich ein sicherer Anker für die Erhaltung wichtiger europäischer Standards sei. Irritiert zeigte sie sich wegen des starken Eintretens der EU-Kommission für den internationalen Investitionsschutz. Bayr forderte eine Folgenabschätzung über die Auswirkungen der Abkommen auf Entwicklungsländer.
Johann Hechtl (S) machte darauf aufmerksam, dass es Probleme bei der Durchsetzung internationaler Arbeitsnormen in den USA gebe. Europäische Standards und sozialpartnerschaftliche Normen seien zu bewahren. Angesichts der hervorragenden Gerichtsbarkeit in Österreich sah Hechtl keinen Bedarf daran, Konzernen die Möglichkeit zu geben, private Gerichte einzurichten. Fraktionskollege Hermann Lipitsch (S) betonte die Notwendigkeit, die Diskussion offen zu führen und die Verhandlungen transparent zu gestalten.
Hermann Gahr (V) sah die Bereiche Lebensmittel, Gesundheit und Landwirtschaft als sensible Bereiche der Verhandlungen und riet dazu, die Sorgen um eine naturnahe Produktion, den Regionalismus, die Umweltstandards und die österreichische Agrarstruktur ernst zu nehmen. Es gelte Vor- und Nachteile des Abkommens abzuwägen und darauf zu verzichten, Wirtschaft und Landwirtschaft gegeneinander auszuspielen. Die Regionalität erfordere den Schutz europäischer Ursprungszeichen, betonte Gahr. Martina Diesner-Wais (V) schloss sich mit der Forderung an, mögliche Exportchancen für die österreichische Wirtschaft zu nutzen, im Interesse der Landwirtschaft aber zugleich Importkontingente und Schutzklauseln auszuverhandeln.
Christian Lausch (F) plädierte vehement dafür, die Verhandlungen über CETA und TTIP zu stoppen. Bei diesen Verhandlungen handle es sich um Verhandlungen zwischen Konzernen, nicht zwischen Menschen. Der Ausschluss einer EU-Bürgerinitiative spreche dazu Bände, meinte Lausch. TTIP habe verfassungsändernden Charakter, daher setzten Verhandlungen darüber eine Volksabstimmung voraus. Lausch kritisierte die EU-Hörigkeit der Bundesregierung, wies auf die Aufregung der Bäuerinnen hin, die zu Recht Angst vor der Zerstörung der Qualitätsproduktion von Lebensmitteln in der EU hätten. Schiedsgerichte seien im Sport angemessen, aber nicht bei Entscheidungen über hochsensible politische Fragen, sagte Lausch, dessen Fraktionskollegin Susanne Winter den Regierungsparteien riet, den großen Widerstand ernst zu nehmen, der in der Bevölkerung gegen TTIP und CETA herrsche.
Diesen Ausführungen konnte Wolfgang Pirklhuber (G) einiges abgewinnen. Er hielt es für notwendig, nicht nur über die Interessenlage der US-Konzerne, sondern auch der europäischen Konzerne im Zusammenhang mit TTIP zu informieren. Pirklhuber machte auf Agrarexportinteressen der USA nach Europa und auf deren Interesse an der Veränderung europäischer Standards aufmerksam. 23.500 Arbeitsplätze in zehn Jahren seien nicht viel, wenn man bedenke, wie viele Jobs in der Land- und Forstwirtschaft auf dem Spiel stehen, schloss Pirklhuber. Christiane Brunner (G) wünschte sich bei der Vorbereitung des globalen Klimaschutzabkommens ein ähnlich vehementes Engagement der EU wie im Falle von TTIP. Im Vordergrund stünden die Vorteile für Unternehmen, stellte Brunner fest und drängte auf eine TTIP-Folgenabschätzung für Landwirtschaft, Umwelt, Tierschutz und Demokratie.
Die Bezeichnung "Freihandelsabkommen" hielt Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (T) für irreführend und wies auf den gut funktionierenden Handel zwischen Europa und den USA hin. Probleme ortete die Abgeordnete im Unterschied zwischen dem US-Markt und dem EU-Binnenmarkt. Der Binnenmarkt sei völlig frei, in den USA könnten US-Staaten hingegen über die Zulassung von Produkten entscheiden. Was Vorteile für die USA bringe, könne zu einem Hemmnis für die EU-werden. Dass US-Präsident Obama über TTIP ohne parlamentarische Mitsprache verhandeln könne, wertete Weigerstorfer als Signal in Richtung Europa, dass die USA kein gemischtes Abkommen wünschten. TTIP biete Chancen, enthalte aber auch Risken, sagte die Abgeordnete und warnte davor, einen Vertrag zu unterschreiben, den man nicht kenne, der aber ständig erweitert werden soll.
