"KURIER"-Kommentar von Christoph Kotanko: "Das Ziel ist klar, der Weg noch nicht"
Alfred Gusenbauer fühlte sich beim Brüsseler Gipfel an seine Jugendtage als Anti-Atom-Kämpfer erinnert. Unter den 27 Staats- und Regierungschefs der EU war er einer von ganz wenigen, die sich gegen die forcierte Nutzung der Kernenergie aussprachen. In der Unterzahl war der heutige SPÖ-Chef schon vor Jahrzehnten beim Widerstand gegen Zwentendorf; damals wurde er von den atomfreundlichen Parteigranden als Bremser kritisiert. Die Volksabstimmung gegen Zwentendorf 1978 ging knapp gegen das AKW aus (die Ablehnung hatte wenig mit dem Umweltschutz zu tun, es ging hauptsächlich um Bruno Kreisky und die Parteipolitik). Jedenfalls ist die österreichische Anti-Atom-Politik ein Dogma. So strikt ist die Ablehnung sonst nur in Irland und Dänemark. Im großen Rest Europas wird gespöttelt, diese Ablehnung habe bereits religionsähnliche Züge. Wenn die Österreicher in der EU wie Wanderprediger auftreten, stoßen sie auf massive Ablehnung. Das wird daheim nicht gern gehört oder gelesen, aber es ist so. Es gibt international viele Politiker - und es werden täglich mehr -, die die Kernenergie als Lösung der Versorgungsprobleme sehen. Darauf wird auch im Schlussdokument des Gipfels hingewiesen. Da nützte das Sträuben von Gusenbauer ("Wir sind die letzten Mohikaner") wenig. Die Kernkraft ist wieder auf der Tagesordnung. Aber wer welche Energie nutzt, ist richtigerweise eine nationale Angelegenheit. Das gilt für alle - für Österreich wie für Tschechien, das an Temelin festhalten will; oder für Bulgarien, das in neue AKW investieren wird mit der Begründung, die Atomkraft sei eigentlich "grün". Atomstreit ist aber nur der plakative Teil einer viel größeren Frage: Wie kann die Union ihre Energieversorgung für die nächsten Jahrzehnte sichern? Das Problem wurde im Winter 2006, ausgerechnet unter derösterreichischen EU-Präsidentschaft, schlagend. Putin drohte der Ukraine mit dem Stopp der russischen Gaslieferungen; das hätte Folgen für ganz Europa gehabt. Schlagartig wurde der EU ihre Verwundbarkeit bewusst. Die Sorgen sind seither nicht kleiner geworden. Außenministerin Ursula Plassnik sagt es diplomatisch: Russland sei eben ein strategischer Partner mit zunehmendem Selbstbewusstsein. Gusenbauer warnte in Brüssel vor dem Aufkauf wichtiger europäischer Stromnetze durch den russischen Monopolisten Gazprom. In der EU ist das Bewusstsein geschärft: Auch in der Energiepolitik müssen die eigenen Interessen energischer vertreten werden. Viele Mitgliedsstaaten sind hoch industrialisiert, aber rohstoffarm. Das schafft eine bedrohliche Abhängigkeit von anderen Ländern. Global wird der Energiehunger Chinas das Problem weiter verschärfen. Was tun? Drei Ziele müssen vereint werden: Sichere Versorgung, Wettbewerbsfähigkeit, Umweltverträglichkeit. Die große Linie ist klar; die EU hat sich ehrgeizige "bindende" Ziele gesetzt. Doch über die Mittel zum Zweck sind sich nicht alle einig. Diese Gemeinsamkeit muss weiter gesucht werden - mit aller Energie.
Rückfragehinweis: KURIER Innenpolitik
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OTS0232 2007-03-09/16:00
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