"Österreich erwirtschaftet seinen Wohlstand zu 60% durch Exporte" führte Jessi Lintl (T) ins Treffen. Die Unternehmerin schilderte die bislang hohen Kosten und bürokratischen Hemmnisse, die kleine- und mittlere Unternehmen tragen müssen, wenn sie in die USA exportieren wollen. Lintl bekannte sich auch zum Schutz von Investitionen.
Michael Pock (N) riet dazu, die Debatte über TTIP nicht als eine Glaubensfrage zu führen, sondern auf der Grundlage von Evidenz. Es gehe um Arbeitsplätze, eine höheren Wohlstand, um Veränderungen in der Landwirtschaft und um die Sicherstellung eines gemischten Abkommens. Pock sah keine Alternative zur Zusammenarbeit der westlichen Demokratien in deren Bemühen, mehr Wohlstand zu erlangen und diesen in die ganze Welt zu exportieren. Eine zentrale Frage Pocks ist die Abschätzung der TTIP-Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Sicherung der österreichischen Landwirtschaft. Die Informationsaufgabe komme laut Pock den nationalen Regierungen zu. Auch sollte die Kommission nicht nur mit den Regierungen, sondern mit den nationalen Parlamenten kommunizieren.
Grundlage für das Hearing waren die Petition der Gemeinde Lanzenkirchen zu TTIP (29/PET) sowie die Bürgerinitiativen "TTIP -Verhandlungen bezüglich des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA" (42/PET) sowie "Nein zum Comprehensive Economic and Trade Agreement Abkommen (CETA)" (54/PET), die alle zur Kenntnis genommen wurden. Dazu wird es einen Sammelbericht an den Nationalrat geben.
Quelle: Parlamentskorrespondenz
TTIP und CETA sind ein Angriff auf Demokratie, VerbraucherInnrechte, Umweltschutz und Sozialstaat
Alexandra Strickner, die Obfrau von Attac Österreich, unterzog TTIP einer sehr kritischen Bewertung, wobei sie vor allem auf drei Punkte einging. Erstens werde dieses größte Freihandelsabkommen der Geschichte keine nennenswerten gesamtwirtschaftlichen Effekte haben; Studien gehen von lediglich 0,05 % zusätzlichem Wachstum pro Jahr aus. Zweitens könne auch das Argument, TTIP sei vor allem für die kleinen und mittleren Betriebe wichtig, leicht dadurch entkräftet werden, dass nur 1 % der KMU in Österreich, aber auch in Europa, exportieren. Welche Risiken die übrigen 99 % der Betriebe dafür ausgesetzt sind, hat noch niemand analysiert, gibt sie zu bedenken. Drittens handle es sich um ein Deregulierungs- und Entdemokratisierungsabkommen, da Unternehmen und Konzernen die Möglichkeit eingeräumt werden soll, gegen Staaten zu klagen. Strickner lehnte diese privaten Schiedsgerichte vehement ab und hielt auch den diesbezüglichen Reformvorschlag der Kommission für nicht ausreichend. Sie forderte schließlich eine breite öffentliche Diskussion über all diese Fragen, die Abhaltung einer parlamentarischen Enquete, eine Offenlegung der Verhandlungsdokumente sowie eine ernsthafte Auseinandersetzung über das CETA-Abkommen, das als Blaupause für TTIP gewertet werden könne.
Auch der Erstunterzeichner der Bürgerinitiative betreffend das CETA-Abkommen, Werner Nosko, beklagte massiv, dass die Verhandlungen über so wichtige Verträge, die in alle Lebensbereiche eingreifen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Wie schon erwähnt gehöre die Vereinbarung über die Aufnahme eines Investor-gegen-Staat-Klagerechts (ISDS), das Konzernen wie Monsanto, die bereits jetzt einen großen Einfluss haben, noch mehr Möglichkeiten einräumt, zu den umstrittensten Inhalten. Dann werde Europa und vor allem Österreich seine hohen Standards und Vorschriften bezüglich der Lebensmittel und dem Einsatz der Gentechnik nicht mehr aufrecht erhalten können, befürchtete er. Ebenso werde sich die Situation im Umweltbereich verschlechtern, wenn gefährliche Pestizide zugelassen werden, argumentierte Nosko. In den USA seien zum Bespiel schon ganze Landstriche für den Anbau von Nahrungspflanzen verloren gegangen, weil der massive Einsatz von Glyphosat dazu geführt habe, dass dort nur mehr Unkraut wächst. Wenn Sie TTIP verhindern wollen, müssen Sie vorher CETA stoppen, lautete sein abschließender Appell.
EU-Kommission: Chlorhühner und Hormonfleisch sind weiterhin in der EU verboten
Christian Burgsmüller, der dem Kabinett von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström angehört, berichtete über den aktuellen Stand der Verhandlungen. Grundsätzlich stellte er seinen Ausführungen die Einschätzung voraus, dass sowohl TTIP als auch CETA das Wachstum in Europa ankurbeln und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen werden. Gerade für ein exportorientiertes Land wie Österreich sei dies sicher von großer Bedeutung. Um aber in den USA reüssieren zu können, brauche es einen leichteren Marktzugang, einfachere Genehmigungs- und Testverfahren, den Wegfall von Zöllen und einen besseren Zugang zu Dienstleistungen; all dies soll in dem Abkommen festgeschrieben werden. Die Kommission sei sich aber nicht nur der Chancen, sondern auch der Risiken voll bewusst, betonte Burgsmüller, und werde in sehr harten Verhandlungen die Interessen der EuropäerInnen vertreten. Es sei richtig, dass die Informationspolitik der letzten Kommission nicht optimal war, räumte er ein, die neue Strategie sehe aber anders aus. Handelskommissarin Malmström habe bereits einige Reformvorschläge vorgelegt, die insbesondere die ISDS-Regelung betreffen (z.B. Bestellung der Schiedsrichter durch die Staaten und Einführung einer Berufungsinstanz). Sie könne sich übrigens auch nicht vorstellen, dass es sich bei TTIP um keine gemischte Materie handelt.
Da rund um TTIP sehr viele Mythen und Geschichten kursieren, die wenig mit der Realität zu tun haben, wies der EU-Vertreter ausdrücklich darauf hin, dass Chlorhühner und hormonbehandeltes Fleisch auch weiterhin in der Union verboten sein werden. Die Entscheidung über landwirtschaftliche Kontingente werde aber erst in der letzten Phase der Verhandlungen fallen, informierte Burgsmüller. Unrichtig sei auch, dass es zu einer Aufweichung der Standards kommen wird. Nur dort, wo gemeinsame Standards sinnvoll erscheinen - er nannte das Beispiel der Crash-Tests für Autos - können Anpassungen vorgenommen werden. Was den zeitlichen Horizont betrifft, so halte man einen Abschluss des TTIP-Vertrags noch unter der Obama-Regierung für möglich. Seit gestern gebe es ja auch eine neue Dynamik in den USA, berichtete Burgsmüller, da der Präsident nun mit einem klaren Verhandlungsmandat ausgestattet wurde.
Die Argumente der Fraktionsexperten: Von Bauernsterben bis Exportchancen für KMU
Der Europa-Abgeordnete der SPÖ, Josef Weidenholzer, schloss sich der optimistischen Einschätzung seines Vorredners nicht an und vertrat die Ansicht, dass TTIP u.a. aufgrund des US-Wahlkampfes im nächsten Jahr wohl nicht so bald abgeschlossen wird. Auf jeden Fall sei es wichtig, dass es sich bei dem Vertrag um eine so genannte gemischte Materie handle, wodurch die Zustimmung der nationalen Parlamente gewährleistet sei. Die Geheimniskrämerei der Kommission in Bezug auf die Verhandlungspapiere war sicher falsch, weil dadurch genau das Gegenteil erreicht wurde. Weidenholzer führte noch demokratiepolitische Bedenken ins Treffen und hielt es für wichtig, dass insbesondere die kleinen und mittleren Betriebe profitieren müssen. Er plädierte überdies dafür, die Gespräche in Richtung des Abschlusses eines multilateralen Vertrags zu führen.
Maximilian Hennig, im Büro des Landwirtschaftsministers für die Bereiche EU und Internationales zuständig, war überzeugt davon, dass die Ängste und Sorgen der Bevölkerung sehr ernst genommen werden müssen und dass es sicher kein Abkommen um jeden Preis geben könne. Sehr genau achten werde man darauf, dass die Zulassungsvorschriften und Standards im Lebensmittelbereich erhalten bleiben und sensible Bereiche im Agrarsektor besonders geschützt werden. Dennoch denke er, dass sich durch das Abkommen gute Exportchancen für die qualitativ hochstehenden heimischen Waren (z.B. Milchprodukte und Käse) sowie für Umwelttechnologieunternehmen ergeben.
Der Wiener Landtagsabgeordnete Alfred Wansch sah das Grundproblem darin, dass niemand genau wisse, wie der Text des TTIP-Abkommens ausschaue. Keinesfalls wolle er, dass private Schiedsgerichte eingeführt werden, weil dies einer grundlegenden Änderung des europäischen Rechts- und Wirtschaftssystems gleichkommen würde. Eine Privatisierung der Gerichtsbarkeit müsse mit aller Kraft verhindert werden. Wansch trat daher für einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen ein.
Irmi Salzer von der Österreichischen Bergbauernvereinigung zeigte sich empört darüber, dass es keine Folgekostenabschätzung für die heimischen Landwirte gibt, obwohl sie von den Verträgen massiv betroffen wären. Alleine schon die unterschiedlichen Betriebsstrukturen in den USA und in Europa zeigen, dass ein Wettbewerb auf Augenhöhe gar nicht möglich sei. Da vor allem die Agrar- und Lebensmittelindustrie massiv für TTIP mobilisiere, befürchtete Salzer, dass etwaige Handelshemmnisse auch im Binnenmarkt abgebaut werden sollen. Sie war sich sicher, dass nationale Verbote unter großen Druck geraten und schließlich fallen gelassen werden. Die sogenannte Harmonisierung von Standards halte sie nur für einen Freihandelsjargon, weil damit eigentlich eine Absenkung von Standards gemeint sei.
Auch Heidemarie Porstner (TTIP-Sprecherin für Global 2000) zeigte sich sehr besorgt darüber, dass im Zuge des geplanten Abbaus der nicht-tarifären Handelshemmnisse die bisher üblichen strengen und aufwendigen Zulassungsverfahren z.B. für Chemikalien, Pestizide, Gentechnik-Produkte beschleunigt und erleichtert werden. Im Zuge der regulatorischen Kooperation sollen auch Gesetze, Verordnungen, Richtlinien etc. dahingehend geprüft werden, ob sie Handelsbarrieren darstellen. Niemand wisse jedoch, welche Schritte dann gesetzt werden, gab sie zu bedenken. Die VertreterInnen der Industrie setzen sich schon jetzt massiv dafür ein, dass der Weg für gentechnisch veränderte Organismen frei gemacht werde und dass die Kennzeichnungspflicht fallen gelassen wird. Man dürfe daher nicht darauf warten, bis der endgültige Text vorliegt; schon im Laufe des Verhandlungsprozesses müssen kritische Fragen gestellt werden, drängte sie.
Europa-Abgeordnete Angelika Mlinar (NEOS) hob die potentiellen Chancen hervor, die sich durch das TTIP-Abkommen für die europäische Wirtschaft und die Landwirtschaft ergeben können. Im Gegensatz zu anderen Referenten vertrat sie die Meinung, dass gerade die kleinen und mittleren Unternehmen von einem leichteren Marktzugang in die USA profitieren können. Was den Investorenschutz betrifft, so unterstütze sie die Reformvorschläge von Kommissarin Malmström. Neben einer transparenten Bestellung der Richter, einem Interventionsrecht für Dritte, dem Verbot von Parallelklagen, einem bilateralen Berufungsmechanismus sollte auch das Zusammenwirken mit den nationalen Gerichten verbessert werden. Besonders wichtig wäre es, wenn man es schaffen würde, ein ständiges Investitionsgericht einzurichten, unterstrich Mlinar.
Sozialministerium plädiert für Alternativlösungen zum Investitionsschutz
Franz Svehla (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) unterstrich die Bedeutung des öffentlichen Diskurses über TTIP und CETA und machte auf die Veränderungen aufmerksam, die zivile Initiativen in der Kommunikationspolitik, aber auch in der inhaltlichen Positionierung der EU-Kommission, bewirkt haben. Arbeits-, sozial-, umwelt- und konsumentenschutzrechtliche Normen seien in den Abkommen zu verankern. Das Recht der EU-Staaten, diese Bereiche politisch zu regeln, soll gewahrt werden. So konnte Lohn- und Sozialdumping bei CETA ausgeschlossen werden, sagte Svehla. CETA werde sich auf den Arbeitsmarkt in Österreich nur wenig auswirken. Die Auswirkungen von TTIP werden auf 23.500 Jobs in zehn Jahren beziffert. Wichtig sei die Verpflichtung zur Ratifikation der Abkommen. Hinsichtlich des von den USA geforderten Investitionsschutzes zeigte sich der Experte ablehnend, verwies auf die diesbezügliche Entschließung des Nationalrats vom September 2014 und zeigte sich erstaunt darüber, wie wenig in dieser Frage über Alternativen, etwa eine Versicherungslösung, diskutiert werde. In der Debatte wies Svehla auf die Chance hin, Probleme mit der Ratifikation internationaler Schutzstandards für ArbeitnehmerInnen in den USA im Zuge der TTIP-Verhandlungen zu lösen.
Wirtschaftsressort bietet Unterstützung und Zugang zu allen Dokumenten an
Gabriela Habermayr (Wirtschaftsministerium) informierte über die vorbereitenden Arbeiten des EU-Rates vor dem Start der TTIP-Verhandlungen sowie über die interministerielle Koordinierung im Wirtschaftsressort für alle anderen Ministerien und die Sozialpartner. Der diesbezügliche Arbeitskreis und das Parlament haben Zugang zu allen, auch zu vertraulichen Dokumenten, sagte Habermayr. Das Wirtschaftsressort habe zahlreiche Stellungnahmen abgegeben und parlamentarische Fragen beantwortet sowie auf seiner Homepage über das Thema informiert. Inhaltlich unterstrich Habermayr die Bedeutung des Handelspartners USA für Österreich und beschrieb die österreichische Verhandlungsposition unter anderem mit dem Ziel, das Recht auf Regulierung abzusichern, Verbesserungen bei Dienstleistungen zu erreichen und für sensible landwirtschaftliche Produkte eine Kontingentlösung zu erreichen. Wichtig seien der Grundsatz der Nachhaltigkeit, Vorteile für KMU und der Charakter beider Abkommen als gemischte Abkommen, die vom österreichischen Parlament ratifiziert werden müssen.
Die Positionen der Parlamentsfraktionen
Die Stellungnahmen der FraktionssprecherInnen ließen generell Konsens darüber erkennen, die Sorgen der Menschen wegen TTIP und CETA ernst zu nehmen und den öffentlichen Informationsstand über dieses Thema zu verbessern. Einleitend fragte Petra Bayr (S), ob der Charakter von TTIP als gemischtes Abkommen tatsächlich ein sicherer Anker für die Erhaltung wichtiger europäischer Standards sei. Irritiert zeigte sie sich wegen des starken Eintretens der EU-Kommission für den internationalen Investitionsschutz. Bayr forderte eine Folgenabschätzung über die Auswirkungen der Abkommen auf Entwicklungsländer.
Johann Hechtl (S) machte darauf aufmerksam, dass es Probleme bei der Durchsetzung internationaler Arbeitsnormen in den USA gebe. Europäische Standards und sozialpartnerschaftliche Normen seien zu bewahren. Angesichts der hervorragenden Gerichtsbarkeit in Österreich sah Hechtl keinen Bedarf daran, Konzernen die Möglichkeit zu geben, private Gerichte einzurichten. Fraktionskollege Hermann Lipitsch (S) betonte die Notwendigkeit, die Diskussion offen zu führen und die Verhandlungen transparent zu gestalten.
Hermann Gahr (V) sah die Bereiche Lebensmittel, Gesundheit und Landwirtschaft als sensible Bereiche der Verhandlungen und riet dazu, die Sorgen um eine naturnahe Produktion, den Regionalismus, die Umweltstandards und die österreichische Agrarstruktur ernst zu nehmen. Es gelte Vor- und Nachteile des Abkommens abzuwägen und darauf zu verzichten, Wirtschaft und Landwirtschaft gegeneinander auszuspielen. Die Regionalität erfordere den Schutz europäischer Ursprungszeichen, betonte Gahr. Martina Diesner-Wais (V) schloss sich mit der Forderung an, mögliche Exportchancen für die österreichische Wirtschaft zu nutzen, im Interesse der Landwirtschaft aber zugleich Importkontingente und Schutzklauseln auszuverhandeln.
Christian Lausch (F) plädierte vehement dafür, die Verhandlungen über CETA und TTIP zu stoppen. Bei diesen Verhandlungen handle es sich um Verhandlungen zwischen Konzernen, nicht zwischen Menschen. Der Ausschluss einer EU-Bürgerinitiative spreche dazu Bände, meinte Lausch. TTIP habe verfassungsändernden Charakter, daher setzten Verhandlungen darüber eine Volksabstimmung voraus. Lausch kritisierte die EU-Hörigkeit der Bundesregierung, wies auf die Aufregung der Bäuerinnen hin, die zu Recht Angst vor der Zerstörung der Qualitätsproduktion von Lebensmitteln in der EU hätten. Schiedsgerichte seien im Sport angemessen, aber nicht bei Entscheidungen über hochsensible politische Fragen, sagte Lausch, dessen Fraktionskollegin Susanne Winter den Regierungsparteien riet, den großen Widerstand ernst zu nehmen, der in der Bevölkerung gegen TTIP und CETA herrsche.
Diesen Ausführungen konnte Wolfgang Pirklhuber (G) einiges abgewinnen. Er hielt es für notwendig, nicht nur über die Interessenlage der US-Konzerne, sondern auch der europäischen Konzerne im Zusammenhang mit TTIP zu informieren. Pirklhuber machte auf Agrarexportinteressen der USA nach Europa und auf deren Interesse an der Veränderung europäischer Standards aufmerksam. 23.500 Arbeitsplätze in zehn Jahren seien nicht viel, wenn man bedenke, wie viele Jobs in der Land- und Forstwirtschaft auf dem Spiel stehen, schloss Pirklhuber. Christiane Brunner (G) wünschte sich bei der Vorbereitung des globalen Klimaschutzabkommens ein ähnlich vehementes Engagement der EU wie im Falle von TTIP. Im Vordergrund stünden die Vorteile für Unternehmen, stellte Brunner fest und drängte auf eine TTIP-Folgenabschätzung für Landwirtschaft, Umwelt, Tierschutz und Demokratie.
Die Bezeichnung "Freihandelsabkommen" hielt Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (T) für irreführend und wies auf den gut funktionierenden Handel zwischen Europa und den USA hin. Probleme ortete die Abgeordnete im Unterschied zwischen dem US-Markt und dem EU-Binnenmarkt. Der Binnenmarkt sei völlig frei, in den USA könnten US-Staaten hingegen über die Zulassung von Produkten entscheiden. Was Vorteile für die USA bringe, könne zu einem Hemmnis für die EU-werden. Dass US-Präsident Obama über TTIP ohne parlamentarische Mitsprache verhandeln könne, wertete Weigerstorfer als Signal in Richtung Europa, dass die USA kein gemischtes Abkommen wünschten. TTIP biete Chancen, enthalte aber auch Risken, sagte die Abgeordnete und warnte davor, einen Vertrag zu unterschreiben, den man nicht kenne, der aber ständig erweitert werden soll.
"Österreich erwirtschaftet seinen Wohlstand zu 60% durch Exporte" führte Jessi Lintl (T) ins Treffen. Die Unternehmerin schilderte die bislang hohen Kosten und bürokratischen Hemmnisse, die kleine- und mittlere Unternehmen tragen müssen, wenn sie in die USA exportieren wollen. Lintl bekannte sich auch zum Schutz von Investitionen.
Michael Pock (N) riet dazu, die Debatte über TTIP nicht als eine Glaubensfrage zu führen, sondern auf der Grundlage von Evidenz. Es gehe um Arbeitsplätze, eine höheren Wohlstand, um Veränderungen in der Landwirtschaft und um die Sicherstellung eines gemischten Abkommens. Pock sah keine Alternative zur Zusammenarbeit der westlichen Demokratien in deren Bemühen, mehr Wohlstand zu erlangen und diesen in die ganze Welt zu exportieren. Eine zentrale Frage Pocks ist die Abschätzung der TTIP-Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Sicherung der österreichischen Landwirtschaft. Die Informationsaufgabe komme laut Pock den nationalen Regierungen zu. Auch sollte die Kommission nicht nur mit den Regierungen, sondern mit den nationalen Parlamenten kommunizieren.
Grundlage für das Hearing waren die Petition der Gemeinde Lanzenkirchen zu TTIP (29/PET) sowie die Bürgerinitiativen "TTIP -Verhandlungen bezüglich des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA" (42/PET) sowie "Nein zum Comprehensive Economic and Trade Agreement Abkommen (CETA)" (54/PET), die alle zur Kenntnis genommen wurden. Dazu wird es einen Sammelbericht an den Nationalrat geben.
Quelle: Parlamentskorrespondenz